Strafvollzug

Deshalb kann man aber nicht allgemein fordern, jeden, der hereinkommt, zu durchsuchen.

LRD Michael Thewalt (Justizvollzugsanstalt Köln): Ich möchte etwas zu den Paketen, zu den körperlichen Durchsuchungen, zum Einsatz von Videotechnik und von Mobilfunkblockern sagen.

Zu den Paketen: Die Feile im Kuchen ist nicht unser Problem. Das gibt es zunehmend weniger, bzw. das spielt eigentlich keine Rolle. Das riesige Problem ist ganz eindeutig der Versuch des Einschmuggelns von Drogen in Paketen. Sie glauben gar nicht, wie erfinderisch Paketabsender sind, die den Gefangenen Pakete zuschicken wollen. Wir sind nicht sicher, dass sogenannte originalverpackte Lebensmittel tatsächlich originalverpackt sind. Wir haben dabei einen ganz erheblichen Kontrollaufwand und können noch nicht einmal sicher sein, dass wir alle verbotenen Gegenstände und insbesondere Drogen finden, obwohl schon eine ganze Reihe von Lebensmitteln ohnehin nicht mehr zugelassen ist wie nicht originalverpackte Dinge, Frischwaren usw.

Das ist ein Problem für uns. Ich war sehr gespannt auf die Reaktion unserer weiblichen Jugendlichen, die sich bei uns in Strafhaft befinden und die nach dem Jugendstrafvollzugsgesetz behandelt werden. Entgegen unseren Befürchtungen hat das Thema „Keine Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln" nicht zu Problemen geführt.

Ich hatte vorhin schon gesagt, dass man einen recht guten Kompromiss eingehen kann, indem wir den Angehörigen die Möglichkeit geben, ersatzweise zum Paket mit Nahrungs- und Genussmitteln ihren einsitzenden Familienmitgliedern Geld einzuzahlen, sodass sie davon einen sogenannten Ersatzeinkauf bei uns in der Anstalt tätigen können. Ich halte das für einen guten Kompromiss. Einerseits haben wir damit den berechtigten Interessen der Gefangenen und andererseits den Sicherheitsbedürfnissen der Anstalt Rechnung getragen.

Körperliche Durchsuchungen, sogenannte Nacktuntersuchungen, finde ich ähnlich bedenklich wie die anderen Sachverständigen im Hinblick auf die einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Auch wenn ich aus meiner Sicht natürlich mit dieser Vorschrift in der jetzigen Fassung eine weitgehende Ermächtigung habe, die Untersuchung anzuordnen, würde ich es nicht tun ­ jedenfalls nicht in dieser Weite. Ich habe bisher zum Beispiel keine Anordnungen getroffen, dass Gefangene vor und nach jedem Besuch bzw. vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt zu entkleiden sind.

Kritisch sind in der Tat die Neuzugänge. Die Anzahl der Zugänge ist in den Untersuchungshaftanstalten erheblich. Ich habe pro Tag 30 bis 40 Neuzugänge. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es gar keinen Unterschied darstellt, ob wir einen Akademiker oder einen Junkie als Zugang bekommen, der gerade von der Straße weg verhaftet worden ist. Den Versuch, verbotene Gegenstände als Zugang einzubringen, können wir fast durchweg bei allen Zugängen feststellen, sodass schon ein sachliches Bedürfnis besteht, eine allgemeine Anordnung bezüglich der körperlichen Durchsuchung zu treffen. Aber ich sehe durchaus die Bedenken im Lichte der Recht sprechung des Bundesverfassungsgerichts. Bei Ihnen, Herr Dr. Orth, ist schon angeklungen, dass man den Entwurf nachbessern müsste. Das fände ich in Ordnung.

Das nächste Thema ist der Einsatz von Videoüberwachungstechnik. Das ist für die Gefangenen eine erheblich einschneidende und belastende Maßnahme. Die Kameras sind derzeit bei mir ­ das weiß ich auch von anderen Anstalten ­ ausschließlich in besonders gesicherten Hafträumen eingesetzt, also in den sogenannten B-Zellen.

Da ist das durchaus sinnvoll, auch wenn sie für die Inhaftierten belastend sind. Aber stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Ich habe einen Gefangenen, der akut und extrem suizidgefährdet ist, in einem solchen gesicherten Haftraum untergebracht. Mit der Kameraüberwachung habe ich ihn ganz gut im Blick und kann sehen, wenn er mit dem Kopf gegen die Wand läuft. Wenn ich keine Kameras hätte, müsste ich diese Gefangenen zum Eigenschutz in diesen besonders gesicherten Hafträumen fixieren. Das halte ich in einer solchen extremen Situation für noch belastender für die Gefangenen.

Über die besonders gesicherten Hafträume hinaus würde ich mich dafür aussprechen, von dieser Ermächtigung zurückhaltend Gebrauch zu machen. Ich würde zum Beispiel nicht alle suizidgefährdeten Gefangenen, die jetzt einer sogenannten 15minütigen Beobachtung unterliegen, durch Videokameras überwachen lassen. Dann stellt sich die Frage, zu welchen Zeiten man eine solche Kamera ein- oder abschaltet.

Ich halte Kameras über die besonders gesicherten Hafträume hinaus für erforderlich, wenn wir es mit extrem gefährlichen und gewaltbereiten Gefangenen zu tun haben.

Der Gefangenen Zocha, der Ihnen bekannt sein dürfte, sitzt bei mir ein. Der Mann ist gefährlich. Wir haben weitere Inhaftierte, die ­ etwas vereinfacht ­ richtige Kaliber sind, was Gewalttätigkeit angeht. Dabei handelt es sich vor allen Dingen um Gefangene, die aufgrund psychiatrischer Auffälligkeit absolut unberechenbar sind und auf der anderen Seite über ganz erhebliche Körperkräfte verfügen. Sie sind deswegen unberechenbar, weil wir es in diesen Fällen mit psychiatrischen Erkrankungen zu tun haben. Man nennt das auch drogeninduzierte Psychosen. Wir haben im Laufe der Jahre eine zunehmende Anzahl dieser Inhaftierten bekommen. Sie können sich vielleicht vorstellen, um was für eine extreme Belastung es sich handelt, wenn Bedienstete die Hafträume betreten müssen. In dem einen oder anderen Fall wäre es zur eigenen Sicherheit oder zu Gefahrenabwehr sinnvoll. In § 34 Abs. 2 des Entwurfs der Landesregierung heißt es:

Die Beobachtung von Hafträumen mittels Videotechnik ist... zur Abwehr von Gefahren für das Leben oder erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Untersuchungsgefangenen oder Dritten zulässig.

In diesen extremen Einzelfällen halte ich es für sinnvoll und sachgerecht, einige Hafträume mit Kameras auszustatten.

Herr Sichau, von Ihnen wurden Mobilfunkblocker angesprochen. Kein Geheimnis ist, dass illegal Handys in die Anstalten eingeschmuggelt werden. Wir werden regelmäßig fündig, aber unsere jetzige Technik und Kontrollmaßnahmen sind aus meiner Sicht optimierungsbedürftig. Wir setzen sogenannte Handyfinder ein. Diese Technik hat bestimmte Nachteile. Sie können Handys nur aufspüren, wenn sie in Betrieb sind. Auch die Bandbreiten der Handyfinder sind zu groß. Wenn Bedienstete mit einem Handyfinder an den Hafträumen entlanggehen und wenn er anschlägt, weiß man nicht genau, ob es sich um die Zelle A, B oder C handelt. Wenn man Glück hat, macht man den richtigen Zugriff. Wenn man Pech hat, ist das Handy in der Nachbarzelle. Dann wird die Toilettenspülung betätigt, und es ist weg. Ich sehe auch hierbei eine Sicherheitslücke in den Anstalten.

Herr Sichau, ich bin kein Techniker. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Technik dafür am effektivsten ist. Ich weiß, dass es zwei oder drei Varianten gibt. Unabhängig davon, welche Technik man einsetzt, ist natürlich wichtig: Dabei dürfen nicht Bereiche außerhalb der Mauern tangiert sein. Vermieden werden muss zum Beispiel, dass Dienstwohnungsinhaber nicht mehr mit ihren Handys telefonieren können.

Die Frage lautet, ob man eine zentrale Überwachung wie eine Glocke über der Anstalt durchführt oder ob man Sicherungen in den einzelnen Hafträumen einbaut. Das sind die derzeitigen Varianten. Ich kann nicht mehr dazu sagen. Ich kann nicht beurteilen, wie effektiv die Systeme sind.

RiAG Edwin Pütz (Amtsgericht Düsseldorf): Frau Düker, ich wende mich direkt an Sie. Entweder habe ich mich missverständlich ausgedrückt ­ ich habe meine Stellungnahme nur auf dem Stick und möchte nicht den Klapprechner auspacken ­ oder das ist missverstanden worden. Ich erachte nicht die grundsätzliche Nacktuntersuchung für sinnvoll, sondern die Möglichkeit, dass untersucht werden kann.

Ich weiß nämlich, an welchen möglichen oder unmöglichen Stellen Gefangene versuchen, etwas einzuschleusen. Obwohl sie wissen, dass sie eventuell durchsucht werden, versuchen sie es gleichwohl. Unser großes Problem dabei sind die Drogen.

Wenn man einer Anstalt nicht die Möglichkeit eröffnet, jemanden zu durchsuchen, kann der Weg nur über den Haftrichter gehen, aus besonderem Anlass bestimmte Maßnahmen zu erörtern. Das ist ein riesiger Aufwand. So schnell bekommt nicht immer einen Richter.

Ich habe auch bei der Vorbereitung gesehen, dass dem Anstaltsleiter im Gesetzentwurf noch weitere Möglichkeiten eröffnet werden. Manchmal höre ich bei den Fragen ein grundsätzliches Misstrauen, dass die Möglichkeit sofort zum Missbrauch durch den Anstaltsleiter führe, sodass sämtliche 37 Anstaltsleiter am Tage nach dem Inkrafttreten alle Möglichkeiten ausschöpfen würden. Ich mache seit vielen Jahren auch die Jugendhaftsachen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das sind unbestimmte Rechtsbegriffe! Das müsste klar sein! Das hat mit Missbrauch nichts zu tun!)

­ Nein, aber bei den Disziplinarmaßnahmen gibt es auch die Möglichkeiten. Bei den Düsseldorfern, für die ich hauptsächlich zuständig bin ­ ich habe selten Jungs in anderen Anstalten einsitzen, außer bei Tätertrennung ­, wird sehr sorgfältig und abgewogen mit Disziplinarmaßnahmen umgegangen, die ich genehmigen muss. Wenn die Anstalt allein dafür zuständig wäre, wenn das Gesetz so kommt und wenn es so weitergeht, habe ich keine Bedenken.