Die Politik schiebt ein ungelöstes strukturelles Problem vor

Schulgesetz so veränderte Parameter, dass die Bildung kleiner Klassen möglich wird? Und wie viele Stellen macht es eigentlich aus, dass für kleine Klassen Lehrer zur Verfügung gestellt werden müssen, die woanders fehlen?

Zweitens. Die Politik schiebt ein ungelöstes strukturelles Problem vor. Damit bin ich bei den Stellen, die fehlen; eben ging es um die Lehrer, die fehlen. Es sind Stellen tatsächlich nicht vorhanden. Sie kommen in der Unterrichtsplanung einfach nicht vor.

Das können Sie auch im „Bericht zur Unterrichtsversorgung" nachlesen. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Kienbaum-Lücke in Höhe von 4.260 Stellen. Kienbaum hat ja nicht etwa davon gesprochen, dass die Schulen zusätzliche Lehrer brauchen. Vielmehr hat Kienbaum einen Anpassungsbedarf beschrieben. Diesen Anpassungsbedarf, der gegenwärtig über 4.000 Stellen ausmacht, schieben Sie weiter vor sich her. Das Problem ist nicht gelöst. Man muss also klar festhalten: Diese Stellen fehlen dem System und werden im System kompensiert.

Als Fazit stelle ich fest ­ dabei belasse ich es dann ­: Wir brauchen eine Stellenzuweisung, die den tatsächlichen Bedarf einer Schule berücksichtigt. Die Parameter, die die Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 Schulgesetz benennt, reichen nicht. Sie sind nicht passgenau für eine Schule. Wir brauchen eine deutliche Erhöhung der Anrechnungsstunden; denn Unterricht ist mehr als die Ableistung der Pflichtstundenzahl. Außerdem ist eine deutliche Verringerung der Klassenhöchstfrequenzen notwendig.

Da ich hier Herrn Winands von der Landesregierung sehe, möchte ich an ihn gerichtet noch Folgendes sagen: Ich behaupte weiterhin, dass die vorhandenen Stellen nicht im System sind und dass es nicht geschafft wird, die von der Landesregierung propagierten pädagogischen Maßnahmen mit den Demografiegewinnen und den Neueinstellungen in einem ausreichenden Maße zu bedienen. Darüber hinaus fehlen auch Stellen.

Prof. Dr. Hermann Hansis (Europäische Fachhochschule Brühl / Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen NRW): Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das meiste ist bereits gesagt worden. Ich unterstreiche gerne ­ auch für den Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen NRW ­ die Aussagen zur Altersteilzeit und zum Begriff Leitungszeit.

Als Vertreter von Berufskollegs bleibt man aber natürlich wieder an der KienbaumLücke hängen. Hier besteht rechnerisch eindeutig ein Defizit ­ das dieses Jahr übrigens volljährig wird. Vor 18 Jahren ist es zum ersten Mal dokumentiert worden. Auch Volljährige sollte man nicht unbedingt einfach laufen lassen. Vielleicht muss man doch etwas daran tun.

Natürlich könnte man argumentieren, die Berufskollegs hätten mittlerweile gelernt, damit zu wirtschaften; schon zu Kienbaums Zeiten konnten sie das ja einigermaßen; daher könne es nicht so dramatisch sein. Man könnte sogar ins Positive gewendet sagen: Die 4.000 zusätzlichen Stellen gegen Unterrichtsausfall und für individuelle Förderung hätte man verwenden können, um die Kienbaum-Lücke weitgehend zu schließen; dann wäre das Thema vom Tisch gewesen.

Bei den Berufskollegs ist das aber nicht proportional angekommen, um es einmal so auszudrücken. Es waren knapp 300 Stellen ­ die vor dem Hintergrund der Situation, an die man sich personalwirtschaftlich gewöhnt hat, allerdings schon als leichte Entspannung wirkten. Sofern man seine Stellen besetzen konnte, konnte man das so feststellen.

Unser größeres Problem ist ein über die Kienbaum-Lücke hinausgehendes zusätzliches Prognoseproblem, das hier noch nicht angesprochen worden ist. In Bezug auf Berufskollegs ist es zugegebenermaßen besonders schwierig, das Prognoseproblem zu lösen. Wir haben die Korrekturen bei den Planungen für 2009 gesehen. Die Planungen erfolgten zunächst auf der Basis von 2007 und dann auf der Basis von 2008.

Dabei wurden die Prognosen zu stark abgesenkt. Im laufenden Einstellungsverfahren musste daher wieder nachgesteuert werden. Teilweise ist das auch gelungen.

Das zeigt uns aber deutlich, wie prekär die Situation ist, sobald die Prognosen nicht stimmen oder wirtschaftliche Entwicklungen eintreten, die man zumindest zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushalts so noch nicht abschätzen konnte.

Mit diesem Hinweis verbinde ich die Bitte, auf dem Gebiet der Berufskollegs die Prognoseeinschätzungen etwas großzügiger zu handhaben und eine sich bietende Gelegenheit zur Absenkung der Zahlen nicht gleich zu nutzen; denn die Lage ist in der Tat angespannt. Die Kienbaum-Lücke ist hier absolut und auch relativ auf das Kapitel bezogen die größte. Daher gibt es nicht mehr sonderlich viel Spielraum für Prognosefehler. Zum Zeitpunkt der Schätzung sind das natürlich keine echten Fehler. Es wäre aber wünschenswert, den Prognosekorridor hier etwas offener zu halten

­ und zwar nicht nur für aktuelle Haushaltsplanungen, sondern auch in Bezug auf Planungen und Aussagen zum Lehrerarbeitsmarkt.

Was in diesem Zusammenhang derzeit noch im Internet steht, muss gründlich revidiert werden. Es macht uns Sorge, wenn solche Dinge, von denen wir mittlerweile wissen, dass sie nicht mehr stimmen, noch lange im Raume stehen.

Unser größeres Anliegen, das ich in meinen heutigen Vortrag einbinden möchte, ist also die Bitte, noch intensiver an der Prognoseerstellung zu arbeiten, auch im Zusammenspiel mit der Praxis, also mit den Schulen vor Ort und den Vertretern der Bezirksregierungen, um mit den Prognosen vielleicht etwas näher an den tatsächlichen Bedarfen zu liegen. Das wäre schon eine Hilfe.

Josef Pohl (Elternrat Hauptschulen NRW): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Sorge betrachten wir vom Elternrat Hauptschulen NRW, dass die Zahl der Regelstunden der Schülerinnen und Schüler in der allgemeinen Tendenz steigend ist. Wir sind glücklich, dass in den Hauptschulen unseres Landes gleichwohl der Unterricht in den Fächern Englisch und Mathematik der jeweiligen Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler entsprechend differenziert durchgeführt wird. Auch besonders handlungsorientierter Unterricht in den berufs vorbereitenden Fächern Werken, Technik und Kunst lockern den Unterrichtsablauf neben Sport und Schwimmen motivierend auf.

Nach Winnenden und dem vereitelten Brandanschlag von Sankt Augustin sind aber auch wir aufgerüttelt. Warum definiert sich Schule in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler als Feindbild? Hat die praktizierte Pädagogik das Wesen der Kinder aus den Augen verloren?

Wir wünschen uns eine weniger kognitive und mehr ganzheitliche Unterrichtsgestaltung, in der Jungen und Mädchen gleichermaßen am pädagogischen Erfolg partizipieren können.

Rixa Borns (Matthias-Claudius-Schule, Münster): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! In meiner schriftlichen Stellungnahme habe ich die Situation in den Grundschulen bereits geschildert. Lassen Sie mich hier darstellen, was von den zur Verfügung stehenden Stellen eigentlich unten ankommt. Gerade für die Grundschulen ist das nur sehr schwierig deutlich zu machen; denn die Unterschiede im Land sind sehr groß, sowohl zwischen den Städten als auch zwischen städtischen Regionen und ländlichen Regionen als auch zwischen den verschiedenen Landesteilen.

Hier gibt es unterschiedliche Versorgungsgrade. Ich habe eben die Ausführungen von Herrn Großmann zur Problematik der Versorgung bestimmter Kreise vernommen. Ähnliche Probleme haben wir an den Grundschulen. In der Tat gibt es Regionen, in die niemand gehen möchte. Dadurch verschärft sich dort die Situation.

Wie Frau Clermont bereits angesprochen hat, entspricht die Klassenbildung im Grundschulbereich ­ eigentlich schon seit Jahrzehnten; das Ganze verstärkt sich aber immer mehr ­ nicht den gewünschten durchschnittlichen Klassengrößen. So haben wir immer mehr kleine Klassen. Das hat etwas mit dem Schülerrückgang zu tun ­ aber auch damit, dass Eltern infolge der Aufhebung der Schulbezirke jetzt die Schulen unterschiedlich stark anwählen. Dadurch kommen wir in die merkwürdige Situation, dass gerade die ­ in Anführungsstrichen ­ „beliebten" Schulen Riesenklassen haben. Noch gestern hat mir ein Schulleiter erzählt, dass Eltern versuchen, einzuklagen, dass ihr Kind seine Schule besuchen kann, weil er bei 90 Kindern für drei Klassen Schluss machen und diesen Schüler ablehnen musste. Andererseits gibt es in dem gleichen Gebiet Klassen, die nur 16, 17 oder 18 Schüler haben. Daher ist die Schüler-Lehrer-Relation sehr unterschiedlich verteilt.

Weil die Stellenzuweisung jedenfalls bei den Grundschulen immer zuerst pro Schulamt erfolgt und dann heruntergerechnet wird, um zumindest zu versuchen, dass in allen Schulen die Stundentafel erfüllt werden kann, erleben wir im Augenblick auch, dass die im Haushalt vorhandenen zusätzlichen Stellen dabei schon mit eingerechnet werden. In ganz vielen Regionen wird das, was uns eigentlich als Vertretungsreserve zur Verfügung stehen soll, schon zu Beginn des Schuljahres dem Grundbedarf zugeschlagen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen der Vertretungsreserve nicht teilweise schon Klassenleitungen im ersten Schuljahr übernähmen, könnte man dort gar nicht richtig in das Schuljahr starten, weil einfach nicht genug Personal zur Verfügung steht.