Frau Tölle Sie haben gesagt ein Sozialindex ist ermittelt die Schulen sind in einem sozialen Kontext bewertet worden

Ute Schäfer (SPD): Auch ich möchte mich bei Ihnen allen ganz herzlich für die Ausführungen bedanken, die uns noch einmal sehr nachdenklich gestimmt haben. Es sind viele gute Anregungen gekommen. Ich darf erwähnen - auch aus der Historie heraus -, dass das Interesse der Kommunen an Bildungspolitik meiner Meinung nach maßgeblich durch zwei Ereignisse beflügelt worden ist: Das war zum Ersten die Einführung des Modellprojekts Selbstständige Schule. Da hat es eine richtige Aufbruchstimmung gegeben. Es war zum Zweiten - das war für uns auch sehr interessant - die Einführung der offenen Ganztagsgrundschule. Dabei ging es um Inhalte in den Schulen, und man hat erstmals gemerkt, wie hoch die Bedeutung der kommunalen Beteiligung bei der Entwicklung von Bildungsqualität ist, sein kann und sein sollte. Ich freue mich sehr, dass die Vertreter der Praxis, die das pragmatisch umsetzen, deutlich gemacht haben, dass es so gekommen ist, wie wir uns das gewünscht hatten.

Frau Tölle, Sie haben gesagt, ein Sozialindex ist ermittelt, die Schulen sind in einem sozialen Kontext bewertet worden. Nach meinem Kenntnisstand hat das Land Nordrhein-Westfalen das in zwei Kommunen beispielhaft gemacht. Wissen Sie, warum es nicht weiterentwickelt worden ist? Wir halten es für ein ganz wichtiges Instrument, den Sozialindex festzulegen, um kommunal handeln zu können.

Frau Prof. Faber, Sie haben ausgeführt, dass Sie sich mehr Gestaltungsspielraum vor Ort wünschen. Bei der Überlegung, wie man Schulstrukturen vor Ort ermöglichen sollte, haben Sie ausdrücklich gesagt, Sie können sich gut Verbundschulen neben dem Gymnasium vorstellen. Könnten Sie sich auch vorstellen, dass man den Kommunen dahin gehend Freiheit gibt, wie es in Schleswig-Holstein der Fall ist, wirklich die Bildungsgänge vor Ort vorzuhalten, wie sie aus kommunaler Sicht für notwendig erachtet werden? Mit anderen Worten - die Fragen richte ich auch an die beiden anderen kommunalen Vertreter -: Könnten Sie sich vorstellen, dass man mit einer kommunalen Öffnungsklausel in diesem Bereich ein Stückchen weiterkommen kann, auch vor dem Hintergrund, dass man das dann evaluiert, was ich ausdrücklich begrüße? Ich finde es wichtig, hier zu begleiten und zu schauen, was wir dort mit welchen Ergebnissen machen.

Frau Stuchlik, Sie haben ein tolles Beispiel aus Freiburg genannt. Ich frage Sie und Herrn Prof. Hansis sowie auch die kommunalen Spitzenverbände: Wenn wir über Bildungsregionen oder regionale Bildungsplanung reden, dann geht es immer um unterschiedliche Größenordnungen. Wie groß könnte solch eine Region in Nordrhein Westfalen sein? Ergibt sie sich zufällig? Kann man das planen und steuern?

Ich sehe zurzeit die Gefahr, dass zwar überall ordentlich gearbeitet wird und die Kreise und Städte etwas machen wollen, dass dann aber auch Parallelstrukturen aufgebaut werden. Man macht hier eine Stiftung, der Bund macht etwas, und man nimmt an einem Modellprojekt teil, die Stadt betreibt das Bildungsbüro. Passiert uns hier nicht etwas, wie es auch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik häufig der Fall ist, dass ein Projekt neben dem anderen läuft und man gar nichts voneinander weiß? Hätten Sie eine Idee, wie man Steuerungselemente entwickeln kann, damit nicht ein Durcheinander bei der regionalen Bildungsplanung entsteht?

Im Übrigen will ich mir eine Anmerkung nicht verkneifen: Seitens der SPD haben wir auch viele solcher Anträge wie jetzt die Grünen gestellt. Sie gehen immer den leidigen Weg in den Papierkorb. Ich hoffe insofern, dass all das, was Sie heute zu dieser Anhörung beigetragen haben, dazu führt, dass wir den Antrag nicht auf diesen Weg schicken, sondern wirklich ein Stück weiterkommen.

Klaus Kaiser (CDU): Auch ich möchte mich im Namen meiner Fraktion sehr herzlich bei allen Expertinnen und Experten bedanken. Es hat sehr interessante neue Erkenntnisse und auch Bestätigung in vielen Punkten gegeben. Für diejenigen, die nicht so in die parteipolitischen Auseinandersetzungen dieses Landtags involviert sind, muss man sagen: Solche Anträge der Grünen sind immer durch zwei Punkte gekennzeichnet, nämlich zum einen eine Variante der Schulstrukturdebatte, zum anderen meistens einen Aspekt, der von der Sache her ganz interessant ist. Das findet sich auch hier wieder. Den ersten Punkt bearbeiten wir weitgehend im Plenum, das sollten wir heute nicht in den Fokus nehmen.

Wir sollten uns dem zweiten Aspekt zuwenden und fragen: Welche Möglichkeiten gibt es im Rahmen der Schulträgerschaft? Ich bin insbesondere den Vertretern der Lehrerverbände - Herrn Brambach und Herrn Silbernagel - ausgesprochen dankbar für ihre Stellungnahmen. Alle Expertinnen und Experten, die hier versammelt sind, sind im Bereich der erweiterten Schulträgerschaft hoch engagiert unterwegs. Wie schätzen Sie das ein, wie sieht es landesweit aus? Wie spiegeln sich die neuen Wege, die gegangen werden - Kommunen entdecken die Chancen, etwas für Schulen zu tun, im Hinblick auf ihren Standortfaktor -, in Ihrer Mitgliedschaft wider? Wie sind die Resonanzen bei Ihnen?

Herrn Dr. Christiansen würde ich am liebsten in manche Kommune mitnehmen. Hier wurde gesagt: Wir müssen Geld für Bildung ausgeben. Auch er hätte bei allem, was er geschildert hat, zum Beispiel bei den Sozialarbeitern, die eingestellt worden sind, oder den Unterstützungssystemen für die Schulleitungen die Frage stellen können: Müssen wir das zahlen, oder muss das Land zahlen? Er ist in Vorleistung getreten und hat den Streit, der schon über 40 Jahre anhält, überwunden, indem er gesagt hat: Für meine Gemeinde ist das wichtig. Ich glaube, das trifft für viele Gemeinden zu, nennen wir beispielsweise Horstmar und Schöppingen.

Frau Tölle und damit Dortmund hätte vor dem Hintergrund des Strukturwandels und aufgrund der Finanzsituation jede Menge Klage führen können. Wenn ich sehe, dass dort in zehn Jahren 500 Millionen investiert worden sind, dann ist das vorbildlich.

Dann ist man kreativ mit Förderszenarien umgegangen, die über die Strukturmittel eingegeben worden sind; das hat auch Frau Beer angesprochen. Gibt es über Investitionsprogramme neue Möglichkeiten, um in Schule und Schulausstattung zu Verbesserungen zu kommen? Vor dem Hintergrund aufziehender Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen kann man allen Kommunalpolitikern nur ans Herz legen, sich die Schulgebäude anzusehen und dann entsprechende politische Prioritäten zu setzen.

Zum Inhalt: Herr Prof. Hasenclever, wir haben inzwischen den Titel Eigenverantwortliche Schule. Der Antrag ist zu einer Zeit gestellt worden, als die Fraktion Bünd nis 90/Die Grünen ein wenig die Sorge hatte, dass der Transfer von dem Modellversuch Selbstständige Schule in das Regelsystem nicht ordnungsgemäß verlaufen könnte. Als Mehrheitsfraktion haben wir uns auch ein bisschen in Deutschland insgesamt umgeschaut und waren der Meinung: In Niedersachsen haben sie es nicht ganz schlecht gemacht. Deshalb haben wir den Namen Eigenverantwortliche Schule übernommen. Das heißt im Prinzip mehr Selbstständigkeit für Schule, ohne dass wir jetzt ins Detail gehen müssen.

Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür, dass Sie die Qualität von Räumlichkeiten angesprochen haben. Das teile ich. Es gibt hier einen ersten Ansatz von Frau Sommer, beispielsweise Architektur und Schule gemeinsam zu betrachten, auch mit der Architektenkammer zusammenzuarbeiten. Das nimmt einen neuen Fokus ein, wobei es nicht nur um den Neubau von Schulen geht, sondern auch um den Umbau.

Sie haben die Fortbildung angesprochen. Ich halte das auch für den zentralen Aspekt. Wir geben ebenfalls Budgets an die einzelne Schule. Wie fließen diese eigenen Budgets in Niedersachsen ab? Wer wird mit der Fortbildung beauftragt? Wie ist das System? Da könnten wir gegebenenfalls noch etwas lernen. Wie sind die Budgets der Schulen ausgestattet? Wir haben hier ein doppeltes System, zum einen eigene Budgets der Schulen, zum anderen ein Moderatorensystem, bei dem im Prinzip Kapital gebunden ist. Ich wäre Ihnen für einige erhellende Äußerungen zur Situation in Niedersachsen sehr dankbar.

Frau Mühlenfeld, Sie sind von der selbstständigen Schule in das regionale Bildungsnetzwerk übergegangen. Gibt es bei Ihnen durch den Transfer konkrete Probleme?

Frau Stuchlik, Sie haben die regionale Bildungslandschaft in Freiburg angesprochen.

Hat es bei Ihnen das Phänomen der Kapitalisierung von Stellen gegeben? Wie sind Sie damit umgegangen?

Frau Tölle, Sie haben gesagt, dass die einzelne Schule mit den jeweils unterschiedlichen Bedingungen relevant ist. Wie sehen Ihre Steuerungen konkret aus? Gibt es durch den Transfer zur eigenverantwortlichen Schule auch neu auftretende Problemlagen?

Herrn Prof. Hansis kann ich nur zustimmen, wenn er sagt, dass alles, was unabhängig von Bürokratie macht und weitere Selbstständigkeit fordert, wichtig ist. Das teile ich uneingeschränkt; ich denke, das tun grundsätzlich aber auch die anderen Fraktionen.

An die kommunalen Spitzenverbände, insbesondere an Herrn Leßmann: Wir haben die 19 Bildungsnetzwerke mit den eigenverantwortlichen Schulen geschaffen; die Terminologie des Antrags ist durch die Gesetzgebung schon aktualisiert. Welche ersten Erfahrungen haben Sie insbesondere außerhalb der 19 ehemaligen Modellregionen? Wie weit geht die Idee der eigenverantwortlichen Schule über die Modellregionen hinaus? Ich bitte Sie, uns einen ersten Eindruck zu schildern.

Thomas Trampe-Brinkmann (SPD): Herr Dr. Christiansen, Sie haben sich in Ihren Ausführungen eben auf die äußeren Schulangelegenheiten fokussiert.