Die Eignung die heute mehrfach im Gespräch war lässt sich nicht mit einem Praxiselement verbinden

Die Eignung, die heute mehrfach im Gespräch war, lässt sich nicht mit einem Praxiselement verbinden. Eignung ist nur prozessbegleitend festzustellen. Von daher benötigen wir ­ wenn Eignung getestet werden soll ­ ein entsprechendes Instrument, das zu entwickeln wäre. Das ist keine Addition von Praxis.

Dass die Reputation des Lehrerberufs gefördert werden muss, steht außer Zweifel.

Darauf bin ich auch von verschiedenen Seiten in Kontext der Lehrerversorgung angesprochen worden.

Günter Mörth (Studienseminar Aachen, Lehramt an Berufskollegs): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich bin Leiter des Seminars für das Lehramt an Berufskollegs und habe heute Morgen schon ganz viele wichtige und aufschlussreiche Bemerkungen auch lang anhaltender Art gehört. Deshalb möchte ich mich ein bisschen kürzer fassen und hervorheben, dass man Lehrerin/Lehrer nicht wird, indem man darüber spricht, in Übungen sitzt oder Vorlesungen besucht, sondern dass man vor Ort Praxis erlebt und diese Praxis theoriegeleitet reflektiert.

Das muss unter Hinzuziehung von Experten geschehen.

Damit kommen wir zur Phase der Praktika: Es muss geklärt sein, wie die Praktika miteinander vernetzt werden, welche Ressourcen, Kompetenzen und Zeiten in Schule, Hochschule und in den Seminaren zur Verfügung stehen, um diese theoriegeleitete notwendige Praxisreflexion durchzuführen.

Ich sehe noch ein Problem bei der Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe zwischen den Zentren der Lehrerbildung an den Hochschulen und den Seminaren. Die Augenhöhe scheint mir noch nicht gewährleistet zu sein. Darüber müsste man sicherlich auch noch nachdenken.

Herr Brückner hat schon ein Problem speziell für die Berufskollegs angesprochen:

Ich bedaure es und sehe es als Gefahr an, dass eben zwei allgemeinbildende Fächer nicht dazu führen können, das Lehramt an Berufskollegs anzustreben. Es wird sicherlich zu einem großen Problem für die Berufskollegs werden, da jetzt schon in den allgemeinbildenden Fächern ­ dabei denke ich vor allem an die Sprachfächer ­ Mangelsituationen entstanden sind. Ich kann mir schwer vorstellen, dass Kollegen, die in zwei allgemeinbildenden Fächern am Gymnasium ausgebildet worden sind, ans Berufskolleg gehen möchten, zumal dort ein System auf sie einstürzen wird, das mächtig und groß ist und nicht sofort erfahren werden kann.

Ralph Diehm (Studienseminar für das Lehramt Sonderpädagogik): Ich bin Leiter des Seminars Sonderpädagogik in Bielefeld und seit 14 Tagen kommissarischer Landesreferent im Verband Sonderpädagogik für die Lehrerbildung.

Ich möchte das Problem des Praxissemesters aus Sicht eines Pragmatikers deutlich machen: Wir haben im Bereich der Sonderpädagogik drei Universitätsstandorte, an denen für das Lehramt Sonderpädagogik ausgebildet wird: Bielefeld, Köln und Dortmund. Im Land haben wir 15 Seminare für Sonderpädagogik. Vor diesem Hintergrund frage ich mich: Wie soll die Kooperation zwischen den beteiligten Institutionen zustande kommen?

Die zweite große Frage betrifft die Verteilung der Studierenden im Praxissemester auf die Regionen. Wenn wir der Vorgabe, die wir unterstreichen, folgen, dass jede Schule Ausbildungsschule sein soll, müssen wir danach fragen, ob das realistisch ist.

Ich wohne im schönen Harsewinkel, 26 Kilometer von Bielefeld entfernt von meiner Arbeitsstätte. Mit dem PKW brauche ich gerade 40 Minuten, gehe aber davon aus, dass nicht jeder Studierende einen PKW besitzt. Würde ich mit dem ÖPNV fahren, müsste ich für diese Strecke eine Stunde und 22 Minuten in Kauf nehmen, und das für ­ bitte schön ­ nur 26 Kilometer.

Wie sähe es aus, wenn wir Studierende in die Region nach Steinheim oder zum Beispiel nach Brakel oder Höxter bringen würden? Das müssten wir tun. Ich habe recherchiert und von meinem Sohn eine SMS bekommen, in der steht: Wenn du um acht Uhr mit der Bahn in Steinheim sein willst, musst du in Paderborn übernachten, da nur ein Zug nach Steinheim um ca. fünf Uhr irgendetwas fährt. ­ Das zeigt die Problematik, vor der wir stehen.

Ich will auf die Frage der Einsparung als nächstes Problem aufmerksam machen.

Wenn der Vorbereitungsdienst auf zwölf Monate reduziert wird, dann wird automatisch die Zahl der Fachleiterinnen und Fachleiter halbiert werden. Ich bin in einem Seminar mit zwölf Fachleiterinnen und Fachleitern. Wir hätten dann nur noch sechs zur Verfügung. Wer soll ­ a) ­ das Referendariat für den Vorbereitungsdienst begleiten und ­ b) ­ kooperieren und die Begleitung der Studierenden in der Region mit welchen Ressourcen übernehmen? Diese Fragen scheinen mir überhaupt nicht geklärt zu sein. Dort ist eine Antwort offen.

Zu guter Letzt möchte ich aus sonderpädagogischer Sicht Folgendes anmerken:

Wenn bedarfsdeckender Unterricht von Anfang an stattfindet, müssen wir uns sicher sein, dass es alleingelassener Unterricht ist. Das heißt: Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter haben sonderpädagogischem Förderbedarf von Anfang an durch entsprechende Maßnahmen zu entsprechen. Das kann jedoch nur vor dem Hintergrund solider Diagnose und dem Hintergrund einer Kenntnis des Bedingungsfeldes geschehen. Weil das von Anfang nicht möglich und ohne Anleitung schier undenkbar ist, halten wir mit Blick auf die Qualität sonderpädagogischer Förderung eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf zwölf Monate für fast nicht mehr tragbar.

Ausschussvorsitzender Wolfgang Große Brömer Danke schön, Herr Diehm. ­ Jetzt können Fragen gestellt werden.

Ute Schäfer (SPD): Auch Ihnen herzlichen Dank für Ihre Stellungnahmen. Ich möchte meinen Fokus auf zwei Aspekte richten. Einen dieser Aspekte haben wir noch nicht ausreichend beleuchtet. Dabei geht es für mich um die Phase nach der zweiten Ausbildungsphase, also eigentlich den Übergang vom Lehramt in den Beruf. Ich glaube tatsächlich, dass dieser Bereich ­ die ersten beiden Jahre nach der Ausbildung, also sowohl der Universität als auch dem Referendariat ­ die Basis für das ist, was in der Zukunft einen guten Lehrer ausmachen wird. Genau das, was sie machen im Referendariat, nämlich die Reflexion dessen, was man getan hat, wird oftmals dann über Bord geworfen, wenn man 28 Pflichtstunden hat und in den Gesamtablauf eingebunden ist.

Ich möchte dazu Ihre Erfahrung, Ihre Einschätzung und Beurteilung haben, was diesen Prozess angeht. Muss man nicht noch einmal darüber nachdenken, wie man das in den gesamten Ausbildungsbereich einbinden kann?

Mein zweiter Aspekt: Ich habe zur Kenntnis genommen, dass man über den Hauptschulbildungsgang und den Realschulbildungsgang reflektiert hat. Mich interessiert Ihre Einschätzung: Wenn es gleichlange Bildungsgänge, gleiche Bezahlung und Besoldungsstrukturen gibt, strömen dann nicht alle in die Gesamtschul- und Gymnasialbildungsgänge. Könnte es dann nicht einen Mangel in bestimmten anderen Bildungsgängen geben? Wie beurteilen Sie diesen Zusammenhang aus Ihrer praktischen Erfahrung und dem, was Sie von Studierenden wissen?

Sigrid Beer (GRÜNE): Herzlichen Dank auf für diese Expertinnenrunde und dass Sie die Geduld aufgebracht haben, dem zuzuhören, was heute Morgen ausgeführt worden ist, als die Hoffnung der Hochschulen zum Ausdruck kam, sie würden das alles irgendwie stemmen. Wie schätzen Sie es wirklich realistisch ein? Welche Probleme müssen noch geregelt werden? Wo müssen die Gespräche stattfinden? Ich möchte ganz besonders Herrn Heemeyer fragen, der Mitglied in dem Arbeitskreis ist:

Wie weit wird das gehört, was Sie in Ihrer Stellungnahme aufgeschrieben haben?

Wie weit finden die Bedenken, die Sie dort formuliert haben, Eingang?

Es stimmt mich ein bisschen bedenklich, dass in einem Arbeitskreis Dinge bereits festgezurrt werden, bevor die Problemaufnahme und die Diskussion hier überhaupt abgeschlossen sind. Muss ich ­ ich schaue zu den Kollegen der Regierungsfraktionen ­ davon ausgehen, dass wir es mit einer Anhörung zu tun haben, die eigentlich mehr oder weniger überflüssig war? An der Stelle muss ich noch einmal ein paar ganz große Fragezeichen setzen, welche Auswirkungen diese problemorientierte Diskussion später haben wird?

Es wäre schön, wenn Sie uns einen Hinweis darauf geben könnten, inwieweit das wirklich eingearbeitet wird, was Sie an Bedenken bezüglich des Unterrichtsaufalls, der bei den zwölf Monaten droht, und der Probleme in der Praktikumsbetreuung formuliert haben.

Ganz spitz formulieren möchte ich es für die Kolleginnen und Kollegen, die aus dem Bereich BK-Seminare kommen. Ist es übertrieben, wenn ich sage, die BKs sind gegebenenfalls die Verlierer der Ausbildungsreform, was die Versorgung mit Lehrkräften angeht. Es geht auch um die Frage des Zugangs und des Umstiegs. Erhebliche Probleme sind auf den Tisch gelegt worden.