Gastgewerbe

Wäre das nicht der Fall, diskutierten wir nicht über Nichtraucherschutz, sondern über die Frage: Darf man sich selber Schaden zufügen oder darf man das nicht tun? ­ Insoweit ist uns das Thema „illegale Drogen" bekannt: Da untersagen wir den Konsum.

Aber das ist hier ja nicht der Punkt.

Klaus Hübenthal (DEHOGA Nordrhein-Westfalen e. V.): Ich gebe gerne ein persönliches Bekenntnis ab ­ ich habe das auch bei der ersten Anhörung getan ­: Ich bin ein ehemaliger Raucher, habe das Rauchen aber nach dem ersten, spätestens nach dem zweiten Staatsexamen ­ aus persönlicher Erkenntnis ­ komplett eingestellt.

Hinter dem Komplex „Rauchen oder Nichtrauchen" verbirgt sich sicherlich auch eine gesellschaftliche Aufgabe; denn wir versuchen ja alle, eine gute Gesellschaft zu gestalten. Aber ­ das klang an mehreren Stellen durch ­ wir können nicht alles regeln.

Wir müssen Leitplanken aufstellen. Das hat ja auch das Bundesverfassungsgericht getan. Aber Leitplanken vorgeben kann man nicht allein durch Gesetzgebung und Vollzug, sondern es muss in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess geschehen.

Da ich Jurist bin, muss ich die Frage, ob der Süchtige noch ein mündiger Bürger ist, bejahen: Er ist es ­ zumindest so lange, wie er nicht entsprechend durch Richterspruch anderweitig zugewiesen ist. Er hat auch nach wie vor ­ das kann man bedauern ­ das Recht zur Selbstschädigung.

Herr Henke, Sie fragten, ob er auch andere schädigen dürfe. Da gibt es ­ das ist völlig klar ­ natürlich eine Differenzierung. Hier ist schon die klare Deklarierung erwähnt worden. Diese ist durch das Gesetz ­ auf den Vollzug komme ich noch zu sprechen

­ gegeben. Subsumiert man sauber unter die gesetzlichen Regelungen, ist die Differenzierung gar nicht so schwierig.

Die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers lautet: Nichtraucherschutz. Davon lässt der Gesetzgeber dann Ausnahmen zu. Ich spiele es einmal der Reihe nach durch.

Eine Möglichkeit der Ausnahme ist der Raucherclub, die zweite die sogenannte Raucherkneipe. Ansonsten muss ein Gastwirt einen Nichtraucherraum vorhalten. ­ Diese Regelungen sind meines Erachtens relativ übersichtlich.

Aber müssen wir die Frage ­ es ist hier auch wieder Grundsätzliches angesprochen worden ­, ob wir Deutschland rauchfreier und gesünder machen wollen, über die Kneipen entscheiden? Ich denke, der Wirt ist jemand, der ein bisschen auch Heimat bietet. Kommunikation ist ohnehin stark abgebröckelt, aber in den Kneipen gibt es sie noch. Wollen wir dieses Abbröckeln noch beschleunigen?

Herr Dr. Romberg, Sie fragten, wie die Verhältnisse zuvor waren. Es gab ursprünglich eine Handvoll reine Nichtraucherbetriebe. Ihr Marktanteil beträgt jetzt 25 %. Das ist eine ganz fundamentale Veränderung.

Was die Durchmischung betrifft, sind unterschiedliche Stadien zu verzeichnen.

Rauchfreiheit in Teilbereichen von Betrieben ­ in Frühstücksbereichen von Hotels, auf bestimmten Etagen oder Zimmern ­ gab es früher auch schon. Und wir hatten des Weiteren Betriebe, die innerhalb des Raumes Separierungen vorgenommen haben. Jetzt ist laut Gesetz eine Separierung nach Räumen erforderlich und gegeben.

Auch das bewerte ich als nachhaltige Verbesserung im Sinne des Nichtraucherschutzes.

Frau Steffens, Sie zielten in die Richtung, ob der DEHOGA mit dem, was er hat, zufrieden sei. Richtig zufrieden sind wir wahrscheinlich alle erst, wenn wir im Himmel sind. Vorher leben wir hier immer mit irgendwelchen Kompromissen und der Kluft zwischen dem, was sich jeder wünscht, was er für seine Klientel, was er für sich persönlich als sinnvoll ansieht, und dem, was politisch machbar ist.

Ist der Club die richtige Lösung? Der Club ist ein Teil der Lösung. Und insofern ist er auch richtig. Denn der Club erfüllt ein Bedürfnis. Würde er kein Bedürfnis erfüllen, würde der Wirt sehr schnell etwas anderes draußen deklarieren.

Herr Krause, Sie haben sich ja eben als Betriebsberater des Gastgewerbes geoutet:

Ich denke, Sie sollten ein Geschäft daraus machen und gucken, ob das in der Tat ein Konzept ist, das funktioniert. Unsere Erfahrung ist einfach die, dass dort, wo das Konzept entsprechend umgestellt worden ist, diese Zuwächse nicht in dem von Ihnen beschriebenen Maße eingetreten sind. Die Frage einer Bürgschaft hat sich bei Opel und vielen anderen gestellt. Wer wäre denn bereit, diese Bürgschaft zu hinterlegen für den Fall, dass es zu einer Lösung wie der von Herrn Krause käme, um dann einzusteigen und den Wirten zu helfen?

Es kam eben eine Bemerkung zu den prekären Arbeitsverhältnissen im Gastgewerbe. Wir reden in dem Bereich alleine in Nordrhein-Westfalen von 180.000 Beschäftigten. Da sollte man nicht einfach grob von prekären Arbeitsverhältnissen sprechen, sondern damit sollte man sich entsprechend auseinandersetzen.

Frau Steffens, raumbezogene oder situationsbezogene Lösungen sind ein Teil der Gesamtlösung, die wir haben. Die mag dem einen oder anderen zu kompliziert sein.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Warum muss beides sein? Das war die Frage!)

­ Der DEHOGA hat ja auch mal etwas anderes gefordert. ­ Im Jahr 2010 gibt es einen Erfahrungsbericht. Den sollten wir uns dann anschauen.

Auch wir können uns im Sinne unserer Unternehmen noch anderes vorstellen. Wir haben jetzt eine Lösung, die die Entscheidung, die Werte des Bundesverfassungsgerichts aufgreift. Daraus hat man nun eine Gesamtlösung gemacht. Vielleicht gibt es elegantere Lösungen. Aber möglicherweise streiten wir uns dann noch viel länger.

Und dann hat hinterher niemand etwas davon. Meine Betriebe wissen nicht, was sie machen müssen. Im Sinne des Nichtraucherschutzgesetzes sind wir keinen Schritt weitergekommen. Und wir streiten uns dann noch monatelang im Parlament oder an anderer Stelle über die Lösungen.

Es wurde gefragt, wie es mit Gesetzen ist, die vor Ort interpretiert werden. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass das Interpretationsbedürfnis ein Teil dieses Problems, auch des gerichtlichen Problems ist. Im Rahmen der Anhörung fiel die Bemerkung, ob das noch Nichtraucherschutz ist. Wenn die Behörden, die mit der Vollstre ckung beauftragt sind, selbst fragen, ob das genug Nichtraucherschutz ist, dann kommt man natürlich in einen Konflikt. Die Frage, wie viel Nichtraucherschutz man macht, muss der Gesetzgeber beantworten.

Ferner wurde gefragt, wie das mit den Beschäftigten aussieht. Die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Gaststättengesetzes liegt bei den Ländern. Das gilt nicht für den Bereich der Beschäftigten. Eine solche Regelung, egal mit welchem Ergebnis, liegt nicht in der Gesetzgebungskompetenz dieses Gesetzgebers. Deshalb würde das möglicherweise auch beim Verfassungsgericht landen.

Im Übrigen gibt es auch einen anderen Erfahrungswert, nämlich dass nirgendwo so viele Arbeitnehmer rauchen wie im Gastgewerbe. Man muss nicht alles regeln. Seien Sie sicher: Es gibt auch Unternehmer, die ein Gespür für ihre Mitarbeiter haben und denen Einsätze anbieten, die ihren Bedürfnissen und ihrem Vermögen entsprechen.

Wenn sich jemand in einer typischen Eckkneipe bewirbt, die im Rahmen der neuen Regelung 75 m² hat ­ das Bundesverfassungsgericht hat von 75 m² gastbezogener Fläche gesprochen ­, dann weiß der Arbeitnehmer, worauf er sich einlässt.

Jürgen Witt (Verband Rheinisch-Westfälischer Brauereien e. V.): Herr Hübenthal hat eigentlich schon alles gesagt. Da wir auch mittelbar Betroffene sind, kann und will ich mich dem anschließen.

Gewundert hat mich ein bisschen das Vollzugsdefizit ­ das kann ich aber verstehen ­, das immer wieder angeführt wird und für einfache Regeln, nämlich Schwarz-Weiß, stehen würde. Wir haben diese Schwierigkeiten im Vollzug auch bei anderen Gesetzen, bei anderen Regelungen. Das ist immer wieder gleich. Ich meine, dem müssen wir uns stellen. Wir müssen uns auch dem stellen, dass die eine oder andere Entscheidung, die auf dem Vollzugswege getroffen wird, von einem Gericht überprüft wird. Das ist unsere Rechtsstaatlichkeit, die wir hier in Deutschland haben, und die gilt natürlich auch für die Gesetze, die hier gemacht werden.

Im Großen und Ganzen bin ich nach wie vor der Auffassung, dass wir uns nicht zu sehr reglementieren sollten. Wir müssen uns auch Freiheit bewahren und den einzelnen entscheiden lassen. Am Anfang waren der DEHOGA und wir für die Wahlfreiheit. Dann war die Deklaration klar: Hier gibt es ein Raucherlokal. Hier gibt es ein Nichtraucherlokal. Hier gibt es getrennte Räumlichkeiten. ­ Dann wäre das sehr einfach zu handhaben und auch zu überprüfen. Wir haben ja auch im Jugendschutz ­ der wurde gerade angesprochen ­ das eine oder andere Vollzugsdefizit. Im Rahmen der Alkoholpolitik müssen wir uns damit ja auseinandersetzen. Diese Dinge sind schwierig, aber wir dürfen uns vor diesen Schwierigkeiten nicht einfach wegducken, sondern wir müssen sie angehen. Wir können nicht alles verbieten und meinen, damit ist alles klar. Denn wenn es so einfach wäre, dann müssten Sie das Rauchen insgesamt in Deutschland verbieten. Dann hätten Sie alles erschlagen.

Ute Mons (Deutsches Krebsforschungszentrum, WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle, Stabsstelle Krebsprävention): Die erste Frage wurde zum Rauchstatus gestellt.