Wir dürften uns darin einig sein dass der Justizvollzug nicht krank machen darf

Da der Fragebogen ganz konkrete Umstände aus dem Justizvollzug abfragt, dürfte die Übersetzung in geeignete Handlungsschritte leicht fallen. Die Anstalten können zur Begleitung der dann erforderlichen Veränderungsprozesse auf eine von mir ins Leben gerufene Projektgruppe Gesundheitsförderung und auf die interne Organisationsberatung zurückgreifen. Maßnahmen können an ganz unterschiedlichen Stellen ansetzen: Sie reichen von baulichen Veränderungen über Führungskräftetrainings bis hin zu konkreter Gesundheitsförderung. Das, was mein Haus dazu beitragen kann, wird getan.

Wir dürften uns darin einig sein, dass der Justizvollzug nicht krank machen darf. In dem Bestreben um einen in diesem Sinne gesunden Justizvollzug dürfen wir nicht nachlassen. Ich freue mich aber auch über eine kleine positive Veränderung: So betrug die durchschnittliche Krankenquote im allgemeinen Vollzugsdienst im April dieses Jahres 9,53 %; im April 2008 waren es noch 10,9 %. Ich denke, das ist ein erster kleiner Schritt. Diesen Weg muss man weitergehen.

Sehr ernst nehme ich die Ausführungen des Ombudsmannes zur Situation der Anwärter und Berufsanfänger. Auch an diesem Thema ist mein Haus dran. Fehlentscheidungen bei der Bewerberauswahl sollen unter anderem durch eine Neuregelung der Eignungsfeststellung minimiert werden.

Die zum 1. Juli in Kraft tretende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Laufbahnen des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes hat eine Optimierung der Ausbildung zum Ziel. Der Praxisanleitung muss ­ ebenso wie der bereits hoch qualifizierten Ausbildungsleitung ­ das besondere Augenmerk der Anstaltsleitungen gelten. Personalentwicklungsinstrumente werden verstärkt zum Einsatz kommen müssen. Das kostet Zeit; aber ich denke, der damit verbundene Zeitaufwand ist gut angelegt.

Damit komme ich zum dritten Punkt, der Vollzugslockerung und der Dauer der Entscheidungen. Wie auch Hafturlaube und Verlegungen in den offenen Vollzug sind Vollzugslockerungen wichtige Entscheidungen, die in Vollzugskonferenzen vorbereitet und in der Verantwortung der jeweiligen Anstalt getroffen werden. Die befürwortende Anstaltsentscheidung bei jeder Erstlockerung von zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Strafgefangenen wie auch bei Sicherungsverwahrten bedarf der Zustimmung meines Hauses.

Die Bearbeitung ist in den vorgelegten, oftmals schwierigen Fällen mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Von daher kann es auch nicht überraschen, dass die zeitintensive Bearbeitung dieser Verfahren bisweilen Beschwerden nach sich zieht und als ein Themenschwerpunkt im Bericht des Ombudsmannes benannt wird.

Ich möchte an dieser Stelle einige Daten nennen: Die Auswertung der von 2008 bis Ende April 2009 anhängigen Verfahren ergab, dass 51 Fälle abgeschlossen werden konnten. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer betrug 6,55 Monate. In 24 Fällen lag die Bearbeitungszeit unter sechs Monaten; in 15 Fällen dauerte das Zustimmungsverfahren zwischen sechs und zwölf Monate. In zwölf Fällen betrug die Bearbeitungszeit mehr als zwölf Monate. Das zeitlich längste Verfahren dauer te rund 17 Monate. In diesem Fall eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Strafgefangenen musste die weitere vollzugsplanerische Gestaltung im Dialog mit der Anstalt mehrfach modifiziert werden.

Maßnahmen zur weiteren Optimierung des Zustimmungsverfahrens sind ergriffen worden. So wurde zur Beschleunigung des Zustimmungsprozesses die Zahl der Bearbeiter deutlich erhöht. Für zwei Referatsleitungen bereiten jetzt sechs Bearbeiter sowie zwei psychologische Fachreferenten mit unterschiedlichen Stellenanteilen die Verfahren vor. Von dieser, seit Februar 2009 eingeführten Praxis verspreche ich mir eine deutliche Entschärfung der Situation.

Soweit externe Gutachter zur Entscheidungsfindung hinzugezogen werden müssen, werden mit diesen auch Vereinbarungen zur zeitlichen Vorlage besprochen.

Derzeit werden insgesamt neun Sachverständige angesprochen, die ausgewiesene Fachleute auf dem Gebiet der forensischen Prognostik sind und die vollzuglichen Verhältnisse gut kennen. Die betrauten Sachverständigen sind um eine Erledigung in angemessener Zeit bemüht. Fachliche Erfordernisse lassen jedoch eine starre zeitliche Vorgabe nicht zu, wohl aber eine Zwischennachricht, falls sich Verzögerungen ergeben. Dafür werden wir künftig sorgen.

Bei all den Anstrengungen darf eines aber nicht vergessen werden: Das Zustimmungsverfahren wird trotz der damit verbundenen erheblichen Arbeitsbelastung schon aus Gründen der Qualitätssicherung auch in Zukunft nicht verzichtbar sein.

Ich bin aber zuversichtlich, dass sich bei vorausschauender Vollzugsplanung, zu der die Anstalten angehalten sind, für die Betroffenen ganz überwiegend auch keine unzumutbaren Probleme bei einer längeren Bearbeitungsdauer ergeben werden. Die wesentliche Behandlungsarbeit zur Reduzierung der bei der Tat erkennbar gewordenen Gefährlichkeit der Gefangenen muss und wird schon vor der Vorlage des Falles geleistet worden sein.

Das Zustimmungserfordernis des Ministeriums bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten wird bundeseinheitlich so gehandhabt. Aus Gründen der Qualitätssicherung können wir gerade in diesen schwierigen Fällen nicht darauf verzichten.

Bevor ich jetzt das Wort an den Ombudsmann weitergebe, möchte ich das Fazit des Berichts in Erinnerung rufen: Der Vollzug ist besser als sein Ruf.

Ombudsmann für den Justizvollzug NRW Direktor des AG a. D. Rolf Söhnchen, führt aus:

In dem Bericht steht nach meiner Erinnerung: Es besteht kein Grund zur Larmoyanz und zum Pessimismus, aber auch kein Grund dazu, die Hände in den Schoß zu legen. Dazu stehe ich; das werde ich gleich noch begründen.

Ich möchte mir ersparen, den Bericht im Einzelnen zu wiederholen; die Dinge sind nachzulesen. Ich möchte Ihnen aber nicht einige grundsätzliche Bemerkungen nach zwei Jahren Tätigkeit ersparen und würde mich freuen, wenn dazu die eine oder andere Nachfrage von Ihnen käme.

Der Kabarettist Werner Schneyder hat einmal auf die Frage, was er denn verändern oder bewirken könne, gesagt, er könne überhaupt nichts verändern oder bewirken, er könne nur etwas anstoßen. Diese Antwort hätte ich auf eine vergleichbare Frage nach meiner Tätigkeit und Funktion auch geben können. Ich würde sie allerdings um einige Punkte ergänzen: Ich kann vergleichen, fragen, berichten und nachfragen.

Zu vergleichen ist deswegen eine wichtige Funktion dieses Amtes, weil ich 37 Anstalten nebeneinander sehe. Außer mir macht das noch eine ganze Reihe von Bediensteten, die herumkommen, sowie eine ganze Reihe von Gefangenen, die nämlich auch herumkommen. Sie stellen dasselbe fest wie ich: Es gibt Unterschiede. Manchmal sind die Unterschiede leicht erkennbar, erklärbar und unvermeidbar, aber nicht immer. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Worum geht es den meisten Gefangenen wie auch den meisten Bediensteten?

Zwei Dinge von großem Belang kommen immer wieder vor. Das eine ist der innere Frieden der Anstalt. Das kann man als „S und O" bezeichnen; das ist allerdings wenig empathisch. Es geht für die Leute, die zum Teil jahrelang in einer Anstalt sitzen, sowie für die Bediensteten eigentlich um etwas mehr, als nur darum, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Das alleine wäre zu wenig.

Die Antwort auf die Frage, was den inneren Frieden ausmache, hängt im Groben an zwei Dingen: zum einen an den allgemeinen Rahmenbedingungen und zum anderen an sehr individuellen Bedingungen. Dementsprechend konzentrieren sich die Beschwerden, Wünsche und Anregungen auf diese beiden Punkte. Rahmenbedingungen sind etwa die Unterbringung sowie immerwährend das Essen, die Kleidung, der Einkauf, die ärztliche Versorgung, die Arbeit, die Arbeitsmöglichkeiten und die Freizeitangebote. Das sind durchgängige Probleme.

Nehmen Sie beliebige Punkte heraus und vergleichen Sie, wie ich eingangs sagte, die Anstalten miteinander. Dabei stoßen Sie auf Unterschiede. Ich will ein Beispiel erwähnen, das mir erst gestern wieder genannt worden ist und das für jeden nachvollziehbar ist; ich habe es auch im Bericht aufgeführt.

Es gibt Anstalten, in denen die Leute ­ vorsichtig und etwas salopp gesagt ­ vergleichsweise schlunzig herumlaufen. Es gibt andere Anstalten, in denen sie etwas ordentlicher herumlaufen. Bei näherem Hinsehen verfügen die Ordentlicheren über ein Nummernsystem. Die Unordentlicheren landen auch ab und zu in der Unterhose, die vorher ein anderer getragen hat. In der einen Anstalt wird die Wäsche nummeriert, sodass sie nach der Reinigung derjenige zurückerhält, der sie vorher getragen hat. In der anderen Anstalt werden hinterher beliebige Dinge angeboten.

Die Größe reicht dabei von Ballon bis zu eng.

Für jeden von uns ist nachvollziehbar, dass wir ungern in anderen Unterhosen landen würden. Die Frage, ob eine Nummerierung überall möglich ist, kann ich nicht beantworten. Aber dieser Punkt ist angesprochen worden. Mir persönlich leuchtet er ohne Weiteres ein.