Mädchenarrestanstalt

Das Jugendgerichtsgesetz gibt vor, dass der Vollzug des Jugendarrestes zum Ziel haben soll, das Ehrgefühl des Jugendlichen zu wecken und ihm eindringlich zu Bewusstsein zu bringen, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Es stellt sozusagen eine Plattform dar als Hilfe zur Selbsthilfe.

Jugendarrest wird immer erst dann verhängt, wenn mildere Maßnahmen nicht ausreichen, um bei den Jugendlichen auf einen straffreien und rechtschaffenen Lebenswandel hinzuwirken. Die Jugendrichter wägen bei ihrer Entscheidung sehr sorgfältig ab, ob ein junger Mensch den Jugendarrest als eine erzieherische Maßnahme benötigt. Bevor jugendliche Straftäter einen Arrest erhalten, haben sie in der Regel eine Vielzahl von Straftaten begangen. Wenn alle Maßnahmen der Jugendhilfe und der Diversion nicht ausgereicht haben, kommt sozusagen als Ultima Ratio nur der Arrest in Betracht mit einer Einwirkung, wie sie so vielleicht in ambulanter Form nicht möglich wäre.

Die Erfahrung zeigt allerdings auch, dass in vielen Fällen allein schon die Androhung des Jugendarrestes durch den Jugendrichter hilfreich ist, um straffällige Jugendliche für erzieherische Maßnahmen empfänglich zu machen. Gleichwohl benötigen manche Jugendliche aber auch erst einen Jugendarrest, um sich auf erzieherische Maßnahmen einzulassen. Wenn sie dann im Arrest zur Ruhe kommen und nicht mehr der Vielzahl der täglichen Ablenkungen ausgesetzt sind wie Fernsehkonsum, Musikkonsum, aber auch Alkohol- und Drogenkonsum, dann werden sie für Hilfsangebote empfänglich.

In den Jugendarrestanstalten des Landes ­ das gilt ganz besonders für die Mädchenarrestanstalt in Wetter ­ werden erzieherische Kernangebote vorgehalten, die durch den Sozialdienst koordiniert werden. Dabei geht es insbesondere um Hilfen in Bezug auf schulische und berufliche Defizite, sinnvolle Freizeitgestaltung und Sport, aber auch soziales Training und vielfach auch ein sinnvoller Arbeitseinsatz, der insbesondere auch außerhalb der Arrestanstalt erfolgen kann.

Mit der Betreuung der Arrestantin oder des Arrestanten ist Fachpersonal befasst. In allen nordrhein-westfälischen Jugendarrestanstalten ist eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Sozialdienstes tätig. Die neben mir sitzende Frau Coerdt ist als Sozialarbeiterin in der JVA Wetter ausschließlich tätig. Sie haben sie sicherlich auch in dem Filmbeitrag des WDR gesehen. Sie unterstützt die Tätigkeit des Vollzugsleiters, des Herrn Steuber, und die Beamtinnen des allgemeinen Vollzugsdienstes, die als Betreuerinnen tagtäglich hautnah mit den jungen Mädchen zu tun haben und auch als ständige Ansprechpartner rund um die Uhr für sie da sind. Deshalb bietet Wetter einen ganzen Strauß von Maßnahmen an, um die teilweise auch widerspenstigen Arrestantinnen wieder für erzieherische Maßnahmen empfänglich zu machen. Lassen Sie mich Abschluss auf eines hinweisen: Bei allen Angeboten, die in der Arrestanstalt gemacht werden, darf man nicht unberücksichtigt lassen, dass Jugendarrestvollzug von hoher Fluktuation und natürlich von einer kurzen Verweildauer dieser uns anvertrauten jungen Menschen gekennzeichnet ist, was natürlich auch nur eingeschränkte Interventionsmöglichkeiten zulässt.

Gerda Kieninger (SPD) bedankt sich für den Bericht. Es blieben einige Fragen offen. In dem Bericht sei von maximal vier Wochen Arrest die Rede. In dem Beitrag habe Frau Coerdt gesagt, dass es auch um sechs Wochen gehe. Sie frage, ob der Arrest nun bis zu vier Wochen oder bis zu sechs Wochen dauere, ob es da Unterschiede gebe. Des Weiteren möchte die Rednerin wissen, ob die Aussagen, die in dem Film gemacht würden, richtig seien. Angeblich habe sich die Anzahl der Mädchen in den letzten Jahren praktisch verdoppelt. 40 % der Mädchen säßen nicht das erste Mal in einem Arrest. Wenn die Mädchen wiederholt in Arrest kämen, müsse man doch andere Maßnahmen ergreifen.

Sie bezweifele, dass es richtig und sinnvoll sei, eine Mutter von ihrem Kind zu trennen. Acht Wochen nach der Entbindung würden Mutter und Kind getrennt, damit die Mutter den Arrest getrennt vom Kind absitzen könne. Es wäre doch sinnvoller, wenn das Kind schon in ein Mutter-Kind-Heim komme, die Mutter auch in dieses zu schicken. Die Mutter müsse entsprechend lernen, mit ihrem Kind umzugehen. Das sei in dem Film gezeigt worden und habe sie sehr stutzig gemacht.

Das betreffe auch eine stillende Mutter. Sie frage, ob eine stillende Mutter auch den Arrest absitzen müsse, auch wenn das Stillen dadurch unterbrochen werde. In dem Film habe man den Eindruck gewonnen, dass vor dem Arrest überhaupt keine Maßnahme eingeleitet worden sei, um den Eltern wie auch den Mädchen Hilfestellungen zu geben. Ein beachtlicher Anteil der Mädchen solle gleichzeitig schwanger sein oder bereits Mutter geworden sein. Des Weiteren erkundige sie sich, bis zu welchem Alter die Jugendlichen in Arrest genommen würden.

Monika Düker (GRÜNE) bedankt sich für den Bericht. Auf der einen Seite gehe es um die konkrete Situation im Arrest selber in Wetter. Auf der anderen Seite müsse dieses sogenannte Zuchtmittel ­ so heiße es im JWG ­ Arrest betrachtet werden, der auf diese spezifische Gruppe Mädchen ausgerichtet sei. Eine Statistik von September liege ihr vor. Danach gebe es eine durchschnittliche Überbelegung mit den Spitzenzeiten von 38 Arrestantinnen, obwohl der Arrest eine Belegungsfähigkeit von 22 habe. Wenn diese Statistik stimme, sei das eine erhebliche Überbelegung, wobei die Arbeit nicht mehr in ausreichendem Maße geleistet werden könne. Auch im Jahresdurchschnitt sei man deutlich überbelegt. Sie bitte um Auskunft über die Belegungszahlen.

Nun solle angeblich für jede Arrestanstalt eine Sozialarbeiterin, ein Sozialarbeiter zur Verfügung stehen. Sie frage, wie das Verhältnis Sozialarbeiter zu Jugendlichen im Jugendarrest aussehe. Nach dem neuen Jugendstrafvollzugsgesetz und nach Siegburg habe es auch diese Debatte um die Schlüssel gegeben. Die Ministerin Nordrhein-Westfalen - 6 - APr 14/793 be gesagt, im Jugendstrafvollzug solle das Ziel 1:40 sein, ein Sozialarbeiter auf 40 jugendliche Inhaftierte. Sie frage, wie im Arrest der derzeitige Schlüssel von jugendlichen Arrestantinnen zu sozialarbeiterischer Betreuung aussehe.

Des Weiteren möchte sie wissen, was mit den jungen Straftäterinnen passiere und welche Maßnahmen griffen. Von der Zielgruppe wisse man inzwischen eine ganze Menge. Aus Langzeitstudien, kriminologischen Forschungen wisse man, dass man eine größere Anzahl von Mädchen habe als früher, die straffällig würden. Das sei in der Statistik noch nicht so sichtbar, aber im Dunkelfeld steige das an. Die Kriminologen sagten das. Man habe sich in der Kriminalitätsbekämpfung auf eine solche Zielgruppe einzurichten. Sie frage, was vorher mit den Mädchen passiere und ob das Jugendgerichtsgesetz seinen Ansprüchen gerecht werde. Bevor Zuchtmittel angewendet würden, sollten Erziehungsmaßregeln greifen, die sehr viel stärker den Erziehungsgedanken trügen. Da gebe es eine ganze Latte. Der Vorwurf stehe im Raum, dass das Ganze nicht mit Strukturen unterfüttert sei, sodass es angewendet werden könne.

Die Mädchen ­ so der WDR-Bericht ­ kämen aus schwierigen familiären Verhältnissen, in den Familien habe das Thema Drogen eine Rolle gespielt. Eine berichtete, dass die Mutter Alkoholikerin sei. Die Jugendlichen seien selber Opfer gewesen. Sie seien aus einer Opferrolle in die Täterinnenrolle gekommen. Diese Mädchen einfach einzusperren und zu hoffen, dass sie zur Besinnung kämen, halte sie für sehr fragwürdig. Sie glaube nicht, dass das die richtige Antwort auf diese Zielgruppe sei. Sie frage, was vorher passiert sei. Nach dem Jugendgerichtsgesetz könne man auch Betreuungshelfer einsetzen, Betreuung anordnen, was offenbar nie passiert sei. Das gehe aus dem Bericht nicht hervor. Man sollte mit den Jugendlichen über einen längeren Zeitraum hinweg versuchen, dass sie ihre Situation wieder in den Griff bekämen. Richter könnten auch Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII anordnen. Im Vorfeld müssten ganz andere Strukturen greifen. Das Vorfeld vor dem Jugendgerichtsgesetz befinde sich in der originären Zuständigkeit der Jugendhilfe. Man hätte sich im Vorfeld um diese Mädchen viel mehr kümmern müssen, und man hätte andere Maßnahmen ergreifen müssen. Sie glaube nicht, dass der Arrest wirkliche Wirkung entfalten könne. Sie frage nach den Strukturen. Das Ministerium müsse beantworten, warum man da nicht früher Maßnahmen ergreife.

Maria Westerhorstmann (CDU) bedankt sich für den umfangreichen Bericht. Wenn sie sich den Bericht und den Filmbeitrag anschaue, dann habe sie den Eindruck, dass das zwei unterschiedliche Dinge seien. Der Filmbeitrag sei sehr einseitig. Es sei zu fragen, wie viel tatsächlich aus der Wirklichkeit des Arrestes und insbesondere aus der Arbeit derjenigen, die im Arrest tätig seien, vermittelt werde.

Der Bericht zeige, dass eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen werde. Es würden die Möglichkeiten aufgezeigt, die bestünden, um Mädchen zu resozialisieren. Sie frage, ob die Zeiten, die zur Verfügung stünden, ausreichten, um auch nur annähernd Erfolge bei den jungen Frauen zu erzielen. Es sei im Interesse aller, dass man die jungen Frauen wieder auf den richtigen Weg bringe. Sie bedanke sich für die Arbeit, die für diese jungen Mädchen geleistet werde.