Wir haben versucht über den Direkteinstieg von Juristen Führungskräfte für die Polizei zu gewinnen

In den nächsten 17 Jahren ­ das hört sich wie ein langer Zeitraum an ­ werden 524 Kolleginnen und Kollegen des höheren Dienstes pensioniert. Das heißt, mehr als 73 % des höheren Dienstes der Polizei NRW gehen in den nächsten 15 Jahren in Pension. Förderphase und Masterstudium an der Deutschen Hochschule der Polizei brauchen einen vierjährigen Vorlauf. Deswegen müssen wir von 2010 an jährlich mindestens 30 bis 50 Führungskräfte neu ausbilden. Derzeit können wir maximal acht bis zehn aus der Gruppe der Laufbahnbewerber gewinnen. In Kürze wird sich ein Riesenloch an fehlendem Führungspersonal auftun, wenn nicht gegengesteuert wird.

Wir haben versucht, über den Direkteinstieg von Juristen Führungskräfte für die Polizei zu gewinnen. Die Leistungsanforderungen für die Juristen mussten aber herabgesetzt werden, damit überhaupt jemand zur Polizei eingestellt werden konnte.

Deswegen brauchen wir mehrere Wege. Um kurzfristig helfen zu können, brauchen wir den Bewährungsaufstieg, der in der Verwaltung allgemein üblich ist, für Spitzenkräfte des gehobenen Dienstes, um die Löcher, die sich Tag für Tag auftun, stopfen zu können. Ich hoffe, dass Sie dafür den Weg öffnen. Denn neben denen an der Fachhochschule sind jetzt schon knapp 30 Funktionen unbesetzt.

Der Bund hat die Zulagen für den öffentlichen Dienst kräftig angehoben. Durch eingetretene Rechtsveränderungen sind Sie für die Zulagengewährung in diesem Land zuständig. Ich will es nicht lange ausführen, aber es kann nicht sein, dass wir monatelang unsere Bereitschaftspolizei in die Schlacht schicken und dafür kein zusätzliches Geld gezahlt wird. Denn die Kollegen bekommen Wechselschichtdienstzulagen nur in geringem Maße. Das muss überarbeitet werden. Wir brauchen die Zulage für Kräfte der Einsatzhundertschaften.

Die nordrhein-westfälischen SEK-Kräfte, die nordrhein-westfälischen Spezialeinheiten, leisten Tag für Tag gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Bund sehr gute Arbeit. Deswegen ist nicht einzusehen, warum die Spezialkräfte des Bundes über 400 erhalten und wir mit rund 150 abgespeist werden.

Um den Zeitplan dieser Anhörung nicht zu sehr in Schwierigkeiten zu bringen, möchte ich es bei diesen Ausführungen belassen.

Andreas Meyer-Lauber (Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW): Die Beschäftigten in Schulen und Hochschulen haben bei diesem Entwurf des Landeshaushalts ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Landesregierung. Ich möchte nicht wiederholen, was in unserer Stellungnahme steht, das aber an einigen Details illustrieren.

In der Schuljahrespressekonferenz, die wie üblich zu Beginn des Schuljahres, nämlich am 14. August 2009 stattfand, kündigte Frau Ministerin Sommer einen Stufenplan zur zusätzlichen Arbeitsentlastung der Schulleitungen an. Wir wissen darüber nichts Genaues.

Wir sehen, was Baden-Württemberg gemacht hat. Baden Württemberg hat etwa zwei Drittel so viele Schulen und Beschäftigte wie Nordrhein-Westfalen. Baden-Württemberg hat 500 Lehrerstellen dafür genutzt, den Schulleitungen mehr Zeit für ihre Leitungsarbeit zu geben. Dementsprechend müsste eine etwas größere Zahl für Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehen. Beim Blick in den Entwurf des Landeshaushaltes sehen wir dazu aber nichts. Wir fragen uns: Was ist der Vorschlag der Ministerin eigentlich wert?

Die Ministerin hat in der gleichen Pressekonferenz einen Stufenplan für kleinere Klassen angekündigt. Wir begrüßen das ausdrücklich, weil wir in Nordrhein Westfalen immer noch 7.000 Klassen mit mehr als 30 Schülern haben. Das ist eine unzumutbare Lernsituation für die Kinder und Jugendlichen und eine unzumutbare Arbeitssituation für unsere Kolleginnen und Kollegen, die dort unterrichten. Aber wir sehen von diesem Stufenplan nichts im Landeshaushalt. Kleinere Klassen kosten natürlich Geld und Lehrerstellen. Wir sind etwas erschrocken darüber, dass dieser Ankündigung im Haushaltsentwurf für das Jahr 2010 nichts folgt.

Drittes Beispiel aus dem Bereich Schule: Die Landesregierung rechnet vor, dass die zahlreichen neuen Maßnahmen, die sie seit ihrer Amtsübernahme in den Schulen eingeführt hat, einen Bedarf von 19.600 Lehrerstellen ausgelöst haben. Für diejenigen, die nicht in dem Fachbereich tätig sind, möchte ich folgende Beispiele zur Verdeutlichung nennen: Das sind zusätzlicher Englischunterricht in der Grundschule, Stundenaufstockung in der Sekundarstufe I, eine zusätzliche Stundenaufstockung für das G8 im Gymnasium und zahlreiche Maßnahmen in dem - von uns auch für richtig gehaltenen - Ausbau des Ganztags bei Schulen.

Insgesamt zählt die Landesregierung 19.600 Stellen auf, die im Schuljahr 2010/11 ­ darum geht es in diesem Haushalt ­ gebraucht werden, um vor allen Dingen den zusätzlichen Unterricht zu leisten. Sie rechnet weiter vor, dass sie 7.000 Stellen zusätzlich geschaffen hat ­ die Zahl kann man in etwa bestätigen ­ und dass etwa 8.

Stellen aus Demografiegewinnen stammen. Wenn man jetzt Demografiegewinne und neue Stellen addiert, fehlen 3.800 der 19.600 Stellen.

Woher sollen die eigentlich kommen? Sie können entweder aus Mehrarbeit der Lehrerschaft entstehen, oder ­ das vermuten wir ­ sie bleiben dann wieder da, wo es im Schulbereich immer bleibt: Man macht die Klassen und Lerngruppen wieder ein bisschen größer und lässt hier und da mit System Unterricht ausfallen. Das war eigentlich die Achillesferse der Landesregierung. So hat sie es dargestellt. Anders kann das nicht funktionieren. 3.800 Lehrerstellen, die systemisch fehlen, sind meines Erachtens eine Bilanz für den Haushalt 2010, die es schwer macht, sich mit ihr zu brüsten.

Ich will noch ein Beispiel aus dem Bereich Hochschulen nennen. - Nordrhein Westfalen ist dankenswerterweise eines der führenden Länder bei der Lehrerausbildung. In jedem Jahr ergreifen 10.000 junge Leute nach dem Abitur das Lehramtstudium. Wir wissen aber, dass von 10.000 nur 6.000 das Examen an der Hochschule erreichen. Das haben wir mit Zahlen belegt. Die Fachleute, die Ministerien haben uns das bestätigt. Aber es folgt nichts.

Im Haushalt steht für die Hochschulen keine einzige Stelle zur Verbesserung der Lehrerausbildung. Das ist eine Achillesferse, weil, wie Sie wissen, der Lehrermangel in diesem Jahr in NRW wirklich angekommen ist und wir in den nächsten Schuljahren ohne irgendwelche Verbesserungen im System Einstellungsbedarfe von gut 8.000 Personen haben. Das führt zu Unterrichtsausfall, zu Überbelastung von Kolleginnen und Kollegen, auf jeden Fall nicht dazu, dass Schule besser wird.

An dieser Stelle fragen wir uns ernsthaft, welche Schlussfolgerungen die Landesregierung aus solchen Erkenntnissen zieht. Wir wissen aus anderen Bundesländern, dass man insbesondere mit der Verbesserung der Betreuung der Studierenden deutlich bessere Studienabschlussquoten erreichen kann. Die liegen in der Bundesrepublik bei ungefähr 80 %, bei uns im Lehrerbereich bei nur 60 %. Da müsste dringend etwas getan werden, aber wir erkennen es im Haushalt nicht.

Letzter Punkt: Am 22. Oktober 2008 ­ das ist noch nicht ganz ein Jahr her ­ haben sich die 16 Ministerpräsidenten mit Frau Bundeskanzlerin Merkel in Dresden ablichten lassen. Das war der sogenannte Dresdner Bildungsgipfel. Dort wurde vereinbart, dass in Deutschland deutlich mehr Geld in Bildung investiert werden soll. Laut Planung sollen bis 2015 für Bildung, Forschung und Entwicklung 10 % des Bruttoinlandsproduktes zur Verfügung stehen.

Jetzt kann man natürlich sagen, wenn die Wirtschaftskrise tief genug ist, sinkt das Bruttoinlandsprodukt so, dass das dann passt. Wenn wir es aber einmal in Zahlen von 2008 rechnen, bedeutet dieser erfreulicherweise auch von Herrn Dr. Rüttgers mit gestützte Plan, dass bundesweit 40 Milliarden mehr in Bildung zu stecken sind.

Das wiederum bedeutet für Nordrhein-Westfalen 8,8 Milliarden ­ das sind 22 % ­ bis 2015. Wollte man dieses Vorhaben in einem jährlichen Stufenplan realisieren, was wahrscheinlich sinnvoll ist, da man gar nicht so schnell Personal rekrutieren kann, dann würde es bedeuten, dass die Bildungsetats in Nordrhein-Westfalen jährlich um 1,2 Milliarden wachsen müssten, damit wir 2015 das über alle Parteien hinweg auf dem Dresdner Gipfel definierte Ziel erreichen können.

Wir sehen den Landeshaushalt 2010 nicht in dieser Absicht. Offenkundig wird an dieser Stelle wieder so Politik gemacht, dass man die großen Ankündigungsveranstaltungen mit den schicken Fotos und Tagesschau-Beiträgen genießt, aber anschließend bei der Umsetzung gerne vergisst, was man dort beschlossen oder sogar selber vorgeschlagen hat. Insofern sage ich deutlich: Aus Sicht der Bildung ist dieser Landeshaushaltsentwurf nicht akzeptabel.

Ewald Groth (GRÜNE): Das ist ja ein interessantes Bündnis; es sind sich alle einig.

Meine erste Frage richtet sich an Herrn Uebler von der Gewerkschaft der Polizei.

Verschiedentlich ist ausgeführt worden, dass wir auf eine Situation zulaufen, in der die Einstellung und das Ausscheiden von Beamtinnen und Beamten in verschiedenen Bereichen auseinanderfallen. Wie viele Personen müssten denn bei solch einem Stufenplan in den gehobenen Dienst eingestellt werden? Wie müsste man solch einen Stufenplan organisieren, damit das ausgeht? Das Gleiche interessiert mich für den höheren Dienst.

Meine nächste Frage richtet sich an Herrn Meyer-Lauber. Welche Auswirkungen hat aus Ihrer Sicht dieses Auseinandergehen von Einstellungen und Ausscheiden ­