Man müsse sich die Familien anschauen in denen die Ursachen zu suchen

Die Ursachen insgesamt lägen etwas tiefer.

Man müsse sich die Familien anschauen, in denen die Ursachen zu suchen seien.

Natürlich seien auf der einen Seite diese jungen Frauen Opfer. Sie würden zu Tätern. Insgesamt habe man ein gesellschaftliches Problem zu beheben.

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP) legt dar, auf der einen Seite Prävention zu betreiben, sei natürlich wichtig. Auf der anderen Seite sei es so, dass diese Mädchen schon vielfach Angebote bzw. auch Warnungen im Vorfeld bekommen hätten, indem sie Sozialdienst etwa ableisten sollten, wobei sie sich strikt geweigert hätten, sodass dieser Mädchenarrest nicht am Anfang der Kette stehe, sondern ganz am Ende, wo man versuche, das zu retten, was zu retten sei. Wenn erst einmal diese Stufe der Gewalttätigkeit erreicht sei, komme man auch nicht dadurch weiter, indem man sage, jetzt fange man ein paar nette Erziehungsmaßnahmen an. Das müsse schon dezidierter erfolgen.

Prävention gehöre ins Vorfeld. Wenn junge Menschen, aufgrund welcher Ursachen auch immer, unbelehrbar seien ­ in den Familien sei sehr viel falsch gelaufen, die Mädchen trügen selber keine Schuld, dass sie eine solche Entwicklung genommen hätten -, müsse man mit aller Kraft versuchen, wieder einen anderen Weg aufzuzeigen. Die Aussage von Frau Düker habe sich so angehört, als wenn man die Mädchen, die gewaltauffällig geworden seien, einfach in den Arrest packe. So sei es ja nicht. Alle anderen Maßnahmen im Vorfeld hätten ­ das stehe auch so in dem Bericht ­ versagt.

MR Karl Eberhard Löhmer (JM) gibt an, maximal betrage die Sanktion des Dauerarrestes vier Wochen. Eine Addition von mehreren verhängten Arresten sei auch möglich, sodass dann eine Zeit herauskomme, die deutlich über den vier Wochen liege.

Frau Düker habe sich nach der Belegungssituation erkundigt. In der JAA Wetter gebe es 22 Plätze. Die Durchschnittsbelegung liege leicht über diesen 22 Plätzen mit 23, 24. Es gebe auch Zeitpunkte, zu denen man weit über 30 Arrestantinnen in Wetter unterbringen müsse, was dann in Form der Gemeinschaftsunterbringung geschehe. Die Arrestantinnen seien gerne in Gemeinschaft untergebracht ­ das sagten die Praktiker ­, sie wären ungern allein in einem Arrestraum. Gleichwohl sei das ein Zustand, der nicht auf Dauer hingenommen werden könne. Es bestünden konkrete Planungen, die Arrestplätze in Wetter zu erweitern. Es habe schon konkrete Baubesprechungen gegeben, um die Belegungssituation zu entzerren. Es solle auf 32 bis 34 Plätze aufgestockt werden, um diese Notgemeinschaften, die teilweise gebildet werden müssten, zu entzerren, um die Belegungssituation zu optimieren.

Zu den Sozialarbeitern: Es gebe 254 Plätze in den Jugendarrestanstalten des Landes mit fünf Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Der Schlüssel betrage etwa 1:50. Ulrich Steuber (Richter am Amtsgericht) kommt auf den WDR-Beitrag zu sprechen. Der WDR habe weit über sechs Stunden Filmmaterial erstellt, unter anderem in den Gruppenveranstaltungen. Der WDR habe Prof. Boers, einen Kriminologen aus Münster, sehr lange interviewt. Davon finde man in dem Filmbeitrag nichts. Er habe damals mit der zuständigen Redakteurin Rücksprache gehalten. Sie habe gesagt, darum sei es ihr nicht gegangen. Es wäre rein ein Filmbeitrag über die Mädchen, ein Folgebeitrag über die Fröbel-Schule, in der Hartz IV als Unterrichtsfall gelehrt werde.

Von dem Film könne man keine objektive Darstellung des Arrestes erwarten.

Er sei seit 1988 Leiter der Vollzugsanstalt. Im Jahre 1991 habe es 412 Vollstreckungsersuchen gegeben, etwa 280 Arreste seien vollstreckt worden. Die Verdoppelung sei im Jahre 1999 erfolgt. Man sei auf 814 Vollstreckungsersuchen gekommen.

700 Arreste seien vollstreckt worden. Im Jahre 2007 habe man den vorläufigen Gipfel mit 1.452 Eingängen und knapp 1.100 Vollstreckungen erreicht. Die Qualität der Klientel habe sich massiv verändert. In den 80er-Jahren habe man davon ausgehen können, dass die jungen Mädchen, die in die Arrestanstalt gekommen seien, den dritten oder vierten Ladendiebstahl begangen hätten oder das 20. Mal schwarzgefahren seien. Mittlerweile habe sich das Blatt gewendet. Man habe sehr viel Gewalttaten, Körperverletzungsdelikte. Statt Diebstahl habe man den Raub oder die räuberische Erpressung, etwa der Handtaschenraub in der Essener Innenstadt.

Was die Belegung angehe, so würden die jungen Mädchen gefragt, ob sie einzeln untergebracht werden wollten, zu zweit oder auch zu dritt. Die Antwort sei immer, auf keinen Fall alleine. Das werde besprochen. Das klappe auch. Wenn sich die Mädchen zusammenfänden, so sagten sie auch, dass sie über das Wochenende gerne zu dritt oder zu viert sein wollten. Ein Haftraum gestatte das. Die Mädchen nähmen dann jeweils Spiele oder Bücher mit, wobei man sagen müsse, dass die Bücherei hochgradig frequentiert werde. Wenn er mit den Mädchen rede, sagten sie, sie hätten noch nie im Leben ein Buch gelesen. In der Arrestanstalt würden sie oft in einer Woche vier oder fünf Bücher lesen. Wenn ein Mädchen alleine gelegt werden wolle, werde dem auch gefolgt. Das werde aber normalerweise nicht gewünscht. Nach dem Umbau werde sich die Situation auch entschärfen.

Was die Frage der Trennung von Mutter und Kind angehe, so sei dies gesetzlich geregelt. Es gebe die Mutterschutzzeit, die gelte auch für die jungen Frauen. Eine Mutter-Kind-Einrichtung sei für den Arrest nicht vorgesehen. Ob man als Gericht darauf Rücksicht nehmen könne, sei die nächste Frage. Oft sei die Schwangerschaft nicht bekannt, teilweise auch den Mädchen nicht. Sie komme dann für viele überraschend.

Auf das Stillen werde selbstverständlich Rücksicht genommen. Es werde eine Stillbescheinigung angefordert, was teilweise dazu führe, dass eine Vollstreckungsverjährung eintrete. Man versuche, das zu vermeiden. In der Regel sei das Vorhandensein oder Stillen der Kinder kein Grund, den Arrest nicht anzutreten. Die Frage, die den Richter betreffe, sei, ob man davon absehen wolle. Dann falle ein erheblicher Teil der jungen Damen aus der Strafbarkeit. Das setze sich auch im Bereich der Erwachsenen fort. Als Strafrichter stehe man vor dem Problem, was man mit jemandem mache, der drei Kinder habe, der aber trotzdem die Straftaten begehe. Es sei zu fragen, was man mit einer jungen Frau mit Kind mache, die in der Essener Innenstadt eine ältere Dame beraubt habe, ihr die Handtasche wegreiße - die Frau stürze zu Boden und komme zu Tode. Wie man darauf reagiere, sei letztlich eine Entscheidung des Gerichts, nicht des Justizvollzuges.

Die Frage, ob Maßnahmen ergriffen worden seien, bevor die jungen Mädchen in den Arrest kämen, könne man bejahen. Das gehe über die Jugendhilfemaßnahmen, die in vielen Fällen die Zustimmung der Eltern voraussetzten, diese aber nicht bekämen, weil es die Leute nicht interessiere, hinaus. Das könne angeordnet werden. Er vertrete ein Familienrechtsdezernat. Man hole Gutachten ein, noch ein Gutachten und kämpfe hinterher mit vielen Anwälten, dem Anwalt der Mutter, dem Kindes-Anwalt, Kindes-Vater, vielleicht noch dem Ehemann. Das sei ja oft nicht deckungsgleich. Da sei sicher viel passiert. In der Regel komme man auch nicht direkt in einen Jugendarrest, dann müsse es schon sehr heftig gekommen sein. Es beginne mit Ermahnungen. Wenn das Diversionsverfahren nicht geklappt habe, komme es zu jugendrichterlichen Ermahnungen. Es kämen die Sozialstunden. Der Anteil der Jugendlichen, die in den Arrest kämen, weil sie die Auflagen ­ Sozialstunden, soziale Trainingskurse, Anti-Gewalt-Kurse ­ nicht erfüllt hätten, betrage mehr als 50 %.

Die Jugendrichter schrieben in der Regel die Jugendlichen an, lüden sie zu einem Anhörungstermin ein. Man könne davon ausgehen, dass in ungefähr 50 bis 80 % der Fälle die Jugendlichen zum Anhörungstermin nicht kämen. Die Eltern kämen schon gar nicht. Das interessiere sie überhaupt nicht. Sie würden auch immer mit eingeladen. Der Arrest sei im Grunde der letzte Notnagel vor der Jugendstrafe.

Er sei auch Jugendrichter. Man habe jemanden da sitzen, von dem man sage, im Grunde sei das ein Fall für die Jugendstrafe. Sechs Monate würden zur Bewährung ausgesetzt. Dann gehe der Jugendliche heraus und sage, er wäre freigesprochen worden. Man habe es häufig mit Mehrfachtätern oder Tätergruppen zu tun. Ein Täter habe aufgrund seiner Vorbelastungen eine Jugendstrafe bekommen. Sie werde zur Bewährung ausgesetzt. Derjenige, der sich weniger erlaubt habe, bekomme drei Wochen Jugendarrest. Er sage, das könne doch nicht sein. Man gebe ihm Jugendarrest, er müsse in das Gefängnis. Der Haupttäter gehe frei heraus. Es funktioniere nicht. Derjenige, der den Jugendarrest bekommen habe, fühle sich ungerecht behandelt.

Wenn der Jugendarrest sechs Wochen betrage, so handele es sich um zwei Arreste, die nacheinander vollstreckt worden seien. Das sei möglich. Aus jugendrichterlicher Sicht schrecke man häufiger davor zurück, jemanden zu sechs Monaten Haft zu verurteilen. Sechs Monate betrage die Jugendstrafe als Mindeststrafe, um den Jugendlichen in eine Jugendstrafanstalt zu schicken. Daher verhänge man auch Mehrfacharreste. Dann könne es passieren, dass ein Beugearrest, der verhängt werde, wenn die gerichtlichen Auflagen oder Weisungen nicht erfüllt würden, zusammentreffe mit einem später angeordneten Dauerarrest. So erkläre sich das. ­ Wie oft kommt das vor?, fragt Gerda Kieninger (SPD).

Die gesetzliche Regelung sehe da kein Hemmnis vor, antwortet Ulrich Steuber. Die Jugendrichter arbeiteten im Prinzip mit derselben Klientel und würden nicht das dritte oder vierte Mal Jugendarrest verhängen. Das komme in der Regel nicht vor. Aber dass junge Mädchen zwei- oder dreimal in der Jugendarrestanstalt seien,