Nachhaltigkeit

Landtag Nordrhein-Westfalen - 103 - APr 14/851

Ausschuss für Schule und Weiterbildung (74.) 25.03.

Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (55.) sd-beh das für die Schulen, die im Augenblick so viel vor der Brust haben, noch so weit weg ist.

Das haben wir auch gemerkt, wenn wir mit den Vertretern der Schulleitungen über das neue Lehrerausbildungsgesetz ins Gespräch kommen wollten. Sie reagierten dann spontan mit den Worten: Dann sollen wir also auch noch diese Aufgaben übernehmen, aber Gott sei Dank dauert es ja noch etwas, bis das auf uns zukommt. - Wir sind also nicht sehr erfolgreich gewesen, aufseiten der Schulen Mitdenker und Mitstreiter im Zusammenhang mit dieser Reform zu gewinnen.

Was den Schulen im Augenblick helfen würde, wäre aus meiner Sicht nach vielen Gesprächen mit Schulleitungen aller Schulformen, nicht nur zusätzliche Ressourcen bereitzustellen - wenngleich diese natürlich kommen müssen; dafür ist im Gesetzentwurf und in den begleitenden Papieren ja auch einiges an Millionen vorgesehen -, sondern ihren Wunsch nach verlässlicher Langfristigkeit von Aufgaben bei Begrenztheit von Aufgaben zu erfüllen. Das Bild vom holländischen Nordseestrand, wo sich die eine Welle gerade bricht, als schon die nächste kommt, wird von Schulleitungen oft gebraucht. Nachhaltigkeit und verlässliche Langfristigkeit der Aufgaben, verbunden mit vernünftigen Ressourcen: Dann sind Schulen zu vielem bereit.

Was ihnen große Sorgen bereitet, ist: Wir müssen bei dieser neuen Art der Lehrerausbildung zwangsläufig mit den Universitäten zusammenarbeiten. Was heißt das für eine einzelne Schule, mit den Universitäten oder mit einer Universität zusammenzuarbeiten? - Eben ist schon gesagt worden: Zusammenarbeit braucht Strukturen, aber auch Personen. Und da muss manches noch entwickelt werden.

Sabine Kölpin (Studienseminar Paderborn): Das ist sicherlich richtig, dass die Schulen im Moment vor sehr vielen Herausforderungen stehen und auch, glaube ich, langsam an die Grenze ihrer Belastbarkeit kommen. Aber auf der anderen Seite stelle ich in Gesprächen mit Schulleitungen und auch mit Ausbildungslehrer/inne/n fest, dass die Schulen dankbar für die Zuweisung von Lehramtsanwärter/inne/n sind, weil sie darin eine teilweise wirklich auch Schulentwicklung, Innovation - nicht nur im Sinne von: Da kommt frischer Wind, sondern auch durch die nach den Unterrichtsbesuchen stattfindende Beratung, die sie miterleben -, eine Bereicherung ihrer Unterrichtsarbeit und auch eine Weiterentwicklung sehen. Zumindest kann ich das für die Grundschulen so sagen.

Ganz schwierig wird es aber in den Fällen, in denen man sich wirklich Gedanken darüber machen muss, ob ein/e Lehramtsanwärter/in wirklich geeignet ist. Wenn das erste Staatsexamen abgeschlossen und die jungen Menschen schon im ersten Jahr des Referendariates sind, ist das natürlich ein sehr später Zeitpunkt für solcherlei Erkenntnisse. Da fehlen den Schulen und uns selbst oft Unterstützungsmöglichkeiten.

Das ist sehr schwierig. Es wäre wünschenswert, Instrumente der Eignungsberatung eher einzuziehen als wirklich erst in der zweiten Phase der Lehrerausbildung.

Klar ist auch, dass man zeitliche und personelle Ressourcen braucht, um die Lehramtsanwärter/innen und demnächst auch Praktikant/inn/en demnächst vernünftig zu Landtag Nordrhein-Westfalen - 104 - APr 14/851

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Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (55.) sd-beh begleiten. Aber wenn das gewährleistet ist, kann das, glaube ich, in die Fläche betrachtet auch sehr viel an Schulentwicklung bringen.

Karl-Horst Ellenberg (Studienseminar für Lehrämter an Schulen, Recklinghausen): Ich will nicht das von meinem Vorredner bereits Vorgetragene wiederholen, sondern dem nur einige wenige Aspekte hinzufügen.

Frau Beer, Sie haben nach der Logik des Systems gefragt. - Die Schulen ahnen, glaube ich, noch gar nicht, was mit dem neuen Lehrerausbildungsgesetz auf sie zukommt. Insofern hat es mich gewundert, dass - wenn ich das vorhin richtig wahrgenommen habe - heute in der Anhörung nur eine einzige Schulleiterin gesessen hat.

Ich hatte erwartet, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die Schulen in diesen Prozess sehr viel stärker eingebunden wären.

Ich bestätige, dass Schulen unsere Arbeit durchaus als einen Beitrag zur Qualitätssteigerung oder Schulentwicklung wahrnehmen, möchte aber speziell aus meinem Bereich auf die sehr große Belastung kleinerer Schulen hinweisen - das kennen Sie aus dem Grundschulbereich sicher auch -: Viele Hauptschulen sind inzwischen zweizügig, manche noch nicht einmal mehr komplett zweizügig. Und wir in unserem Bereich sind gezwungen, Hauptschulen bis zu vier Lehramtsanwärter zuzuweisen. Damit sind die Kapazitäten der Ausbildungsschulen mehr als erschöpft. Ich vermag mir nicht vorzustellen, wie diese Schulen reagieren, wenn sie erfahren, dass sie auch noch drei unterschiedliche Praktikant/inn/en aus drei unterschiedlichen Phasen zu betreuen haben.

Friedrich Heemeyer (Studienseminar für Lehrämter an Schulen, Arnsberg): Die Entlastung ist eines: Es ist festgeschrieben, dass es eine Entlastung - in welcher Höhe auch immer - gibt.

Eine Möglichkeit des Aufarbeitens oder des Umgangs mit Praxis wird angeboten.

Dass die Kapazitäten insgesamt knapp sind, dass es eng wird, das ist so.

Es wird Ausbildungsbeauftragte geben können, die auch Unterstützungsangebote bekommen. Die Universität ist bereit und interessiert daran, solche Angebote zu machen. Da geht es etwa um Prinzipien des forschenden Lernens, damit die Lehrer vor Ort in der Begleitung gestärkt werden. Es wird für die Ausbildungsbeauftragten und die Ausbildungslehrer auch weitere Unterstützungsangebote durch die Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung geben müssen.

Man könnte darüber nachdenken, ob man die Lehrerfunktion Ausbilden zusätzlich in die Rahmenvorgabe einbezieht, weil das eine regelmäßige Forderung an Lehrer ist. Ich glaube, dass wir damit eine Doppelfunktion erreichen: einerseits eine Sensibilisierung für Kriterien guten Unterrichts; und über die Anwendung in den Ausbildungsprozess den Perspektivenwechsel hineinzubringen, das könnte eine weitere Anreicherung sein.

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Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (55.) sd-beh Günter Mörth (Studienseminar Aachen, Lehramt an Berufskollegs): Wenn Herr Heemeyer von Entlastungsstunden für Ausbildungszwecke spricht, meint er in der Regel die Ausbildungskoordinatoren und -koordinatorinnen; jedenfalls kenne ich das so von den Schulen im Aachener Bereich.

Es gibt aber eine ganz, ganz wichtige Gruppe von Personen in Schulen, die diese Aufgabe ohne Entlastungsstunden erbringen müssen: Das sind die Ausbildungslehrerinnen und Ausbildungslehrer. Sie müssen sich zum einen durch neue Personen in ihrem Unterricht hinterfragen lassen, wie sie selbst ihren Unterricht gestalten und wieso sie es gerade so machen. Das ist für diese Lehrerinnen und Lehrer sicherlich schon nicht ganz einfach. Diese Personen müssen außerdem Zeit finden, mit den Referendarinnen und Referendaren vorbereitend und nachbereitend deren Unterricht zu betrachten. Und es reicht nicht, wenn eine bloße Abbilddidaktik gewährleistet wird: Diese Personen müssen auch bereit sein, sich zu verändern, moderne pädagogische Erkenntnisse auch in ihren Unterricht einfließen zu lassen. Das bedeutet zumindest, dass sie regelmäßig an den Nachbesprechungen mit den Seminarvertretern teilnehmen. Auch das kostet Zeit und Kraft. Und diese Personengruppe, die ich für sehr, sehr wichtig in der Lehrerausbildung halte, hat - jedenfalls für den Berufskollegsbereich im Aachener Sprengel - keine Entlastungsstunden. Darüber sollte man vielleicht auch nachdenken. Und wenn jetzt demnächst noch so viele Praktikanten kommen, würde diese Gruppe, die ohnehin bereit ist, etwas zu tun, noch zusätzlich belastet werden.

Friedrich Heemeyer (Studienseminar für Lehrämter an Schulen, Arnsberg): Zur Klärung: Es ist ausdrücklich so, dass Ausbildungslehrer entlastet werden sollen. Der Studierende bringt Entlastung mit; in welcher Höhe auch immer. Der Beitrag der Schule während des Praxissemesters wird quantitativ dem Beitrag der Zentren für schulpraktische Ausbildung entsprechen, und beide Seiten werden gleichermaßen entlastet.

Ralph Diehm (Studienseminar für das Lehramt Sonderpädagogik): Sie hatten gefragt, was für Schule notwendig ist. - Ich möchte nicht das von den Kollegen zuvor Gesagte wiederholen. Ich denke, Schulen brauchen Motivation, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Und Motivation geht für meine Begriffe über Beteiligung, Beteiligung an Prozessen.

Bislang sind die Schulen, wenn Sie sich das Gesetz anschauen, nur Ausführende: Sie haben die Plätze zur Verfügung zu stellen, und das war es auch schon. Schauen wir uns nur einmal an, dass das Praxissemester mit einer geeigneten Prüfung und einem Bilanz- und Perspektivgespräch abschließt, und zwar an der Hochschule. Die Schule ist nicht dabei. Dabei sind es doch genau die Vertreterinnen und Vertreter, die aus der Praxis heraus exakte Aussagen hinsichtlich einer Perspektive machen und Fragen beantworten können: Ist das der richtige Beruf? Hast Du dir das wirklich genau überlegt.