Die zeigt zwar am Ende wie groß die Finanzkrise vor Ort ist sagt aber nichts über die Verursachung aus

Die Frage, die an mich gerichtet war, war die Frage nach den Indikatoren für die staatliche Überforderung. Das ist natürlich ein schwieriges Thema wie alles in dem Bereich. Gäbe es da ganz eindeutige Indikatoren, dann würden die schon benutzt.

Die gibt es also nicht.

Die Verschuldung würde ich nicht nehmen. Die zeigt zwar am Ende, wie groß die Finanzkrise vor Ort ist, sagt aber nichts über die Verursachung aus. Insofern sagt das auch nichts über die staatliche Überforderung aus.

Am Ende sind es dann eher Größen, die sich beispielsweise auf die Einnahmen je Einwohner richten werden, vor allem aber auf die Einnahmeentwicklung. Das Problem ist häufig nicht die Einnahmenhöhe, sondern die starke Volatilität. Das sind auch eindeutige Studienergebnisse, dass man letztlich bei den Kommunen, die große Probleme auf der Einnahmenseite und dann irgendwann auch auf der Ausgabenseite und auf der Verschuldungsseite haben, in der Regel nicht eindeutig zu niedrige Einnahmen konstatieren kann, sondern dass es da eher die starken Schwankungen sind. Denn selbst wenn man nach der Krise wieder auf den Ausgangspfad kommt, bleiben die Zinsen für die Kassenkredite hängen, die man zwischendurch für den Einnahmeausfall aufnehmen musste. Insofern ist das besonders schwierig.

Wenn man einen Indikator sucht, sollte man sich die pflichtigen Aufgaben heraussuchen und hier Vergleichswerte pro Einwohner, Vergleichswerte natürlich auch für geeignete Gemeindetypen. Nicht jede Gemeinde hat die gleichen Aufgabenanforderungen. Da gibt es sehr große Unterschiede. Da müsste man eine Typisierung vornehmen und sich die Aufgaben pro Einwohner im interkommunalen Vergleich anschauen.

Zusätzlich sollte eine dynamische Komponente aufgenommen werden, die Entwicklungsaussichten für eine Kommune, so etwas wie die Bevölkerungsentwicklung. Die Entwicklung der Altersstruktur spielt da eine große Rolle. Wenn man weiß, dass hier ohnehin Belastungen auf die Gemeinde zukommen, dann ist das natürlich auch für die Entwicklung der Finanzlage bedeutend.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Rolle der finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates. Natürlich soll sich der Staat nicht massenhaft für die Kommunen verschulden. Das wäre der Effekt linke Tasche, rechte Tasche. Das ist der Generationengerechtigkeit nicht unbedingt dienlich. Aber der Staat muss natürlich aufpassen ­ in dem Fall das Land ­, dass er nicht Aufgaben festsetzt, die auch im Krisenfall zu erledigen sind. Da muss man wenigstens dafür sorgen, dass in manchen Bereichen die Standards aufgeweicht werden, man also Standards abbaut und damit die Flexibilität der kommunalen Handlungsfähigkeit stärkt.

An mich gerichtet war die Frage der Schuldenentlastung, gerade der höchst belasteten Gemeinden. Der Aspekt der Haushaltssicherungshilfe wurde von Frau Kuban schon angesprochen. Das hat es einmal gegeben. 1987, glaube ich, hat es einen Ausgleichstock gegeben. Das war quasi auch der Beginn der Haushaltssicherungskonzepte. Mit der Anforderung von Eigenbeteiligung, von Eigenanstrengungen wurden Haushaltssicherungshilfen an bestimmte Gemeinden geleistet. Darunter waren auch Oberhausen, Gelsenkirchen usw. Hier findet man alte Vertraute wieder, woran es auch immer liegen mag.

Das Ganze hat im ersten Jahr gewirkt. Das hat damals zumindest die Studie für das Innenministerium besagt. Es hat insofern gewirkt, als der eigene Konsolidierungsanteil noch deutlich größer war als die Zahlungen, die vom Land geleistet wurden, allerdings in einem relativ guten Haushaltsjahr, was die Einnahmenlage und die Entwicklung der Ausgaben betrifft.

Langfristig hat es anscheinend nicht so richtig gewirkt. Das liegt aber nicht am Instrument an sich, sondern daran, dass es im falschen finanzpolitischen Ordnungsrahmen war. In diesem alten Rahmen, in dem wir bislang arbeiten, sehen die Anreize für sämtliche Akteure auf sämtlichen staatlichen Ebenen ja so aus, dass sie die Möglichkeit haben, Lasten zu verschieben, und diese Möglichkeit auch nutzen sollten, weil die Bürger nicht wissen, wie hoch die Verschuldung ist. Sie spüren es nicht wirklich. Deswegen gibt es eine Anspruchsinflation. Das ist gar nicht böse gemeint. Die Politiker beim Staat haben die Möglichkeit, Lasten zu verschieben. Deswegen werden Aufgaben quasi zum Nulltarif angeboten, indem man das auf die kommunale Ebene schiebt. Dann steht im Gesetzesblatt: Kosten Null. Das ist schön für das Land, aber die Kommunen müssen natürlich dafür zahlen. Die Gemeinden haben im Zweifel auch die Möglichkeit, über Kredite Dinge zu finanzieren, die sie sich eigentlich nicht leisten können. In diesem Anreizrahmen, in diesem finanzpolitischen Ordnungsrahmen, kann auch so etwas wie eine Haushaltssicherungshilfe nicht funktionieren.

Wir sind aber der Meinung: Wenn man diesen finanzpolitischen Ordnungsrahmen umkrempelt und ganz klar Anreizkonformität herstellt, indem man bestimmte Dinge nicht erlaubt und beispielsweise die finanziellen Gestaltungsspielräume und auch die aufgabentechnischen Gestaltungsspielräume für die kommunale Ebene verstärkt, braucht man natürlich eine Entschuldungshilfe. Das ist kein schönes und kein sauberes ordnungspolitisches Instrument. Aber wenn man es ausgestaltet in einer Kombination aus Tilgungshilfe im Sinne einer Zusatztilgung für die Höchstbelasteten, sodass die Voraussetzung finanzielle Eigenbeteiligung ist, dafür das Geld aber auch ganz klar in die Tilgung gelenkt wird, und vielleicht für Höchstbelastete zusätzlich noch einer Zinsausgabenhilfe mit der Voraussetzung Primärsaldoausgleich und, wenn der nicht geschafft wird, Konsolidierungsauflagen und das Ganze zeitlich befristet, dürfte es durchaus sinnvoll sein. Dann schmeißt man nicht gutes Geld schlechtem Geld hinterher, weil man dieses Fass ohne Boden nicht mehr hat.

Letztlich darf man die höchstbelasteten Gemeinden in der jetzigen Situation egal, welche Ursachen ihre Situation hat, nicht alleine lassen. Das hat zwei Gründe. Zum einen sind das natürlich Gerechtigkeitsaspekte. Zum anderen ist das Ganze standortpolitisch und auch finanzwirtschaftlich absolut sinnlos. Letztlich hat man hier ein strukturelles Defizit. Das wird weitere Schulden generieren. So ist man irgendwann in der Schuldenfalle. Deswegen muss man sich, auch wenn es wirklich böse ist und kein schönes Instrument ist, mit diesem Problem auseinandersetzen. Jörg Sennewald (Gemeindeprüfungsanstalt NRW): Ich möchte noch ein Wort zu den Kassenkrediten an den Anfang stellen. Das ist ein Wort, von dem wir uns zukünftig wahrscheinlich immer mehr werden verabschieden müssen. Unter dem NKF hat dieses Wort immer weniger Bedeutung. Deswegen sollten Sie die zielführende Diskussion besser unter anderen Etiketten führen, Eigenkapital oder Ähnliches. Kassenkredit ist das Ergebnis einer Geldflussrechnung gewesen. Die haben wir im NKF auch noch. Das ist aber die Finanzrechnung. Auf die kommt es beim Haushaltsausgleich unter dem NKF nicht mehr an, sondern da kommt es zukünftig darauf an, ob die Ertragsrechnung ausgeglichen ist. Da sind auch noch alle möglichen Faktoren drin, die sich nicht in Geld ausdrücken. Das macht das Problem alles nicht leichter.

Wir haben sowieso schon genug Probleme. Da kommt es auf dieses eine auch nicht mehr an.

Ich bin gefragt worden zum demografischen Problem, Herr Becker. Anstatt einer Antwort möchte ich Ihnen einfach nur einmal sagen, welche Städte es sind, die Bevölkerungswachstum haben. An erster Stelle bis 2025 mit 10,1 % liegt die Stadt Aachen. Dann gibt es degressiv die Rheinschiene, Bonn, Köln, Düsseldorf, und dann gibt es Münster und Bielefeld. Was nicht dazu gehört, wissen wir alle. Das ist das Ruhrgebiet. Wenn man das von der demografischen Seite her aufzäumen will, dann muss man sich dieser Sache vielleicht einmal als Landesaufgabe stellen.

Mehr Ursachenforschung kann ich schlicht nicht betreiben, weil ich in Vorbereitung dieser Sitzung eigentlich nur zwei Rechnerläufe gegeneinander habe laufen lassen.

Wo sind die relativ guten Haushaltsergebnisse? Wo ist der demografische Wandel am stärksten? In welche Richtung geht er? Da sieht man das 1:1. Das Ergebnis ist frappierend. Aber im Grunde genommen ist das eigentlich auch gar nichts Neues.

Das hat wahrscheinlich der eine oder andere von Ihnen auch schon so erwartet.

Relevanz der Vorgaben zum Haushaltsausgleich: Kann man mit härteren Gesetzen zu besseren Ergebnissen kommen? ­ Ich bin zwar Jurist, aber das glaube ich nicht.

Das glaube ich definitiv nicht. Erinnern Sie sich nur daran: Vor der GORechtsänderung Ende der 80er-Jahre, sogar Anfang der 80er-Jahre ging es nämlich darum, von einer Sollverpflichtung zu einer Mussverpflichtung zu kommen. Früher stand im Gesetz: soll ausgeglichen sein. Dann hat man gesagt: muss ausgeglichen sein. An der Sache hat sich dadurch natürlich überhaupt nichts geändert. So weit wollen wir nicht gehen. Allein durch Vorschriften ist das Problem nicht einzufangen.

Das ist zu einfach.

Man muss sehen, dass es für die Kommunen einfach auch Grenzen der Handlungsfähigkeit gibt. Welchen Kommunen geht es besonders schlecht? ­ Denen, die besonders viel Personal haben, und denen, die besonders viel Schulden haben. Will denn einer betriebsbedingt kündigen? Das gibt es nicht im Land. Also können wir das Thema schon einmal weitgehend abhandeln, auch wenn wir über Kultureinrichtungen reden. Da ist ein Theater. Mutvoll wird das irgendwie dicht gemacht. Aber da sind auch noch Leute. Wer schmeißt die denn raus? Das will ja auch keiner. Wollen Sie die alle freisetzen? Das ist ein politisches Problem und kein rechtliches Problem. Das ist aber ein faktisches Problem, mit dem die Kommunen umgehen müssen.