Aufbau eines Netzwerkes eines Wohnungslosenhilfesystems

Aufbau eines Netzwerkes eines Wohnungslosenhilfesystems und die Verknüpfung. Ich bin ein optimistischer Mensch; die meisten unter uns waren optimistisch. Trotzdem waren wir uns lange nicht sicher, ob das möglich sein würde. Aber wir werden am 13. März unser Netzwerk mit allen Rahmenbedingungen ­ wir haben uns auf Leitlinien, Praxisregeln und Kooperationsverfahren geeinigt ­ unterzeichnen, und zwar in einem Verbund von fünf Wohnungsbaugesellschaften, die zu finanziellen Beiträgen bereit sind. Gleichzeitig werden wir über eine Beratungsstelle verfügen, die ab diesem Zeitpunkt durch den LWL gefördert wird. Das werden wir als wahrscheinlich bundesweit einmaliges Modell starten.

Für dieses zweite Projekt ist ein Verlängerungsantrag gestellt worden, um die wissenschaftliche Begleitung und unsere Begleitung in diesem hochvernetzten Tun wenigstens für ein weiteres Jahr zu fördern. Das ist wegen der finanziellen Situation bis zum Jahresende befristet worden. Inhaltlich wurde es allerdings befürwortet.

Wir denken, dass es uns vielleicht möglich sein wird, ein für unseren Kreis, für unseren ländlichen Raum zugeschnittenes System zu entwickeln. Wir hoffen, Ihnen im Rahmen dieses Programms darüber auch weiter berichten zu können. Ich glaube, es wird sich für viele Kommunen lohnen, neue Dinge auszuprobieren. Die Welt wird sich ändern. Wohnen bleibt ein komplexes Thema ­ und die Bearbeitung dessen auf jeden Fall. Ich habe einmal gehört, dass man 50 Impulse braucht, um etwas wirklich zu ändern. Aber selbst wenn es nur 30 sind ­ dieses Programm ist ein ganz wichtiger.

Ich glaube, dieser Impuls hat schon viel bewirkt ­ zumindest bei uns ­, und meine, dass solch ein Baustein wie dieses Innovationsprojekt angesichts der sich verändernden Wohnungswelt eines Landes würdig ist.

Ralf Köpke (Wohnungsnothilfe Moers): Schönen guten Tag und herzlichen Dank für die Einladung! Ich versuche, anhand von vier Thesen darzustellen, was wir sagen wollen.

Ich komme von Pro Arbeit Niederrhein. Dummerweise sind wir als Organisation schon das zweite Mal hier. Letztes Jahr waren wir mit unseren drei Arbeitslosenzentren hier, die leider auch nicht mehr finanziert worden sind. Es geht aber auch anders:

Bei uns ­ ich komme aus der Stadt Moers, wir gehören zum Kreis Wesel ­ sind die Arbeitslosenzentren auch mithilfe der CDU und der FDP im Kreistag ­ herzlichen Dank dafür! ­ gerettet worden.

Wohnungsnothilfe machen wir seit 2005 mit einem Projekt, das sich aus dem Aufgabenfeld, dem wir uns seit 1990 stellen, ergeben hat. Ich meine die Arbeit mit arbeitslosen Menschen, mit arbeitslosen Bürgern. Wir haben 1990 mit Pro Arbeit angefangen. Es gibt in Nordrhein-Westfalen Namensidentitäten in vielen Bereichen, aber wir sind schon relativ alt. Aus dieser Arbeit haben sich ­ natürlich auch durch die Sozialgesetzgebung unter dem Stichwort Hartz ­ Wohnungsproblematiken ergeben, die von der Arge nicht aufgefangen werden können. Daher haben wir gesagt: Wir brauchen für unsere Klientel ­ 95 % der Teilnehmer an unserem Wohnungsprojekt sind Kunden der Arge ­ ein Projekt.

Wir sind an die Arge, die Kommunen und den Kreis herangetreten und haben letztendlich diese Finanzierung über das Land bekommen, wofür wir sehr dankbar sind.

Seit 2005 probieren wir modellhaft etwas aus und sind sehr erfolgreich.

Erste These. Die Projekte, die wir und andere machen, sind sinnvoll, notwendig und ökonomisch vertretbar. Ich glaube, dieser These wird niemand widersprechen. Ich habe die Vorlagen und Stellungnahmen aller Parteien gelesen. Niemand von Ihnen hat bestritten, dass diese Projekte gesellschaftlich wichtig und notwendig sind.

Zweite These. Wenn dem so ist, müssen diese Projekte natürlich auch finanziert werden. Wenn die Landesregierung sagt, dass das kommunale Aufgaben sind ­ meine Bewertung dazu lasse ich einmal dahingestellt ­ und dass das wichtige und notwendige Projekte sind, dann erwarten wir als Projektträger von der Landesregierung natürlich, dass sie das Programm nicht einfach auslaufen lässt. ­ Ich benutze bewusst die Formulierung auslaufen lässt. Ich füge hinzu, dass die Kolleginnen in der Programmgeschäftsstelle in Duisburg abgesetzt worden sind. Eine der Kolleginnen, mit denen wir hervorragend zusammengearbeitet haben, ist heute hier. Sie ist jetzt arbeitslos. Das mit dem Auslaufen stimmt also nicht so ganz. ­ Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie uns als Träger vor Ort in den Kommunen, in den Kreisen unterstützt, wenn die Projekte sinnvoll sind. Als Landesregierung zu sagen, das seien kommunale Aufgaben, die vor Ort geregelt werden müssten, ist zu wenig. Dann werden wir die gleiche Problematik wie bei den Arbeitslosenzentren haben und 30 bis 40 % der Projekte nicht mehr existieren. Und das wäre schade.

Dritte These. Gerade die Landesfinanzierung ­ in deren Genuss unser und andere Projekte kamen ­ hat dazu geführt, dass eine Vielzahl an innovativen Ansätzen möglich gewesen ist und dass plötzlich eine Vielfalt an Trägern zum Zuge gekommen ist.

Es ist ja kein Geheimnis: In einer Kommune sind große Wohlfahrtsverbände tätig, die aufgrund von Historie und Tradition alles im sozialen Bereich machen. Für freie Träger wie uns und andere ist es natürlich schwierig, in dieses Feld zu stoßen. Deshalb ist diese Landesfinanzierung klasse; denn gerade freie Träger haben davon profitiert und konnten ihre innovativen Ansätze vor Ort in die Kommune oder in den Kreis tragen.

In den Stellungnahmen und auch von der Landesregierung wird angeführt, die Obdachlosigkeit sei zurückgegangen. Das ist richtig. Die offizielle statistische Obdachlosigkeit ist gesunken. Ich habe erst gestern mit dem Leiter des Amtes für Soziales in meiner Stadt Moers ein Gespräch geführt, der gesagt hat: Statistisch betrachtet sind die Obdachlosenzahlen gesunken. Aber viele Kommunen zählen nur die Unterbringung in Obdachlosenasylen und vergessen dabei ­ bewusst oder unbewusst ­ die Menschen, die dort nicht registriert oder anderweitig untergebracht sind. Es gibt also eine versteckte Obdachlosigkeit. Ich denke, angesichts der Konjunktursituation, die unbestritten schwierig ist, und dessen, was wir in 2009 zu erwarten haben, wird das Problem Obdachlosigkeit steigen, und wir müssen uns diesen Anforderungen stellen.

Vierte These. Da im sozialen Bereich immer so viel über Menschen und darüber geredet wird, wie sinnvoll Projekte sind: Natürlich spielt auch der Faktor Geld eine Rolle. Das ist mir klar. Ein kleines Beispiel aus unserem Projekt: Seit 2005 ist unser Mitarbeiter für dieses Projekt tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat er ca. 35 Zwangs räumungen im Stadtgebiet Moers abwenden können. Meine Vorrednerin hat gerade dargestellt, dass eine Zwangsräumung zwischen 3.000 und 5.000 kostet. Und das ist noch niedrig angesetzt. Es gibt durchaus Zwangsräumungen ­ ich habe noch gestern mit Gerichtsvollziehern gesprochen ­, die bis zu 8.000 oder 9.000 kosten können. 35 verhinderte Zwangsräumungen ­ teilweise stand der Lkw schon vor der Tür, die Zwangsräumungen konnten durch unser Projekt aber noch abgewendet werden ­ ergeben eine enorme Summe ­ das können Sie nachrechnen ­, die die Mittel übersteigt, mit denen in den letzten drei Jahren gefördert worden ist.

Wenn Sie diesen Thesen folgen können, dann sollte sich die Frage nicht mehr stellen, ob wir diese Projekte weiterführen können. Ich sage ­ allerdings nicht auf Englisch ­: Ja, wir können!

Werena Rosenke (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V.): Guten Tag! Vielen Dank, Herr Vorsitzender, für die Einladung an die BAG Wohnungslosenhilfe. ­ Kurz zur BAG Wohnungslosenhilfe: Wir sind der Bundesverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland und eigentlich von Anfang an einer der größten Fans dieses Landesprogramms, weil es sich im Kern auf die Verhinderung von Wohnungslosigkeit bezieht und die beste Wohnungslosenhilfe die ist, die es gar nicht erst zum Ernstfall, also zur Wohnungslosigkeit kommen lässt.

Dass das Landesprogramm eingestellt werden soll, begründet das Ministerium damit, dass die Zahlen deutlich rückläufig seien und man das Problem in den Griff bekommen habe. Dem müssen wir deutlich widersprechen. Schließlich geht es nicht nur um die Menschen, die akut wohnungslos sind. Es geht auch und gerade um diejenigen, die von Wohnungsverlust bedroht sind. Das sind in Nordrhein-Westfalen nach unserer Schätzung mindestens 26.000 Personen, also mehr als die akut Wohnungslosen.

Es können aber auch doppelt so viele sein. Wir wissen es nicht genau, was nicht an uns liegt, sondern daran, dass wir in Deutschland keine Wohnungsnotfallstatistik haben. In unserer Stellungnahme haben wir begründet, wie wir zu dieser Schätzung kommen.

Schon allein unter diesem Gesichtspunkt halten wir es für vermessen, zu sagen, das Problem sei mehr oder weniger gelöst, insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass es inzwischen auch neue Gefährdungspotenziale gibt. Ich will sie in Stichworten nennen.

Durch die Hartz-Gesetzgebung ist die gesamte Prävention deutlich erschwert worden. Das, was unter BSHG-Zeiten mit einer Mietschuldenübernahme relativ gut funktionieren konnte, ist jetzt wesentlich schwieriger und vielerorts nicht befriedigend gelöst. Der öffentlich geförderte und damit preiswerte Wohnraum geht überall kontinuierlich zurück, weil die Belegungsbindungen auslaufen. Das heißt, es wird in den nächsten Jahren weniger preiswerter Wohnraum zur Verfügung stehen. Es gibt zwar rein rechnerisch einen entspannten Wohnungsmarkt in Deutschland. Aber auch in Nordrhein-Westfalen gibt es Regionen, Ballungszentren mit einem ganz engen Wohnungsmarkt, vor allen Dingen in dem für uns und unsere Klientel interessanten Bereich der preiswerten und billigen Kleinwohnungen.