Genossenschaftsbanken

Wir reden bewusst von Zielvorgaben in den Tarifverträgen, die wir als ver.di haben.

Wo leistungsorientierte Vergütung geregelt ist, ist immer die Rede von Zielvereinbarung. Zielvereinbarung heißt: Da sitzen zwei und verständigen sich auf gleicher Augenhöhe über die Frage: Wie viel wollen wir dieses Jahr erreichen? Unsere Erfahrung ist durchgängig ­ da gibt es so gut wie keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Bankengruppen ­, dass alle Beschäftigten sagen: Zielvereinbarung ist völlig abseits von der Wirklichkeit. Wir kriegen etwas vorgesetzt und haben das zu akzeptieren. ­ Das ist beispielsweise der Grund, aus dem auf der privaten Bankenseite die tariflichen Regelungen so gut wie nicht angewendet werden. Deshalb wird versucht, das Ziel über andere, in der Regel außertarifliche Anreizsysteme zu erreichen.

Im Übrigen konfrontieren uns alle Arbeitgeber in den jeweiligen Teilbranchen ­ Sparkassen, Genossenschaftsbanken und private Banken ­ seit Jahren immer wieder mit der Forderung, dass diese leistungs- und erfolgsorientierte Vergütung ausgeweitet werden muss. Die Arbeitgeber im Bankgewerbe sind 2002 das erste Mal angetreten.

Da ging es um eine 35-prozentige Absenkung der Festgehälter. Der Unterschiedsbetrag sollte sich durch Provisionen wieder ergeben.

Auch bei der Tarifrunde 2008 war die zentrale Arbeitgeberforderung im Bankenbereich Ausweitung der erfolgs- und leistungsorientierten Vergütung. Die Genossenschaftsbanken haben mit anderen Verbänden ­ nicht mit ver.di ­ im letzten Jahr einen Tarifvertrag geschlossen, bei dem fast annähernd zwei Monatsgehälter flexibilisiert, also von der Zielerreichung abhängig gemacht werden können. Die Sparkassenarbeitgeber ­ leider Gottes, muss man an der Stelle sagen ­ haben sich auch schon in der Richtung geäußert, dass sie nächstes Jahr eine Ausweitung der leistungsorientierten Vergütung verlangen werden. Da liegt natürlich ein Problem.

Die Kombination dieses Zielvorgabensystems, das wir hier beschrieben haben, und die Ausweitung der sogenannten leistungsorientierten Vergütung hätten katastrophale Auswirkungen auf die Beratungsqualität, weil dann von beiden Seiten noch richtig Druck hinzukäme. Das müssen wir als Tarifpartei natürlich regeln. Es ist unser Ansatz, da gegenzuhalten.

Abschließend zu der Frage, was man nach unserer Vorstellung ändern kann. Ich glaube: Wenn man ganz allgemein zu einer schärferen Regulierung der Kreditwirtschaft kommt und die Banken zwingt, andere Geschäftsmodelle zu fahren, gehört dazu auch, von den unsinnigen Renditezielen von 25 % und mehr Abstand zu nehmen; einige sind da ja schon auf dem Rückzug. Regelungen, die dazu führen, dass dieser Prozess entschleunigt wird, wären ein wirksamer Beitrag zum Verbraucherschutz.

Wir finden auch, dass die Verbraucherberatungsstellen und -organisationen deutlich gestärkt und ausgebaut werden müssen, weniger vielleicht durch neue Regelungsmechanismen als durch Dokumentationspflichten zum Beispiel. Wir halten das schon deshalb für einen wichtigen Punkt, weil öffentliche Kritik unserer Erfahrung nach ein 66. Sitzung (öffentlich) el wirksames Mittel ist, auch in den Instituten wieder zu einer Geschäftspolitik mit Verstand zu kommen. Deshalb fänden wir es gut, wenn Institutionen wie die Verbraucherberatungen ausgebaut und verstärkt würden.

Vorsitzende Marie-Luise Fasse: Frau Jakobs, können Sie die Aussagen von Herrn Eberle ­ in Teilbereichen ­ bestätigen?

Heidrun Jakobs: Ich kann das absolut bestätigen. Ich habe auch Kenntnis von dieser Provisionsstruktur, weiß, dass die Mitarbeiter gegängelt werden. Die Zielvorgaben sind streng. Werden sie nicht erreicht, wird mit Vorschusseinstellung usw. gedroht. Die Leute haben dann keine Existenzgrundlage mehr.

Ein großes Problem ist auch, dass die meisten nach § 84 HGB als selbstständige Handelsvertreter arbeiten, in tatsächlicher Hinsicht aber Arbeitnehmer sind und auch so behandelt werden ­ mit der Ausnahme, dass sie nicht dem arbeitnehmerrechtlichen Schutzgedanken unterstehen. Das kann ich voll und ganz bestätigen.

Ich wurde gefragt, was ich mit den Maßnahmen von unten nach oben meine. Dazu Folgendes: Wir haben den Rettungsschirm für die Banken. Den Banken wurden Milliarden zugeschustert, damit in erster Linie zunächst einmal die Boni bedient werden konnten. Sie haben von Herrn Hudel gehört, dass er Schwierigkeiten hat, seine Verluste beim Finanzamt abschreiben zu lassen. Das versteht kein Verbraucher!

(Klaus Hudel: Danke schön!)

Da müssen wir uns die Frage stellen: Wo ist der Schutzschirm für die Verbraucher?

Was ist mit demjenigen Verbraucher, der seine Immobilie mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung über Tilgungsaussetzung finanziert hat und gerade im Zuge der Krise getilgt werden soll, aber nichts mehr da ist? Wer gibt diesem Verbraucher eine Bürgschaft? Wurden die Banken veranlasst, auf Kreditkündigungen zu verzichten? In diesen Fällen bleibt nur noch die Insolvenz.

Diese Geschichten versteht kein Mensch. Das beschreibt genau das, was ich meine:

Es sind Maßnahmen von unten nach oben notwendig. Wir brauchen auch einen Schutzschirm für die Verbraucher. Die Verbraucher müssen da gestärkt werden.

Aber nicht nur das. Wir müssen auch das Selbstbewusstsein der Verbraucher stärken, damit sie sich im Kampf gegen die Banken selbstbewusst behaupten können.

Vorsitzende Marie-Luise Fasse: Das war schon fast ein gutes Schlusswort. Gibt es noch Nachfragen vonseiten der Kolleginnen und Kollegen?

Johannes Remmel (GRÜNE): Ich muss, da es so spannend ist, noch nachfragen.

Habe ich recht verstanden ­ eine Frage an Herrn Müller ­, dass die Hotline, die es gegeben hat, zum Ende des Jahres eingestellt worden ist?

(Klaus Müller: Ja!) Gäbe es Bedarf, sie weiterzuführen? Warum ist sie eingestellt worden?

Ich bin etwas hartnäckig bei der Frage Personalbemessung. Jetzt gehen wir einmal davon aus, dass es keine Forderung an das Land ist, jedenfalls nicht in erster Linie, sondern eine Forderung in dem Sinne, wie Prof. Oehler es in seinem Modell dargestellt hat. Wie kann man die Zahlen, den Dreisatz, den Sie hier aufgestellt haben, für Nordrhein-Westfalen quantifizieren? Es war die Zahl 500 für die ganze Bundesrepublik genannt worden. Wir wären mit gut 100 dabei. Wie sind da Ihre Vorstellungen, wenn man einmal idealtypisch denken würde?

Herr Reiter, Sie haben davon gesprochen, dass es andere europäische Länder gibt, in denen das für die Verbraucherinnen und Verbraucher besser geregelt ist. Welche Länder sind das? Was meinen Sie speziell damit?

Ich würde gern noch eine Frage zum Thema stellen. In der Stellungnahme des Professors von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin ­ er ist leider nicht hier ­ wird vorgeschlagen, das, was es für die Versicherungswirtschaft gibt, nämlich das Instrument der Missbrauchskontrolle und der Möglichkeiten des Eingriffs, auch bestimmte Produkte vom Markt zu nehmen, zukünftig eine Aufgabe auch der sein könnte, also jenseits der Frage des Labelings und der Verbraucherorientierung. Es war eben als Forderung genannt worden, dass es einen gesetzlichen Auftrag geben sollte, einschließlich der Frage der Risikobewertung und der Einforderung von Eigenkapitalquoten, die bestimmten Risiken hinterlegt werden sollten. Herr Prof. Oehler, ist das die richtige Adresse, die in dieser Richtung ausbauen?

Dr. Julius Reiter: Mit den anderen europäischen Ländern meinte ich erst einmal Großbritannien, was den Verbraucherschutz angeht. Da gibt es die FSA. Einerseits ist die Solvenzaufsicht ein Thema bei der englischen Aufsicht, aber auch der Fairdeal mit dem Verbraucher. Der Verbraucherschutz ist gleichwertig neben die Solvenzaufsicht gestellt. Das ist ein eindeutiger Vorteil. Es gibt auch diese Woodstocks ­ da kennt sich Herr Müller besser aus und wird sicherlich noch etwas dazu sagen ­, davon können wir durchaus lernen.

Die hat im Bankenbereich, im Wertpapierhandel und im Bankenwesen nicht den Verbraucherschutz zum Ziel. Bei der Versicherungsaufsicht ist der Verbraucherschutz zumindest als Ziel formuliert. Wir brauchen dringend vonseiten des Gesetzgebers eine Harmonisierung der Aufsichtsziele. Wie gesagt: Dies ist ein Webfehler bei der Zusammenlegung der verschiedenen Aufsichten in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Ich möchte noch ein Wort zur Vermittlerqualifikation sagen. Wir haben sozusagen gelernt, dass die freien Vermittler ausbildungsmäßig so gut wie nichts brauchen. Das ist ein dickes Problem. Es gibt Bereiche, in denen das anders ist. Wenn ich beispielsweise Brötchen verkaufen will, brauche ich einen Bäcker-Meisterbrief. Wenn ich in Deutschland Kapitalanlagen in Millionenhöhe vermittle, brauche ich aber weder einen Schulabschluss noch eine berufliche Qualifikation, geschweige denn eine Berufshaftpflichtversicherung.