Wohlfahrt

Sie haben eine ganz normale seniorengerechte und barrierefreie Wohnanlage mit beispielsweise einer bodengleichen Dusche; Sie kennen diese Parameter. Das heute schon mehrfach angesprochene Qualitätssiegel Betreutes Wohnen für ältere Menschen NRW hat schon manch Gutes bewirkt und Außenwirkungen gehabt. Eine solche Wohnung ist allerdings nicht ausreichend für die Lebenswirklichkeit älterer Menschen. Sie brauchen ein Angebot von Hilfs- und Betreuungsleistungen rundherum.

Viele Wohnungsunternehmen scheuen sich schon jetzt ­ das hängt mit der früheren Rechtsprechung zusammen, die mittlerweile Gott sei Dank aufgehoben worden ist ­, als Vermieter zu viel in die Betreuungsorganisation einzugreifen. Wir meinen, dass es notwendig ist, zumindest eine Vernetzung zu organisieren. Das darf sich rechtlich nicht nachteilig auswirken; das tut es aber.

Nach der jetzigen Formulierung im Gesetzentwurf würde beispielsweise, wenn diese Parameter vorliegen, die Kündigungsfrist des Vermieters von den üblichen, im BGB kodifizierten drei Monaten auf einen Monat verkürzt. Wir haben die Problematik, ob mit dem Tode des Mieters auch sofort seine Leistungspflicht endet. Wir haben die Formulierung mit dem Rückerstattungsanspruch für ersparte Aufwendungen. Denken Sie daran, dass dem finalen Lebensstadium möglicherweise ein sechswöchiger Krankenhausaufenthalt vorausgeht. Soll dann der Vermieter mit einer Rückforderung schon bezahlter, also ersparter Aufwendungen seitens des Mieters konfrontiert werden? Das kann alles nicht wahr sein! Das Ergebnis wäre: Die Investitionen würden in diesem Bereich nicht stärker, obwohl wir wesentlich höhere Investitionen bräuchten, sondern sie würden in andere Bundesländer umgelenkt.

Alle Bundesländer wurden durch die Föderalismusreform vor die Aufgabe gestellt, das ehemalige Bundesheimrecht in Landesheimrecht umzusetzen. Gestatten Sie mir folgende Nebenbemerkungen: Diese Entwicklung haben wir anfangs sehr kritisch gesehen, aber mittlerweile erkennen wir durchaus die Segnungen föderalen Wettbewerbs. In Bayern oder in Baden-Württemberg ist ein solches Gesetz bereits in Kraft getreten. Da sehen wir klare Strukturen, die ich föderalen Standard nenne. Die Abgrenzung wird an der Frage festgemacht, ob der Mieter bzw. der Bewohner verpflichtend an einen bestimmten Dienstleister für Hilfs- und Betreuungsleistungen gebunden wird oder ob er in seiner Wahl frei sein soll. Mit diesem Parameter können wir wunderbar leben; jedoch findet er sich nicht im Gesetz.

Es gibt ­ dabei ist Nordrhein-Westfalen einen wenig erfreulichen Sonderweg gegangen ­ einen nach meiner Überzeugung überhaupt nicht rechtssicheren oder justiziablen Tatbestand der tatsächlichen Abhängigkeit. Schon der Begriff ist juristisch nicht ohne Weiteres zu interpretieren. Aber ein Blick in die Gesetzesbegründung schafft Aufklärung. Dort ist formuliert: Schon die Dominanz eines Betreuers bzw. eines Dienstleistungserbringers in einer Wohnanlage, der mindestens 75 % der Bewohner betreut, soll ein rechtlicher Nachteil sein, wenn sie darauf beruht, dass er die Leistung als billigster und/oder als bester Anbieter erbringt. Selbst dann mutmaßt das Gesetz, es gäbe einen Schutzbedarf des Bewohners.

Was wird die Konsequenz sein? Die Vermieter werden, wenn sie sich überhaupt noch an das Segment seniorengerechter Wohnungen trauen, wegen der rechtlichen Nachteile alles meiden wie der Teufel das Weihwasser, was in die Nähe der Schaf fung von Strukturen, insbesondere von sinnvollen niedrigschwelligen Strukturen, in die Nähe von Betreuungseinrichtungen kommen könnte. Das kann nicht richtig sein und wäre im Übrigen eine Konterkarierung des gesetzlichen Zweckes und auch der Bemerkungen des Ministers im Vorspann des Gesetzes, die wir voll und ganz unterstreichen. Die Wirkung wäre gänzlich anders. Deshalb ­ ich wiederhole das ­ sind wir als Mahner und Warner gekommen, diesen Fehler nicht zu machen. Die Folgenabschätzung eines neuen Gesetzes ist nicht einfach. Aber die freie Wohnungswirtschaft ist in der Pflicht, Sie rechtzeitig zumindest auf die Folgen dieses Handelns hinzuweisen.

Thomas Möller (Baugenossenschaft Freie Scholle Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Gelegenheit, zu diesem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Zum Schluss dieser Statementrunde ist die geballte Wohnungswirtschaft vertreten. Im Gegensatz zu meinen beiden Vorrednern rede ich zu einem absolut praktischen Teil.

Wir sprechen über den alten Menschen ­ das ist meine berufliche Realität. Die Baugenossenschaft Freie Scholle hat gut 5.000 Wohnungen mit 7.000 bis 8.000 Bewohnern in Bielefeld. 40 % der Bewohner sind Menschen im Alter von über 60 Jahren. In unseren Wohnungen besteht der Altenanteil, den wir für die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2050 erwarten.

Darauf haben wir aber schon vor 20 Jahren reagiert; denn schon vor 20 Jahren hatten wir diese Anteile. Damals haben wir als erstes bundesdeutsches Wohnungsunternehmen Leistungen für alte Menschen angeboten, die es den alten Menschen ermöglichen, so lange in ihrer zur Heimat gewordenen Wohnung bleiben zu können, wie sie das wollen.

Heute muss ich feststellen, dass in diesem Gesetzentwurf Regelungen stehen, die aus unserer gesamten Baugenossenschaft kurz vor unserem hundertjährigen Jubiläum ein Heim machen. Das macht mir Angst. Deshalb ist meine ganz große Bitte: Schaffen Sie Klarheit, damit nicht ein ganzes Wohnungsunternehmen mit ganz normalen Dauermiet- oder Dauernutzungsverträgen Gefahr läuft, unter das Heimgesetz zu fallen! Die für mich einfachste Lösung dieses Problems wäre, ein normales Wohnverhältnis zu begründen, wenn Mietverträge generationsübergreifend abgeschlossen werden, wie es beim klassischen Dauermiet- oder Dauernutzungsvertrag des der Fall ist, sodass dadurch auf keinen Fall ein Heim konstituiert wird ­ auch nicht, wenn Zusatzleistungen als wahlfreie Leistungen übernommen werden.

Darüber hinaus ­ das wurde heute schon mehrfach angesprochen ­ ist es uns in Bielefeld gelungen, durch eine Zusammenarbeit von Kommune, freien Trägern und Wohnungsunternehmen wie Alt und Jung, Stadt Bielefeld, Freie Scholle und BGW, die eingeladen war, heute aber leider nicht anwesend sein konnte, eine Versorgungssicherheit herzustellen, die in der Bundesrepublik wahrscheinlich einmalig ist.

Sie ist durch Kommunikation und Zusammenarbeit entstanden. Bitte geben Sie uns die Möglichkeit, in Bielefeld weiterhin so gut zusammenzuarbeiten! Münster ist ein ähnliches Beispiel, wo die Zusammenarbeit gut klappt. Geben Sie Kooperationsfreiheit!

Auch schon angesprochen wurde, dass die laufenden Projekte gefährdet würden, wenn das Heimgesetz in Kraft trete. Ich will nicht verhehlen, dass es Projekte in einer Grauzone gibt; Herr Kreutz hat das angesprochen. Bei diesen Projekten müssen die Rechte der Betroffenen gestärkt werden. Gerade unsere Genossenschaft ist Freund des Selbstbestimmungsrechts der Menschen, das noch weiter ausgedehnt werden muss. Ich sehe die Gefahr bei diesem Gesetzentwurf, dass staatliche Überreglementierung zu einer Bevormundung der Menschen führt. Ich sehe die Gefahr, dass das Kriterium Alter dazu benutzt wird, Menschen zu bevormunden. Das kann und darf nach meiner Auffassung nicht sein!

Zum Schluss möchte ich noch einige Worte an die Kollegen von den freien Verbänden richten. Ich sehe ähnlich wie Sie, dass Investitionen gefährdet werden. Unsere Genossenschaft wird weiterhin in der Stadt Bielefeld investieren; das ist völlig klar.

Wir werden nicht nach Bayern oder nach Baden-Württemberg gehen. Aber sicherlich investieren Unternehmen dort. Wenn das Gesetz in der vorliegenden Form durchkommt, werden sich viele Wohnungsunternehmen fragen, ob sie eigentlich noch barrierefreien Wohnraum bauen sollen, in den schwerpunktmäßig alte Menschen einziehen, sodass er plötzlich, ohne es zu wollen, zu einem Heim wird.

Meine Damen und Herren, bitte sorgen Sie dafür, dass wir, die verantwortungsvoll handelnden Wohnungsunternehmen, weiterhin für alte Menschen vernünftigen Wohnraum anbieten können!

Vorsitzender Günter Garbrecht: Herzlichen Dank an die Sachverständigen. Wir haben Ausführungen zu einem großen Spannungsbogen gehört. Die Damen und Herren Abgeordneten haben jetzt noch 30 Minuten Zeit, um Fragen an die Sachverständigen zu richten.

Norbert Killewald (SPD): In Anbetracht der verbleibenden Zeit möchte ich zwei Fragen an Herrn Pawletko, die Freie Wohlfahrtspflege, Herrn Kreutz, Herrn Fuchs, Frau Sinz, Herrn Sundermann, die MDKs und die Stadt Düsseldorf als Heimaufsicht stellen. Bei der Diskussion, die wir verfolgen konnten, scheint die Frage wesentlich zu sein: Kann man die stationären Prüfmaßstäbe auf den ambulanten Bereich übertragen? Wie kann man vermeiden, dass die Ängste aus dem Schreckensszenario, das die Wohnungswirtschaft und andere gezeichnet haben, Realität werden?

Barbara Steffens (GRÜNE): Ich möchte an die Fragen des Kollegen anschließen und zwei Bereiche ansprechen. Zunächst richte ich an Herrn Schettler und Frau Sinz folgende Frage: Wenn ich die Zuschriften und die Einlassungen von Herrn Möller richtig verstanden habe, gibt es die Einschätzung, dass Neuinvestitionen in Altenwohnungen und in barrierefreie Wohnungen unter Umständen dem Risiko unterliegen, dass ein Träger, der investiert und baut, nicht weiß, ob er am Ende als Heim eingestuft wird und ob er dann weitere Investitionen tätigen muss. Das heißt, ein Investor hat keinen Einfluss auf die Rechtsform, also darauf, ob er am Ende ein normales Mietshaus oder ein Heim betreibt. ­ Ist das aus Ihrer Sicht überhaupt haltbar?