Axel Strang Berufsfeuerwehr Köln Meine Aufgabe bei der Feuerwehr Köln besteht darin junge Leute auszubilden

Haushalts- und Finanzausschuss (73.) 21.08.

Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform (56.) ste Innenausschuss (43.) len: Wie beeinflusst eine Beibehaltung der Ruhegehaltsfähigkeit die zukünftige Gewinnung von qualifizierten Fachkräften für die Feuerwehr? ­ Diese Frage sollte von den politisch Verantwortlichen richtig beantwortet werden. ­ Schönen Dank.

Axel Strang (Berufsfeuerwehr Köln): Meine Aufgabe bei der Feuerwehr Köln besteht darin, junge Leute auszubilden. Ich soll ihnen beibringen, wie sie ihr Berufsleben einigermaßen vernünftig herumbringen. Das ist gar nicht so einfach.

Meine Vorredner haben Ihnen schon erzählt, was wir in unserem Beruf erleben und was für uns normal ist. An dieser Stelle greife ich ein und versuche, das Weltbild der jungen Leute zu verändern, die zu uns kommen. Für sie und für andere Bürger ist es normal, mit dem Auto von A nach B zu fahren, ohne dass etwas passiert. Die Feuerwehr muss mit einem anderen Weltbild umgehen. Wenn jemand mit dem Auto von A nach B fährt, weiß man nicht, ob er sicher ankommt; das ist eher nicht der Fall.

Die Feuerwehrleute müssen mit dem Weltbild leben, dass die Welt nicht sicher ist.

Sie können nicht in ihre Wohnung gehen und sagen: Das ist sicher, denn das ist mein Zuhause, in dem mir nichts passieren kann. Damit unsere Feuerwehrmänner und -frauen ihre Arbeit tun können, müssen wir ihr Weltbild verrücken; das ist wie verrückt. Wir erleben verrückte Dinge. Das haben meine Vorredner schon angesprochen. Deshalb will ich Sie damit nicht langweilen.

In meiner Stellungnahme habe ich etwas von 850 Toten an der Einsatzstelle geschrieben. Können Sie sich vorstellen, in diesem Plenarsaal würden 850 Tote liegen? Dann wäre es hier ganz schön voll. Für unsere Mitarbeiter ist das normal. Sie kommen irgendwann einmal zu mir und sagen: Einige dieser Toten gehen nicht weg; sie stehen nachts um mein Bett, wecken mich und erwarten meine Aufmerksamkeit.

Bei diesen Kollegen funktionieren unsere Präventionsmaßnahmen nicht, die wir verstärkt bei den Feuerwehren durchführen. 9 bis 10 % entwickeln posttraumatische Belastungssyndrome. Dabei haben wir natürlich die Möglichkeit, sie mit modernen Behandlungsmethoden aus den posttraumatischen Belastungssyndromen herauszuholen und sie zu heilen. Aber es geht nie mehr weg; das bleibt bei ihnen.

Sie werden sagen: 9 bis 10 % ­ von mir aus; das sind ja nur ein paar. Aber es gibt auch Studien, die von 18 % ausgehen. Erst habe ich auch gedacht: Okay, das sind nur ein paar; 18 % sind nicht viel. In Köln haben wir ungefähr tausend Mitarbeiter, wobei 18 % doch ganz schön viele sind.

Ich habe mich mit Pensionären unterhalten, wie es bei ihnen früher war. Ich habe gesagt: Ihr hattet noch keine psychosoziale Unterstützung. Sie sagten: Nein, so etwas hatten wir nicht, aber wir hatten früher Johnnie Walker oder etwas Ähnliches.

Damit ging es dann auch. ­ Die Frage ist nur, welches Leben sie danach hatten. Wir wissen heute: Alkohol hilft bei solchen posttraumatischen Belastungsstörungen. Er hat nur einen Nachteil: Die Dosis muss dauernd erhöht werden. Das Alkoholproblem ist bei den Feuerwehren geringer geworden; die posttraumatischen Belastungsstörungen gibt es sicherlich mindestens in gleichem Umfang.

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Ich habe mit Pensionären darüber gesprochen, wie sie damit früher umgegangen sind. Sie haben geantwortet: Wir haben viel miteinander darüber gesprochen, aber weg war das nie. Wenn man die Pensionäre darauf anspricht, sprudelt es richtig aus ihnen heraus. Dann erzählen sie von ihren Toten und von den Leichen, die sie im Keller haben.

Ich habe mir gedacht: Wir verändern jetzt das Weltbild unserer Mitarbeiter, damit sie ihren Dienst machen können; wir verrücken das Weltbild. Aber was machen wir dann? Wir bekommen es leider nicht mehr zurückgerückt. Das einmal verrückte Weltbild unserer Mitarbeiter und Einsatzkräfte bleibt verrückt ­ auch nach der Pensionierung.

Wenn man sagt, die Zulage sei dafür da, um die besonderen Beschwernisse des Feuerwehrdienstes abzugelten, muss ich Ihnen sagen: Die Beschwernisse bleiben, aber warum bleibt diese Zulage nicht?

Friedrich Vogelpohl (Polizei-, Feuerwehr- und Notfallseelsorger für den Kreis Warendorf): Ich bin im dreißigsten Jahr als ehren- und nebenamtlicher Polizeiseelsorger für die Kreispolizeibehörde Warendorf tätig. Im ländlichen Bereich gibt es unheimlich viele Verkehrstote wegen der hohen Geschwindigkeiten, die auf Landstraßen gefahren werden.

Ich bin im fünfzehnten Jahr Feuerwehrseelsorger nicht nur für die Stadt Beckum, sondern auch für andere Kommunen. Die psychischen Belastungen ­ auch das habe ich versucht, durch meine Antworten klarzumachen ­ gibt niemand mit dem Ruhestand ab. Man kann die Uniform ausziehen, aber sie bleiben nicht in der Uniform hängen. In den 70er-Jahren, als ich anfing, mag noch gesagt worden sein: Wenn man die Uniform auszieht, sei alles anders. Aber das ist nicht so.

Ich habe in den letzten Jahren, als ich noch aktiv Gemeindepfarrer in Beckum war, mehrfach bei Besuchen von Pensionären erlebt, wie plötzlich mit 75 oder 80 Jahren Eindrücke hochkamen, von denen sie selbst gedacht haben, sie hätten sie verarbeitet. Sie hatten aber nichts verarbeitet, weil sie es nicht konnten.

Eigentlich dürfte ich heute gar nicht anwesend sein. Denn ich hatte einen Anruf von einem Rettungsdienstmitarbeiter, die mit Bildern nicht fertig geworden ist und einen Suizidversuch unternommen hat. ­ Ich hoffe und bitte, dass Sie der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizei- und Feuerwehrzulage zustimmen.

Rainer Wendt (Deutsche Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund, Landesverband NRW): Zunächst einmal darf ich Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, für diese Initiative danken. Wir haben uns sehr darüber gefreut. Wir hätten uns im Übrigen auch in der Vergangenheit darüber gefreut, als Sie in Düsseldorf und in Berlin noch Regierungsverantwortung hatten.

(Gerd Stüttgen [SPD]: In Berlin haben wir sie immer noch!)

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Das wäre im Übrigen viel leichter durchzusetzen gewesen. Wir sind es manchmal offen gesagt leid, nur in der Opposition Freunde zu haben.

Meine Damen und Herren, die Polizeizulage ist eine amtsprägende Zulage. So hat es die bayerische Staatsregierung formuliert. Es gibt nicht nur den Aufschub des Wegfalls der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage in Bayern, vielmehr hat der bayerische Ministerpräsident mittlerweile schriftlich zugesichert, dass Feuerwehrund Polizeizulage im Rahmen der Dienstrechtsreform als sogenannte amtsprägende Zulage selbstverständlich dauerhaft gesichert bleiben. An diesem Schritt darf sich die nordrhein-westfälische Landesregierung durchaus ein Beispiel nehmen.

Ich füge hinzu, meine Damen und Herren, um Wiederholungen aus unserer schriftlichen Stellungnahme zu vermeiden, dass die amtsprägende Zulage keine funktionsprägende Zulage ist. Ich will den Unterschied mit wenigen Beispielen verdeutlichen, weil von interessierter Seite immer wieder thematisiert wird, dass man das nicht überall bezahlen müsse.

Völlig egal ist, in welcher Position man im Polizei- und Vollzugsdienst arbeitet ­ temporär oder dauerhaft ­: Die Belastungen und das unmittelbar Erlebte sind überall identisch. Stabstätigkeit bei der Polizei heißt nicht: Dauerparty im Offizierskasino. Sie ist vielmehr höchste Beanspruchung bei sehr komplexen Lagen, die selbstverständlich das vor Ort Erlebte mitmacht ­ ebenso wie es derjenige erlebt, der direkt vor Ort ist. Das ist beispielsweise bei Dienststellenleitern, bei Sachbearbeitern der Kriminalpolizei oder bei Verkehrsunfallbekämpfung genauso. Auch dort sind schlimmste Erlebnisse zu verarbeiten.

Wir kennen natürlich den Einwand, das könne man mit Geld sowieso nicht wiedergutmachen. Auch die Belastungen, die über die Ruhezeit hinausgehen, könne man mit der Ruhegehaltsfähigkeit nicht kompensieren. Vielleicht stimmt das auch. Aber meine Damen und Herren, diese geringe Kompensation im Ruhestand zu streichen, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus.

Lassen Sie mich wenigstens auf einige wissenschaftliche Gutachten hinweisen, die wir schriftlich niedergelegt haben. Das ist längst untersucht; das haben wir uns nicht ausgedacht. Sie selbst von der Opposition oder von der Regierung haben diese Untersuchungen teilweise in Auftrag gegeben, weil Sie wissen und spüren, was bei der Polizei und bei der Feuerwehr los ist. Wenn Sie uns schon nicht glauben, so glauben Sie doch wenigstens Ihren eigenen Untersuchungen, zum Beispiel der Untersuchung des damaligen Instituts für Aus- und Fortbildung, die gemeinsam mit der Universitätsklinik Münster durchgeführt wurde.

Darin ist auch von der lebenslänglichen Wirkungsweise der posttraumatischen Belastungsstörungen die Rede. Das nennt man Lebenszeitprävalenz. Wenn Sie sich dieser Studie widmen, meine Damen und Herren ­ damit komme ich zum Schluss ­, werden Sie eine Sonderform der posttraumatischen Belastungsstörung kennenlernen, die sogenannte Posttraumatic Embitterment Disorder, eine Belastungsstörung, die nicht polizei- oder feuerwehrspezifisch ist.