Versorgungsaufgaben

Sparkassen in eine Situation geraten, in der sie beispielsweise erheblichen Zuschussbedarf hätten, um die kreditwirtschaftsrechtlichen Versorgungsaufgaben erfüllen zu können, die wir von ihnen erwarten. Deswegen wird es sicherlich nicht das letzte Mal sein, dass wir hier vor der Frage stehen, wie Sie mit diesem Widerspruch umgehen.

Dr. Thomas Schürmann (Deutscher Sparkassen- und Giroverband): Frau Walsken hat mich nach den spezifischen Auswirkungen des nordrhein-westfälischen Gesetzentwurfs auf das Sparkassenwesen auf Bundesebene gefragt. Fast alle Punkte, die ich dazu noch kurz anreißen möchte, sind jetzt schon relativ intensiv angesprochen worden, vor allem vonseiten der nordrhein-westfälischen Sparkassenverbände und der kommunalen Spitzenverbände, aber auch von zahlreichen anderen Diskussionsteilnehmern. Gleichwohl noch zusammenfassend einige Stichworte:

Die mir gestellte Frage muss ich ganz klar mit Ja beantworten. Dies folgt allein schon daraus, dass das Land Nordrhein-Westfalen das größte und demzufolge ein sehr bedeutendes Bundesland ist. Dieses Gesetz hätte nicht nur wegen gewisser Nachahmereffekte in dem einen oder anderen Bundesland, sondern auch wegen des bundesweiten Geschäftmodells der Sparkassen zwangsläufig bestimmte Folgen. Die Sparkassen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie regional verankert am Markt tätig sind und vor Ort ein selbstständiges Unternehmertum repräsentieren, aber im Backoffice, in der Abwicklung, ihre Kapazitäten und Kräfte bündeln, um hohe Stückzahlen effizient und damit kostengünstig bearbeiten zu können. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass die Institute im harten Wettbewerb am Markt bestehen können.

Diese Kooperation, die auf regionaler und auf Landesebene, aber natürlich auch auf Bundesebene stattfindet, erfordert ein gewisses einheitliches Verständnis, eine einheitliche Geschäftsphilosophie, ein gleichgerichtetes Geschäftsmodell, zu dem wiederum der Rechtsrahmen passen muss. Ein einheitliches Geschäftmodell erfordert einen im Prinzip, in den Kernpunkten, gleichartigen Rechtsrahmen. Hier sehe ich wie auch zahlreiche meiner Vorredner in dem uns vorliegenden Gesetzentwurf erhebliche Probleme: Ansatzpunkte, die in Richtung einer Veränderung der Philosophie, des Geschäftsmodells und des Wesens der Sparkassen zielen.

Die Stichworte sind alle schon genannt worden: Erstens geht es um das Thema Gemeinwohlorientierung versus Finanzinvestment der Kommunen, zweitens um Dezentralität versus Zentralität und drittens um öffentlich oder privat. Dazu jetzt noch einige ergänzende Anmerkungen:

Beim ersten Thema ist der erste Aspekt: Finanzinvestment. Frau Walsken hatte hierzu die Themen Ausschüttung und Trägerkapital benannt. Dass Sparkassen derzeit kein Finanzinvestment, sondern ausschließlich ein Instrument zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Gemeinwohlinteressen sind, kommt in den Ausschüttungsregelungen fast aller Sparkassengesetze in Deutschland zum Ausdruck. Nicht nur in Nordrhein Westfalen, sondern in fast allen anderen Bundesländern ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Ausschüttungen ganz bestimmten gemeinwohlorientierten, gemeinnützigen Zwecken dienen müssen. Die Formulierungen sind etwas unterschiedlich, aber im Kern gleich. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen; eine solche Ausnahme stellen Stammkapitalsparkassen in Rheinland-Pfalz dar. Dort müssen die Ausschüttungen nicht gemeinwohlorientiert verwandt werden. Aber daran sieht man den Zusammenhang zwischen den Themen Trägerkapital, Stammkapital und Gewinnverwendung oder Ausschüttungsverwendung bei den Trägern.

Unser klares Plädoyer: Wenn die Sparkassen ihr Wesen erhalten wollen, müssen sie weiterhin als eine öffentlichen Zwecken gewidmete gemeinnützige Vermögensmasse in jeder Hinsicht erhalten bleiben. Dies bedeutet auch, dass die Erträge, die diese Institute generieren, wieder für den Geschäftsbetrieb eingelegt werden, der gemeinnützige Zwecke verfolgt, aber auch, soweit sie ausgeschüttet werden, gemeinnützig bleiben müssen. Aus diesem Grunde halten wir die in dem Entwurf angedachte Freigabe der Ausschüttungsverwendung für nicht sinnvoll.

Damit hängt das Thema Trägerkapital zusammen. Hier sind in der bisherigen Diskussion die Argumente genannt worden, das Trägerkapital schaffe mehr Transparenz und es fördere die Bindung zum Träger. Wir sehend das ganz anders. Wir sind der Auffassung, dass die Einführung von Trägerkapital die kommunale Bindung schwächt, weil der Eindruck vermittelt würde, das Trägerkapital sei von der Kommune eingelegt worden und darauf müsse eine an den Renditen der Kapitalmärkte orientierte Rendite erzielt werden. Damit würde die entsprechende Sparkasse zwangsläufig zu einem reinen Finanzinvestment, und dies würde die kommunale Bindung im Sinne einer spezifischen kommunalen Aufgabenerfüllung eher schwächen als stärken.

Zum zweiten Aspekt, der Transparenz im Hinblick auf die Ausschüttungen: Dahinter steht wohl die Überlegung, die auch in der Gesetzesbegründung anklingt, man könne das Trägerkapital als ein Steuerungsinstrument einsetzen, um die Effizienz der Sparkasse besser überwachen zu können. Dass dies nicht funktionieren kann, wird schon daran deutlich, es dass das Trägerkapital weder als Begriff noch als Instrument in irgendeiner fachlichen Diskussion gibt, nicht in der juristischen und vor allem nicht in der betriebswirtschaftlichen Diskussion. Es gibt betriebswirtschaftlich bekannte Kennziffern, die Eigenkapitalrendite oder das Einkommen-Ausgaben-Verhältnis. Das sind bekannte Kennziffern, die bei Kreditinstituten auch der unterschiedlichen kreditwirtschaftlichen Säulen vergleichbar sind. Damit kann man ein Benchmarking durchführen, nicht aber mit einem völlig willkürlichen Trägerkapital, dessen Höhe und dessen Relation zum Eigenkapital in einem konkreten Fall letztendlich eher zufällig bestimmt würde. Das heißt, das Trägerkapital ist als Steuerungsinstrument völlig ungeeignet; es kann einen solchen Zweck gar nicht erfüllen.

Als dritter Aspekt ist vorgetragen worden, das Trägerkapital sei für die Gläubiger der Sparkasse als Sicherheit wichtig. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die Gläubiger werden durch die bankenaufsichtlichen Regelungen und das Vermögen der Sparkasse geschützt, nicht durch eine willkürlich gewählte Bilanzposition. Das heißt, auch beim Trägerkapital können wir keinen positiven, sinnvollen Zweck erkennen. Allein der Umstand, dass das Stammkapital in Rheinland-Pfalz oder neuerdings in Hessen bislang zu keinen dramatischen Veränderungen geführt hat, wäre als Messlatte für den Sinn einer gesetzlichen Regelung doch etwas niedrig. Gesetze sollten einen positiven Zweck erfüllen; ihn können wir hier nicht erkennen. Die klare Botschaft: Diese Entwurfsregelungen drohen den Charakter der Sparkassen in Richtung Finanzinvestment der Kommunen zu verändern, was nicht sinnvoll ist.

Zum zweiten Thema, der Zentralisierung, komme ich zunächst auf den Aspekt der gesetzlichen Anordnung einer Verbundstruktur zu sprechen. Die Regelungen sind relativ unspezifisch; man könnte fast schon sagen, sie verstießen gegen das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot. Das ist aber wahrscheinlich bewusst so gemacht worden, um in der politischen Diskussion noch hinreichenden Interpretationsspielraum zu haben. Auch hier ist die Tendenz aber klar: Letztendlich soll einer größeren Zentralisierung und möglicherweise auch einer zentralisierten Steuerung das Wort geredet werden. Diese Tendenz ist aber mit der dezentralen Struktur der Sparkassen nicht zu vereinbaren. Gerade diese Dezentralität hat sich jetzt in der Finanzmarktkrise als großer Vorteil erwiesen. Ich kann berichten, dass gestern im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments der Präsident der Europäischen Zentralbank, Herr Trichet, zu Gast war und betont hat, wie wichtig es im Moment sei, die Finanzstabilität in den Vordergrund zu rücken. Mit Blick auf Deutschland hat er ganz klar gesagt, dass Angriffe auf die dezentralen Strukturen in Deutschland nicht im Interesse der Finanzstabilität und der Europäischen Zentralbank seien. Also auch hier eine etwas falsche Richtung!

Als drittes Thema greife ich die mehrfach angesprochene Privatisierung auf. Indem die Sparkassen über diesen gesetzlichen Verbund an die Sparkassenzentralbank ­ letztlich wäre es die ­ gebunden werden, ist jedweder künftigen Entwicklung der der Weg gewiesen. Warum werden Beleihungen vorgenommen? Herr Prof. Mayen hat es dargelegt: Beleihung bedeutet immer, dass einem Privaten eine öffentliche Aufgabe übertragen wird. Die Beleihung kann in diesem Gesetz nur den Zweck verfolgen, für den Fall der Privatisierung der gleichwohl die Bindung zu den Sparkassen zu schaffen und die Sparkassen dann gewissermaßen an die zu ketten. Auch dies kann vor dem Hintergrund des Beihilfeverfahrens keinen Sinn machen, wäre aber aus unserer Bundessicht natürlich auch grundsätzlich ein großes Problem, weil die Sparkassen, wenn sie denn an eine privatisierte Landesbank gebunden würden, die vielleicht sogar noch gewisse Steuerungsfunktionen hätte, unweigerlich ihren Charakter als dezentrale gemeinwohlorierentierte Kreditinstitute aufgeben müssten.

Zusammengefasst: Der Gesetzentwurf enthält eine Reihe von Punkten, die in die falsche Richtung gehen und den Charakter der Sparkassen zu ändern drohen. Dies erfolgte nicht von jetzt auf gleich mit Inkrafttreten des Gesetzes, aber es entwickelte sich in der Praxis eine entsprechende Tendenz. Deshalb plädieren wir sehr dafür, diesen Gesetzentwurf auf diejenigen Regelungen zu beschränken, deren Umsetzung EG-rechtlich geboten ist. Da geht es um die Umsetzung der Regelungen zur Prüferrichtlinie, noch ergänzt um einige allgemeine Vorschläge, die die Sparkassenverbände hier unterbreitet hatten. Aber die kritischen Punkte, die ich gerade angesprochen habe, sind erst einmal außen vor zu lassen.

Zum Schluss noch eine letzte Bemerkung aus der Erfahrung eines Mitarbeiters des Bundesverbandes in mittlerweile acht Jahre andauernden Diskussionen mit der Europäischen Kommission: Ein Punkt, der hier immer wieder angesprochen wurde.