Dr Claus Schäfer WSI in der HBS Zu den EinEuroJobs könnte man in der Tat viel sagen

Die BA vermittelt aber sehr viele Menschen in diese Bereiche; dort gibt es die größten Vermittlungszahlen. Das heißt, wir haben einen Drehtüreffekt: hinein in das atypische Beschäftigungsverhältnis, nach der Befristung wieder heraus, wieder zur BA und wieder hinein in das atypische. Es ist aber schon die Aufgabe der BA, zu schauen, wie man die Übergänge in Normalarbeitsverhältnisse oder andere Beschäftigungsverhältnisse hinbekommt.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Auch Herr Kleff verzichtet auf seine Wortmeldung.

­ Dann kommen wir zur Beantwortung. Herr Dr. Schäfer.

Dr. Claus Schäfer (WSI in der HBS): Zu den Ein-Euro-Jobs könnte man in der Tat viel sagen. Ich verweise nur auf ein Gutachten des Bundesrechnungshofs.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Der Bundesrechnungshof ist hier völlig unbeliebt.

(Heiterkeit) Dr. Claus Schäfer (WSI der HBS): Ich weiß, er guckt den Parlamentariern auf die Finger, aber in dem Fall auch der BA. Das Urteil des Bundesrechnungshofs gegenüber den Ein-Euro-Jobs ist verheerend. Deswegen ist es ein Kandidat, der gestrichen werden kann. Dasselbe gilt für die Minijobs aus den vielfach schon angesprochen Gründen: zulasten der Beschäftigten und auch zulasten des Fiskus.

Bei der Leiharbeit haben wir eine grundsätzlich positive Funktion, obwohl auch Leiharbeit aus unserer Sicht und nach unseren empirischen Untersuchungen ­ die gibt es durchaus ­ zur Substitution führt. Wir befragen regelmäßig repräsentativ Betriebsräte in Deutschland unter anderem zum Einsatz von Leiharbeit. Bei der letzten Befragung konnten wir feststellen, dass drei Funktionen eine Rolle spielen: Es gibt die Spitzenfunktion zum Ausgleich von besonders hohen Auftragsbeständen, die in kurzer Zeit abgearbeitet werden müssen; das ist die klassische Funktion von Leiharbeit.

Es gibt eine Brückenfunktion im Sinne einer verlängerten Probezeit; das ist auch okay. Dann gibt es aber in der Tat auch eine Substitutionsfunktion. Wenn man allerdings den Grundsatz Equal Pay, also gleiche Bezahlung, bei Leiharbeit durchsetzt, dann wird die Substitutionsfunktion allein aus Kostengründen uninteressant. Insofern können wir mit der Leiharbeit ohne Weiteres leben. Die sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit ist ohnehin ein notwendiges Konstitutiv des deutschen Arbeitsmarktes.

Zu vielen anderen Aspekten wäre auch noch sehr viel zu sagen; die Zeit ist dafür aber immer kurz. Ich will mich auf einen Hinweis beschränken, den Herr Prof. Eekhoff zu Frankreich gebracht hat. Dort gibt es in der Tat eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, die aber eben nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn zurückgeht. Die meisten Jugendlichen in Frankreich haben gar keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Das hat mit vielen anderen Faktoren zu tun.

Dr. Claudia Weinkopf (IAQ der Universität Duisburg-Essen): Die Frage, wie man Übergänge aus atypischer Beschäftigung fördern könnte, ist schwierig zu beantwor ten und hat auch wieder etwas mit Regulierungen zu tun. Dass so wenige Minijobber in andere Beschäftigung kommen, hängt mit der Schwelle zusammen. Arbeitgeber haben einen Anreiz, mit Arbeitsverhältnissen unterhalb dieser Schwelle zu bleiben.

Die Beschäftigten meinen manchmal auch, dass es für sie besser ist, wenn sie steuer- und sozialabgabenfrei verdienen. Wenn man die Schwelle in dem Sinne nicht hätte, dann würden Stunden hochgefahren, ohne dass es eine Begrenzung gäbe. Von daher sind die Aufhebung dieser Schwelle und die gleiche Behandlung jeder Arbeitsstunde, egal ob 15 oder 30 in der Woche geleistet werden, ein wichtiger Punkt.

Bei der Leiharbeit haben wir ein paar Beispiele. Auf Frankreich ist schon verwiesen worden. Dort gibt es einen Qualifizierungsfonds zusätzlich zu den anderen Regelungen, die Frau Tietjen schon angesprochen hat, aus dem, wenn Beschäftigungsverhältnisse enden, eine Qualifizierung für diese Gruppe finanziert wird. In Nordrhein Westfalen hat sich die START Zeitarbeit NRW seit Jahren auf die Fahne geschrieben, Leiharbeit mit Qualifizierung zu verknüpfen.

Auch hier muss man allerdings sagen: Früher hatten Betriebe einen Anreiz, wenn sie nach einer gewissen Zeit Leute halten wollten, die sie in Leiharbeit kennengelernt hatten, sie zu übernehmen. Ansonsten konnten sie sie nicht weiter beschäftigen, weil es eine zeitliche Befristung der Einsätze gab. Das ist mit der letzten Reform aufgehoben worden. Auch hier wäre die Frage, ob man das nicht wieder einführen sollte.

Man könnte eine gewisse Erprobungszeit erlauben, dann aber den Betrieb vor die Frage stellen, ob er den- oder diejenige behalten oder wiederum eine andere Leiharbeitskraft im Betrieb haben möchte. Auf der Seite der Regulierung könnte man durchaus stärkere Anreize setzen, das nicht auf Dauer auf einer solchen Zeitarbeitsbasis abzuwickeln.

Prof. Dr. Johann Eekhoff (Universität Köln): Mein erster Kommentar betrifft die Ein-Euro-Jobs ­ ob man sie mit 1 vergütet oder wie auch immer. Ich behaupte, man braucht sie dringend. Wir haben in Dresden zusammen mit dem Land Sachsen ein Experiment durchgeführt und Leuten eine Beschäftigung ohne Bezahlung angeboten. Uns wurde gesagt, dass niemand kommen würde. Ich kann nur sagen: Man erfährt erst dann, welche Not diese Menschen haben, dass sie nicht zu Hause herumhängen, sondern etwas tun wollen. Wir hatten 4.000 Leute in unserem Programm. Die Not ist sehr groß. Man sollte ihnen auf jeden Fall die Beschäftigungsmöglichkeit geben. Wie man es weiterführt, lasse ich einmal offen.

Zweitens geht es um das, was Frau Steffens gerade sagte. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, wenn man sich den Gesundheitssektor, den Pflegebereich anschaut.

Hier sieht man, in welche Konflikte man kommt, die man an anderer Stelle nicht so unmittelbar bemerkt. Jede Erhöhung der Löhne in diesem Bereich bedeutet eine Erhöhung der Pflegekosten und damit der Beitragssätze. Damit haben wir das Problem direkt wieder bei den Arbeitnehmern auf dem Tisch, die es finanzieren müssen. Das ist der Zusammenhang, der immer im Hintergrund steht.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Andere sourcen doch auch out! Das sind nicht nur die!)

­ Das hat mit Outsourcen erst einmal ganz wenig zu tun. Sie haben immer wieder die Forderung nach 7,50 Mindestlohn gestellt. In diesen Bereichen sieht man am ehesten, welche Auswirkungen das für die Menschen hätte, die diese Leistungen bezahlen sollen. Das muss man mit im Auge haben. Das bezahlt nicht irgendjemand, der vom Himmel fällt.

Drittens wurde die Kongruenz mit den Leiharbeitnehmern angesprochen. Ich halte es für den falschen Weg, die derzeitige gesetzliche Regelung aufzugeben. Die Arbeitgeber, die das machen, machen nichts anderes als die Organisation. Wenn man sie dazu zwingt, die Menschen weiterzubeschäftigen, wenn sie nicht mehr verliehen werden können, dann steht die Absicht dahinter, das kaputt zu machen. Das halte ich für den falschen Weg. Wir sollten dafür sorgen, dass diese Menschen arbeiten können.

Dr. Frank Bauer (BA und IAB): Erstens. Es gibt eine Untersuchung des IAB, die zeigt, dass die Ein-Euro-Jobs mit Blick auf die Integration von Betroffenen nicht effektiv sind. Bei unter 25-Jährigen funktioniert das nicht. Es funktioniert bei westdeutschen Frauen, die besonders schlechte Integrationschancen haben. Insgesamt ­ bei einzelnen Gruppen schon ­ können in dem bislang kurzen Untersuchungszeitraum keine eindeutigen Eingliederungseffekte gemessen werden. Insgesamt kann auch nicht von einem starken Einfluss auf den Rückgang der Bedürftigkeit gesprochen werden.

Zweitens. Auch im IAB gibt es eine Diskussion über die Minijobs. Ich hatte bereits gesagt, dass es keine signifikanten Unterschiede zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gibt. Also könnte man sie als eine Fehlsubventionierung betrachten.

Zur Equal Treatment-Regel in der Zeitarbeit: Wir wissen ­ auch aus Untersuchungen, die genau die richtigen Gruppen verglichen haben ­, dass der Lohnabstand von Leuten in Zeitarbeit, nur weil sie dort beschäftigt sind, 15 bis 18 Prozentpunkte gegenüber vergleichbaren Beschäftigten beträgt. Dieser Abstand ist in allen anderen europäischen Ländern nicht so hoch. Das liegt daran, dass die Equal durch die 90-prozentige Tarifbindung umgangen wird. Es gibt keine Branche, die so stark tarifiert ist wie die Zeitarbeit. Dort ist der Niedriglohn möglicherweise ein Resultat der Tarifbindung.

Jetzt schlüpfe ich in die Rolle der BA: Meiner Ansicht nach trifft die Vermutung, dass die Integration in atypische Beschäftigung einen reinen Drehtüreffekt hat, nicht zu.

Ich hatte gesagt, dass dann die Wahrscheinlichkeit, nicht arbeitslos zu sein, sehr viel höher ist, als wenn man gar nicht in Zeitarbeit gegangen wäre. Nur der Verbleib in der prekären Beschäftigung dauert länger. Insofern würde ich es als IAB-Mitarbeiter für eine eigenartige Forderung an die BA halten, Leute aus Arbeitslosigkeit nicht in Zeitarbeit zu vermitteln, weil sie dann dauerhaft in Zeitarbeit sind. Die Alternative wäre nämlich, sie gar nicht zu vermitteln.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Man kann gleichzeitig Übergangsmodelle schaffen!)

­ Nach meiner Wahrnehmung war die Forderung nach Übergangsmodellen in allen Punkten, die wir heute besprochen haben, dominant. Ich würde es nicht für richtig halten, das als Aufgabe der BA zu bezeichnen. Es ist definitiv nicht nur eine Aufgabe der BA. Maria Tschaut (ver.di): Zu den Zumutbarkeitsregelungen haben wir eine eindeutige Position. Es ist klar, dass man durch die Form, wie sie durch die Arbeitsmarktgesetzgebung eingeführt wurde, Menschen in Jobs gezwungen hat, die so nicht zumutbar sind. Von daher muss das zurückgenommen werden.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Meine Damen und Herren, wir hätten noch weiterdiskutieren können, aber die Zeit ermöglicht es nicht. Man muss sich immer beschränken. Herzlichen Dank für die Teilnahme. Die Sitzung ist geschlossen.