Birgit Wingen NRWBank Einen schönen guten Morgen Ich bin innerhalb der NRWBank für das Betriebscontrolling verantwortlich

5. Sitzung (öffentlich) we finden und zu definieren. Das ist nicht damit getan, dass Gelder input-orientiert bereitgestellt werden. Es müssen output-orientierte politische Vorgaben formuliert werden.

Birgit Wingen (NRW-Bank): Einen schönen guten Morgen! Ich bin innerhalb der NRWBank für das Betriebscontrolling verantwortlich. Ein Schwerpunkt meiner Berufspraxis ist die Problematik der Beschaffung, der Validität und der Auswertung von Daten. Zu unserer Position zu diesem Thema möchte ich gerne auf meine Kollegin Frau Bröckskes verweisen.

Renata Bröckskes (NRW-Bank): Auch ich wünsche einen guten Morgen! Vielen Dank für die Einladung! Ich bin innerhalb der NRW-Bank für die Durchleitung der Existenzgründungs- und Mittelstandsförderung ins Rheinland zuständig. Daher stehe ich Ihnen für Fragen zu privatrechtlichen Förderprogrammen - leider nicht für die Verwaltungsverfahren - zur Verfügung.

Friedel Schreyögg (Gleichstellungsstelle für Frauen, München): Ich bin seit 20 Jahren - wir haben gerade unser Jubiläum gefeiert - Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frauen der Landeshauptstadt München. Es gibt immer Missverständnisse zu den Begriffen Gender-Mainstreaming und Gleichstellungspolitik. Deshalb möchte ich gleich zu Anfang klarstellen, dass kommunale Gleichstellungspolitik eine Querschnittsaufgabe ist und strukturelle Reformen verfolgt. Darin besteht kein wesentlicher Unterschied zur Strategie und zur Vorgehensweise beim Gender-Mainstreaming; der liegt höchstens in der historischen Entwicklung.

In München beschäftigen wir uns jetzt seit zwei Jahren mit Gender-Budgeting. Dazu haben wir auch eine Broschüre veröffentlicht. Der Stadtrat hat zwar einen Beschluss gefasst, aber unserem Stadtkämmerer, der alles sehr gut findet und versteht, fehlt die Leidenschaft bei der Umsetzung (Heiterkeit) und auch zum Teil die Befähigung. Darauf werde ich gleich noch eingehen.

In München versuchen wir, Gender-Budgeting als geschlechtergerechte Haushaltsplanung zu verstehen, weil der Begriff Gender-Budgeting bei einem Teil der Stadtführung insbesondere beim Oberbürgermeister - Aggressionen hervorruft. Gender-Budgeting ist relativ weit und ungenau; darunter wird sehr viel verstanden. Wir versuchen, oder die Umsetzung der Gender-Mainstreaming-Strategie im Haushaltswesen mit dem produktorientierten Haushalt zu verknüpfen. Seit zehn Jahren stellt die Stadt München ihren kameralistischen Haushalt auf einen doppischen um; das ist jetzt abgeschlossen. Jetzt beginnt die Verknüpfung mit den Produkten, die in zehn Jahren Verwaltungsreform entwickelt worden sind. Nur ein Thema wurde von der gesamten Produktdebatte ausgespart: der so genannte Out-Come von Wirkungen. In der letzten Beschlussvorlage des Kämmerers wurde gesagt, dass die weichen Beschlussfaktoren erst noch entwickelt werden müssten.

An dieser Stelle sind wir bei dem Dreh- und Angelpunkt: Wir müssen Gender-Budgeting auf eine Verwaltung anwenden, die zwar zehn Jahre lang kundenorientiert war; diese

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Kundenorientierung ist im Wesentlichen aber als Dienstleistungsorientierung und nicht als Kundenorientierung, die bei den Zielgruppen ansetzt, definiert worden. Dieser Gedanke ist in der Kommunalverwaltung - wahrscheinlich nicht nur in Bayern - bis heute neu. Unsere Vorgehensweise lautet: Unsere Stärke ist der Vollzug. In der Soziologie würde man das Konditionalprogrammierung als Verwaltungsstrategie nennen. Für Gender-Budgeting, aber auch für Gender-Mainstreaming, braucht man einen Ansatz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das heißt, dass ich mir als erstes klarmachen muss: Warum gibt es uns? Für welche Zielgruppen arbeiten wir? Erreichen wir die Zielgruppen? Erzielen die Programme die Wirkung, die wir beschreiben?

Deswegen versuchen wir schon während der gesamten Zeit der Verwaltungsreform mühsam, bei der Stadt das Thema Zielgruppen stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Langsam wächst das Interesse daran. Aber für unsere konditionalprogrammierte Verwaltung ist ein Denken von außen nach innen völlig ungewohnt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dafür nicht qualifiziert worden. Es geht nicht nur darum, dass keine Gender-Sensibilität da ist. Uns fehlen die Befähigung und die Methodik für eine in Ansätzen sozialwissenschaftliche Analyse, wenigstens in dem Maße, um Zielgruppen und deren Bedürfnisse zu erkennen.

Deshalb leisten wir bei der Umsetzung von Gender-Budgeting - wie so häufig in der gesamten Gleichstellungsarbeit - Grundlagenarbeit. Wir müssen erst den Boden bereiten, das heißt, erst die Zielgruppenorientierung erarbeiten. Danach ist es nicht mehr so schwierig, Wirkungen auf Frauen und auf Männer zu analysieren. Wenn der erste Schritt nicht getan ist, kann der zweite überhaupt nicht getan werden.

Gender-Budgeting leistet deshalb insgesamt Grundlagenarbeit und behandelt das Thema Geschlecht von Anfang an integrativ. Vor diesem Hintergrund muss man die Aussagen, dass Gender-Budgeting so teuer sei, sehen. Andere Länder haben schon sehr viel länger Ansätze, die als Performance-Based oder Outcome-Oriented-Budgeting bezeichnet werden, so etwa die Schweiz oder die Vereinigten Staaten. Die Kameralistik gibt es nur in Österreich und in Deutschland. Wir hinken in unserem Denken daher ziemlich hinterher und tun uns in manchen Bereichen schwer. Der Wechsel im Haushaltssystem muss aber gerade dann geschehen, wenn der Haushalt knapp ist. Denn dann ist es umso notwendiger zu wissen, ob das Geld richtig ausgegeben wird.

Vorsitzende Elke Rühl: Nachdem wir die Sachverständigen gehört haben, kommen wir zu den Fragerunden. Ich bitte um Wortmeldungen der Abgeordneten zum Kapitel A Haushaltskonsolidierung und Sparpolitik.

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Vielen Dank! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für Ihre kurzen Statements. Den meisten Ihrer schriftlichen Stellungnahmen konnte ich entnehmen, dass eine Einführung von Gender-Budgeting zumindest in der Anlaufphase mit sehr hohen Kosten und hohem bürokratischen Aufwand verbunden wäre. In Ihren Statements ist auch der Begriff Gerechtigkeit gefallen. Ich möchte gerne in dieser Runde diskutieren, was wir darunter verstehen. Soll jeder gleichermaßen von öffentlichen Mitteln profitieren, oder müssen staatliche Intervention und Hilfe zwingend dort erfolgen, wo gravierende Probleme auftauchen? Ich folge der Analyse von Herrn Koerdt. Das

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Motto: Was wir zu verteilen haben, müssen wir geschlechtergerecht verteilen, beruht auf einem ausgesprochenen Input-Denken.

Ich möchte Probleme lösen, die es im Land gibt. Auf der einen Seite gibt es vielleicht Probleme, bei deren Lösung Männer stärker profitieren als Frauen, und auf der anderen Seite Probleme, bei denen es umgekehrt ist. Bereits ohne Gender-Budgeting oder Gender-Mainstreaming auf den Weg gebracht zu haben, haben wir Brustkrebszentren und eine sehr intensive Vorsorge bei der Frauengesundheit. Es ist in meinen Augen absurd, etwa nach der Verweildauer in Altenzentren oder in Pflegeheimen zu fragen. Es gibt Frauen, die Jahre länger in diesen Heimen sind als Männer. Wollen wir da auch eine gerechte Mittelzuteilung erreichen? Das möchte ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich möchte Probleme in diesem Land lösen. Es ist eben so, dass von einigen Teilzuwendungen stärker Frauen profitieren und von anderen stärker Männer.

Ich sehe Handlungsbedarf. Aber handeln kann man auch ohne Bürokratie und große wissenschaftliche Studien, etwa bei der Jugendhilfe, bei Jugendzentren oder auch beim Sport. Hier kann man sehr gut überprüfen, wo die Präferenzen von Mädchen und Jungen liegen. Daraus lässt sich ableiten, wie man sie entsprechend stärker einbeziehen kann. Meines Erachtens gelingt das aber sehr gut durch den gesunden Menschenverstand und durch Beobachtungen, statt sehr aufwendige Studien, Projekte und anderen Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Ich sage das ein bisschen provokativ, weil ich diesen Aspekt gerne in der Runde diskutieren und auf die Expertise der Sachverständigen zurückgreifen möchte.

Vorsitzende Elke Rühl: Wie lautete Ihre Frage konkret, Frau Pieper-von Heiden? Wollten Sie eine allgemeine Diskussion führen? Wir sind ja bei Kapitel A. Haushaltskonsolidierung und Sparpolitik.

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Die Sparpolitik gehört meines Erachtens in diesen Bereich, denn Gender-Budgeting ist mit erheblichen Anlaufkosten und bürokratischem Aufwand verbunden. Passt das zur Sparpolitik, die wir im Land zwingend fahren müssen? Würden wir, wenn wir Gender-Budgeting einführen würden, zu Ergebnissen kommen, die zu einer völlig anderen Situation führen würden?

Barbara Steffens (GRÜNE): Der Redebeitrag von Frau Pieper-von Heiden war natürlich provozierend. Deswegen will ich in die andere Richtung provozieren. Vor uns liegt ein Haushaltsberatungsverfahren. Die Landesregierung hat angekündigt, linear 20 % zu kürzen. Wie ist diese Kürzung unter Gender-Gesichtspunkten zu sehen - gerade dann, wenn Gender-Budgeting nicht vorhanden ist? Was heißt das für die Frauen im Land?

Denn auch der Frauenhaushalt wäre von dieser Kürzung betroffen. Dabei handelt es sich eigentlich um einen Haushalt, der eine Benachteiligung ausgleichen soll. Wie sehen Sie das?

Es ist ebenfalls provokant in den Raum gestellt worden, dass die Kosten für die Einführung von Gender-Budgeting hoch sind.