Dr Ute Weinmann Senatsverwaltung für Wirtschaft Arbeit und Frauen Berlin Ich kann daran anschließen

5. Sitzung (öffentlich) sd-hoe

Ich möchte einfach differenzieren: Bedürfnisgerechtigkeit ist das Eine. Letztendlich geht es aber auch bei Gender-Mainstreaming und Gender-Budgeting, Gleichstellung darum, Geschlechterstereotypen aufzuheben und in dem Sinne Wahlmöglichkeiten zu erweitern. Das ist ein wichtiger Punkt, der im Blick bleiben sollte.

Dr. Ute Weinmann (Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Berlin):

Ich kann daran anschließen. Es ist inhaltlich etwas untergegangen: Gender-Budgeting und Gender-Mainstreaming sind nicht nur neue Strategien, die in Verwaltungshandeln auf den unterschiedlichen Ebenen integriert werden sollen, sondern sie implizieren auch ein gesellschaftspolitisches Ziel. Das beinhaltet, herkömmliche, ungleiche hierarchische Geschlechterverhältnisse umzugestalten zugunsten von mehr Geschlechtergerechtigkeit, was immer das im Einzelnen für die jeweilige Fachpolitik auch bedeutet.

Verwaltung und auch Politik sollen sich überlegen, wie sie durch ihr bisheriges professionelles Handeln dazu beitragen, Geschlechterverhältnisse in der alten Form, in der ungerechten Form beizubehalten oder ob sie geschlechtergerechter gestalten können.

Das ist ganz wichtig.

Darüber hinaus sind sehr viele Vorschläge diskutiert oder Möglichkeiten vorgestellt worden. Trotzdem geht es für NRW auch darum, jetzt sinnvolle, effektive Prozesse einzuleiten. Da auch noch einmal mein Appell, praxisorientiert zu beginnen und sich nicht dadurch irritieren zu lassen, dass alle möglichen Modelle überhaupt nicht gehen, dass sie so viele Fragen aufwerfen und dass man den Ansprüchen des was immer das auch sein mag, nicht gerecht wird.

Das Ganze ist kein Zwei- oder Dreijahresprojekt, sondern es ist ein sehr mühseliger, reflektierter Prozess, der in den Verwaltungen und in der Politik hergestellt werden muss.

Der ist mehr als politischer Wille, Sensibilität. Dafür ist auch ganz viel Wissen notwendig. Auch das lässt sich nicht von heute auf morgen herstellen.

Deshalb noch einmal mein Vorschlag, praxisorientiert anzufangen, sich bestimmte Titel oder Hauptgruppen aus dem Haushaltsplan herauszusuchen und möglichst nicht mit irgendeinem relevanten Kleinmodellprojekt anzufangen, sondern landesweit die Ministerien anhand bestimmter Titelgruppen einzubeziehen.

Dass das nicht alles sein kann, ist völlig klar. Aber es ist ein Beginn, der erst einmal anhand zum Beispiel personenorientierter Fördermittel aufgearbeitet werden kann. Sie werden sich wundern, wie viel Material zusammenkommt und wie viel neue Kommunikationsstrukturen und Offenheit in Verwaltungen durch solche Prozesse, wenn sie verbindlich und kompetent eingeleitet werden, entstehen.

Marie-Luise Dött (BKU): Ich war 1995 auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking mit einer NGO-Organisation. Dort wurde dies explizit diskutiert. Von da ging quasi eine Welle durch die Welt. Irgendwann erreichte das auch einmal Deutschland, ziemlich zum Schluss. In anderen Ländern war man in dieser Diskussion wesentlich weiter.

Ich kann mich genau erinnern - deswegen komme ich darauf zurück -: Die Diskussion stand unter der Überschrift: Den Frauen gebührt die Hälfte des Himmels. Das war ein Schlagwort. Da war dieses Gender-Mainstreaming. Es wurde überlegt, wie man es

5. Sitzung (öffentlich) sd-hoe schafft, dass man das im Alltag und in den Finanzen - Politik stellt sich in Haushalten dar, das hatten Sie, Frau Wanzek, auch gesagt, der Haushalt spiegelt nur die Entscheidungen der Politik - umsetzt. Anhand dieser Entscheidungen muss man diskutieren, ob Gender-Mainstreaming umgesetzt wird oder nicht. Das war die Ausgangsbasis.

Jetzt kommt es mir manchmal so vor, als würden wir in der Diskussion davon ausgehen, dass wir, wenn wir die Haushaltstitel nach diesen Aspekten des Gender-Budgeting untersuchen, schon eine andere Politik haben. Das ist eben nicht der Fall.

Die Zielsetzung muss ich politisch erarbeiten. Da gibt es unterschiedliche Ansätze.

Wenn ich die Schwerpunkte setze, kann es eine Hilfe sein, wenn ich in die einzelnen Haushaltstitel hineingehe. Mehr ist das nicht. Das ist eine von ganz vielen Sachen.

Deswegen möchte ich das auch auf den Teppich zurückholen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass geglaubt wird, wenn man das umsetzt - es geht nur schrittchenweise, das weiß man -, habe man das Ziel quasi erreicht. Dann ist noch gar nichts erreicht. Ich möchte das hier nur festhalten. Es ist ganz wichtig, dass man Ansätze hat, die man diskutiert und dabei abwägt, was wichtig ist.

Ich möchte auf meinen Beitrag vorhin zurückkommen: Wie sehen die Indikatoren für politische Maßnahmen und Verwaltungsprodukte aus? Denn das ist ja das Entscheidende.

Was sind die Indikatoren? Wie definiere ich sie? Wie formuliere ich sie? Wie gehe ich daran? Wenn ich mir den Haushalt da vornehme - so hatte ich es gesagt -, sind für meine Begriffe weder Inputindikatoren - das ist eine Seite - noch Outputindikatoren - die andere Seite - anzusetzen, sondern als erster Schritt Outcome-Indikatoren, die man oftmals im politischen und Verwaltungsbereich nicht selber formulieren kann - da braucht man von außen Hilfe, das kostet Geld -, über die Wirkung einer Maßnahme. Da kommen nämlich die verschiedenen Aspekte zum Tragen.

Diese Outcome-Indikatoren sind natürlich viel schwerer zu bilden, weil die Datenlage oft schlecht und verzwickt übereinander gestapelt ist, wie jetzt beispielsweise beim ÖPNV, oder Verkehr total. Da braucht man Hilfe. Was will man insgesamt ansehen? Das sind umfangreiche Untersuchungen.

Insgesamt müsste die Zielsetzung nach wie vor sein - ich hatte es schon gesagt -, dass man die Equity Indikatoren ansetzt - das macht man in der Wirtschaft auch -, wodurch der Grad der Verteilungsgerechtigkeit nicht nur mit Blick auf die Geschlechter, sondern auch innerhalb der sozialen Schichten und Altersgruppen angezeigt wird. Das ist eine viel komplexere Geschichte. Deswegen ist das nur mit Begleitung von außen auch zu machen! Aber schön der Reihe nach und nicht bei den komplexesten Geschichten anfangen, sondern im Kleinen, weil dann das Ergebnis auch viel überzeugender sein kann.

Barbara Steffens (GRÜNE): Ich habe noch eine Frage zum Schluss. In der ersten Stellungnahme zu unserem Antrag kam von allen: Wir müssen erst einmal die Machbarkeitsstudie abwarten.

Ich habe jetzt den Eindruck, dass das sowohl in den Stellungnahmen wie auch in der Diskussion ein Stück weg ist und es eher darum geht, zumindest schrittweise 35 von 40

5. Sitzung (öffentlich) sd-hoe gen. Man kann dann immer noch gucken, was dabei herauskommt und das zusammenführen. Aber Anfangen ist der richtige Weg. Habe ich das richtig verstanden?

Friedel Schreyögg (Gleichstellungsstelle für Frauen, München): Ja, das ist auch meine Empfehlung. Ich sage es jetzt polemisch, ich kenne es von verschiedenen Themen. Ich habe das auch einmal bei einem Thema gemacht, das ich nicht behandeln wollte, weil es zu schwierig war. Da sagt man dann: Da warten wir jetzt erst diese Studie, noch eine Studie und eine weitere Studie ab. Das klingt sehr plausibel, sehr wirtschaftlich. Wir kennen das.

Das Thema ist komplex. Ich habe in meiner Stellungnahme gesagt: Nordrhein Westfalen macht seit 20 Jahren Gleichstellungspolitik. Es liegen Daten vor, es liegen Erkenntnisse vor. Es geht darum, Aufgabe für Aufgabe zu überlegen, wie man mithilfe vorhandener Informationen - die liegen in Nordrhein-Westfalen sehr umfangreich zum Thema Städtebau vor, nicht nur personenbezogen, sondern auch eine ganze Menge von Untersuchungen und Daten zum Städtebau - bei einem bestimmten Bereich anfangen kann. Auch wenn es noch keine Produkte gibt, aber mit bestimmten Haushaltsposten kann ich Indikatoren bilden, anhand derer ich Ausgaben im Planungsbudget prüfen kann.

Wenn ich anfange und das weiterentwickle, wenn ich die Methode wechsele, dann ist die Arbeit nicht vergeigt. Diese systematische Untersuchung und die Debatte Wie kann ich aus vorhandenen Informationen Indikatoren bilden? - da gibt es vom Städtetag übrigens eine neue Veröffentlichung, die sich lohnt - brauche ich auf jeden Fall. Wenn ich Gender-Mainstreaming oder Gender-Budgeting mache, um Transparenz in die Verwendung von Verwaltungsressourcen - Geld und Personal - zu bekommen, brauche ich die Indikatoren, in welcher Haushaltsform auch immer.

Ute Wanzek (GISA): Ja, auf jeden Fall. Das kann man so kurz beantworten. Sie wird vielleicht unterstützend wirken, wenn sie da ist oder abgleichend.

Ich sage noch etwas anderes, nicht, dass man das benutzt, um abzuwarten. Es kann natürlich auch sein, wenn sie denn da ist, dass man in Ihrem Bundesland oder in anderen Bundesländern sagt: Ja, was die da aufgeschrieben haben, passt für uns nicht. Die Erkenntnis hat man mit Studien auch oft: Bei uns ist alles anders. Also, selber anfangen!

Gunnar Koerdt (Stadt Bedburg): Politisch betrachtet, macht es Sinn, anzufangen. Ich stelle Ihnen die Frage, wieder als Frontkämpfer, nach Ihren Prioritäten. Unser Gemeinwesen ist keines, das im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken wird. Es muss hier auf Erden gefüttert werden.

Ich habe das große Vergnügen, aus einer der wenigen Städte in Nordrhein-Westfalen zu kommen, die noch nicht im Haushaltssicherungskonzept sind. Ich bin auch in keinem Nothaushaltsrecht. Da gibt es nicht mehr so viele. Im nächsten Jahr werden es noch weniger. Da frage ich mich, ob wir - entschuldigen Sie die Offenheit - im Augenblick nicht noch dringendere Probleme haben, wobei ich das nicht abwerten möchte.