Pflegebedarfsplanung

Das wäre mal etwas Neues, aber wir hätten seitens des Verbandes hinterher einiges an Erklärungsbedarf. Daher machen wir das nicht.

Zur Pflegebedarfsplanung noch den Hinweis: Wir haben einen riesigen Investitionsstau vor uns hergeschoben, als wir noch die Pflegebedarfsplanung hatten; das darf man nicht vergessen. Und innerhalb von wenigen Jahren haben wir das fast umgekehrt.

(Beifall von der CDU ­ Norbert Killewald [SPD] zu Walter Kern [CDU]: Du hast an der falschen Stelle geklatscht! ­ Widerruf von Walter Kern [CDU]: Ich habe den letzten Satz beklatscht!)

Inzwischen gibt es durchaus Leerstände. In der Stadt Münster mit 280.000 Einwohnern stehen, wenn man es summiert, ungefähr anderthalb Einrichtungen ­ eine Einrichtung mit 80 Plätzen unterstellt ­ leer. Da sich noch einige Einrichtungen in der Planung oder im Bau befinden, wird es zu einem Konkurrenzkampf kommen, den ich nicht von vornherein für so schlecht halte. Das wird sich konzeptionell niederschlagen. Wir stellen auch fest, dass Anträge auf Pflegesatzerhöhung deutlich zurückhaltender gestellt werden als in der Vergangenheit. Das heißt, es hat auch auf Kostenstrukturen Einfluss.

Norbert Killewald (SPD): Aber Sie müssen als Kostenträger auch damit rechnen, dass Sie bei der Auslastung von 95 %, die bei der Pflegesatzverhandlung angenommen worden ist, wenn sie zukünftig nur noch 85 % oder 87 % beträgt, auf Dauer auch höhere Kosten umzulegen haben werden. Wie gehen Sie denn damit um?

Michael Willamowski (Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände NRW ­ Stadt Münster): Wir befürchten natürlich, dass die höhere Anzahl an Plätzen dazu führt, dass es Verschiebungen geben wird. Die Verhandlungen führen wir aber nicht selbst, sondern die Kommunen haben jeweils die Landschaftsverbände damit beauftragt. Das müssen wir innerhalb der kommunalen Familie noch einmal erörtern, wie wir damit umgehen. Theoretisch wäre ja denkbar, dass dieser zugrunde gelegte Belegungsfaktor immer weiter sinkt. Das wäre eine Geschichte, die wir nicht mitmachen können. Dann würden wir über die Pflegesätze Leerstände finanzieren. Da appelliere ich dann doch an die Betreiber insbesondere an die großen Einrichtungen ­ dafür ist die Behindertenhilfe durchaus ein gutes Beispiel ­ zu überlegen, dass eher die größeren Einrichtungen Plätze abbauen und sich stärker im ambulanten Bereich engagieren.

(Norbert Killewald [SPD]: Was ist mit der Pflegebedarfsplanung?)

­ Ich glaube, wir brauchen im Moment keine Pflegebedarfsplanung, wenn man in der Kommune vernetzt ­ also mit der Stadtplanung zusammen ­ arbeitet und darauf achtet, dass es keine baurechtlichen Möglichkeiten gibt, dass man in den Stadtteilen überlegt, was benötigt wird, insbesondere indem wir Investoren sagen, was es an alternativen Angeboten in der Stadt gibt und was vor Ort ist. Da sind Leerstände natürlich hilfreich, weil Sie damit jeden Investor abschrecken können. Durch die Verlängerung der Abschreibungsfristen wird es jetzt auch einen Break geben. Wir werden das jetzt noch abarbeiten, es wird also noch einiges an neuen Plätzen entstehen, aber danach wird sicherlich Ruhe sein.

Gertrud Löhken-Mehring (Freie Wohlfahrtspflege NRW ­ AWO): Ich teile Ihre Auffassung nicht, dass Einrichtungen keine Auslastungsprobleme haben. Die Freie Wohlfahrtspflege erhebt seit Jahren regelmäßig ­ jährlich ­ eine Statistik, und zwar auch zur Frage der Auslastung, der Pflegestufeverteilung usw. Die Auslastungen landesweit haben sich dramatisch nach unten hin entwickelt, weil sich ein totales Überangebot entwickelt hat. Wir haben in unserer Stellungnahme gesagt, dass sich ein ruinöser Markt entwickelt hat. Das heißt, in der jetzigen Situation, die völlig unreguliert ist, gibt es mehrere Verlierer: Es gibt die Verlierer auf der Seite der Träger, die gute Einrichtungen haben, die einen guten Quartiersbezug haben, die ein offenes Haus in einem Sozialwesen darstellen, und es gibt andere Verlierer, das sind die Sozialhilfeträger, die eigentlich überhaupt nicht mehr in der Lage sind zu steuern; sie sind dem Gebot der Daseinsvorsorge verpflichtet, aber im Grunde genommen sind sie in einer Situation des Reagierens, d. h. da wird investiert, da wird gemacht, und der Sozialhilfeträger muss dem folgen. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass das rechtlich so geboten ist, dass es keine rechtliche Möglichkeit gibt. Wir haben in unterschiedlichen Bereichen ein gutes Angebot. Wenn eine Kommune das feststellt, dann kann eine Kommune jedem weiteren Investor sagen: Wenn du investieren willst, dann musst du nicht damit rechnen, dass wir z. B. Investitionskosten über das Pflegewohngeld gewähren. Das muss es geben. Ich glaube nicht, dass der ganze Bereich so steuerungsfrei ist und die Kommune nur noch in die Situation ungeplanter Haushalte gerät. Das kann ich mir nicht vorstellen. Das bitte ich zu prüfen.

Ob man Analogien zum Bereich der Behindertenhilfe herstellen kann, müsste man überlegen. Dazu haben wir noch keine Überlegungen angestellt. Aber wir haben in unserer Stellungnahme gesagt, dass es auch im stationären Bereich einen Paradigmenwechsel geben muss. Es wäre schön, wenn es auch Hilfestellungen gäbe. Zum Beispiel sind wir nach dem Landespflegegesetz verpflichtet, bis zu einem bestimmten, vorgegebenen Zeitraum die räumliche Struktur, das Raumprogramm, und die Anzahl der Plätze anzupassen. Das heißt, die Träger mit gewachsenen Einrichtungen, die Einrichtungen mit oftmals mehr als 80 Plätzen vorhalten, sind in einer Situation, sich konzeptionell neu auszurichten.

Das ganz praktische Problem ist, dass, wenn man Doppelzimmer etc. abbaut, wir ganz schnell in die Situation kommen, dass wir eine viel zu hohe pro Platz haben. Da bitte ich das Land, das auch die Möglichkeit dazu hat, zu überlegen, ob man z. B. Mittel umwidmen kann, ob man Mittel übertragen kann, damit diese stationären Einrichtungen ­ da sind ja Räume, da ist ja in Stein investiert worden ­ Vernetzungsangebote auch unter ihrem Dach entwickeln und vorhalten können, dass sie Aufgaben der sozialen Integration, der Steuerung usw. wahrnehmen. Wir müssen nicht immer neu bauen, nicht immer neu organisieren, sondern wir müssen schauen, wie das, was vorhanden ist, einer neuen Nutzung im Sinne einer quartiersorientierten qualifizierten Arbeit zugeführt werden kann. Und da, denke ich, gilt es, einfach nur die besten Ideen zusammenzuschmeißen. Dann muss man sich an einen Tisch setzen und überlegen, wie ein Konzept der Zukunft aussehen könnte, das sowohl die Finanzierung, die Verantwortungsebenen als auch die Ausrichtung auf die neuen Konzepte betrifft. Soweit zu dem Bereich. Ich denke, da sind wir überhaupt nicht ohne Kreativität, aber da sind uns auch die Hände gemeinsam nicht gebunden.

Gustav Adolf Westphal (Architekt für Seniorenwohnanlagen): Vorhin wurde die Behauptung aufgestellt, dass Wohnungen wieder in verstärktem Maße umgebaut würden. Ich habe das vorhin schon einmal angeschnitten: Früher hat man in erster Linie so große Wohnungen mit einem entsprechenden Altenteil gehabt ­ insbesondere im ländlichen Raum ­, sodass die Großfamilie in der Lage war, diese Räumlichkeiten zu nutzen. Das haben wir heute nicht mehr. Insbesondere trifft das auf die Wohnungen zu, die nach dem Krieg gebaut worden sind; das ist ein riesengroßer Teil. Da war genau festgelegt, dass eine Wohnung für zwei Personen 60 m² oder für drei Personen 72 m² haben darf. Die ist nun einmal nicht zu erweitern, die ist so. Und mit diesen Dingen haben wir zu tun.

Ich möchte noch etwas sagen. Soweit mir bekannt ist, stehen öffentliche Mittel zur Errichtung von Wohngemeinschaften für betreutes Wohnen zur Verfügung. Ich habe es nicht geprüft, doch meine ich, dass nur solche Investoren diese Mittel in Anspruch nehmen können, wenn sie mindestens 20 % Eigenkapital beibringen. Ich denke, dass sogar nicht mal alle Mittel abgerufen werden. Könnte man nicht gerade bei diesen speziellen Wohnungen auf 20 % Eigenkapital verzichten, sodass es einen gewissen Anreiz gibt, das Geld, das sie dort reinstecken, wenigstens bezahlt zu bekommen? Investition muss nicht gleich heißen, dass die Investoren damit große Geschäfte machen wollen. Ich kenne mehrere private Leute, die das betreiben wollen und die auf diese Weise gehindert sind, das durchzuführen.

Es wird darüber gesprochen, dass Pflegehäuser mit 80 Betten weiterhin gebaut werden, was man eindämmen müsse. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich denke, dass das der freie Markt bieten muss. Wenn jemand ein Geschäft einrichtet, muss er, wie bei jedem anderen Geschäft, auch überlegen, ob er richtig investiert. Ich weiß, dass die Leute, die so etwas machen, schon heute Schwierigkeiten haben, diese Dinge zu finanzieren. Beispielsweise schrecken Banken bei solchen Spezialimmobilien zurück, diese Dinge zu finanzieren. Es ist auch so, dass, wenn eine Einrichtung gebaut wird, dabei eine andere möglicherweise in die Knie gehen wird. Im Kreis Paderborn, aus dem ich komme, kenne ich nicht nur eine, sondern mehrere Einrichtungen, die absolut nicht mit den Vorschriften des Landespflegegesetzes im Geringsten übereinstimmen; die existieren aber auch. Dazu kommt, dass ein Mann von seiner Einrichtung ­ er wohnt nicht in dem Haus, weil er da nichts tut, sondern auf Mallorca ­ lebt und nur abschöpft. Seine Einrichtung, ein dreigeschossiges Gebäude, hat einen Aufzug, der nur bis zum zweiten Geschoss fährt, also muss er diejenigen Leute, die nicht mehr Treppen laufen können, nach oben schaffen. Da gibt es Zimmer, die nur etwa 12 m² groß sind, während es auf der ganzen Etage nur ein Bad gibt.