Schließen möchte ich mit einem Zitat aus der Rede der Frau Ministerin

Oskar Negt sagte ja einmal: Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss. ­ Deswegen braucht man auch politische Bildung.

Schließen möchte ich mit einem Zitat aus der Rede der Frau Ministerin. Sie sagte vorhin, dass politische Bildung für unsere Demokratie unverzichtbar ist. Das sollte auch der Maßstab für die zukünftige Organisation der Weiterbildung sein, glaube ich.

­ Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall) Vorsitzender Wolfgang Große Brömer: Meine Damen und Herren, für mich ist es etwas schwierig, nach dieser sehr fruchtbaren, interessanten Diskussion wieder die Kurve zu kriegen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Frau Springenberg-Eich es schaffen wird, jetzt das Spektrum der Bedeutung von politischer Weiterbildung für unsere Demokratie durch einen PowerPoint-Vortrag abzurunden, der nicht als Vorstellung der Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen zu verstehen ist, sondern als Input für weitergehende Diskussionen. Sie haben das Wort, Frau Springenberg-Eich.

Maria Springenberg-Eich (Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen): Vielen Dank. ­ Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe politische Bildner! Meine Damen und Herren!

In der Tat ist es dramaturgisch eine schwierige Aufgabe, Sie nach den interessanten Praxisbeispielen und der spannenden Podiumsdiskussion nun mit einem Vortrag zum Thema „Durch Partizipation Gesellschaft gestalten ­ Demokratie braucht mehr politische Bildung" zu beglücken. Ich hoffe, dass nicht schon alles gesagt ist, nur noch nicht von jedem. Es besteht die Gefahr, zu langweilen oder sogar vermessen zu erscheinen, wenn der Vortrag zu einem Statement über den heilbringenden Weg der politischen Bildung gerät. Ich versuche es aber.

(Präsentation: Man müsste politische Bildung erfinden, wenn es sie nicht schon gäbe!)

Meine feste Überzeugung ist ­ das stimmt auch mit den Statements überein ­, dass man die politische Bildung erfinden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe; denn es ist nicht vorstellbar, dass die enormen gesellschaftlichen Herausforderungen demokratisch gemeistert werden können, wenn nicht große Teile der Bevölkerung den nicht einfachen Weg mitgestalten und ihn damit auch hoffnungsfroh mitgehen können.

(Folie: Politische Bildung findet in zwei Dimensionen statt) Politische Bildung hat auf zwei Ebenen Vermittleraufgaben. Erstens steht sie im didaktisch-pädagogischen Sinne für die Vermittlung von Demokratiekompetenz. Das ist hier auch schon deutlich geworden. Oft trägt der Politikunterricht in den Schulen nicht dazu bei, dies ernst zu nehmen. Zweitens ist politische Bildung bei der Vermittlung zwischen Politik und Bürgern dringend gefordert. Sie muss so etwas wie eine intermediäre Institution bilden. (Folie: Nach dem Zweiten Weltkrieg...) Historisch ist es der politischen Bildung gelungen, ihren Reeducation-Auftrag zu erfüllen. Sie hatte die in den Nationalsozialismus verstrickte und traumatisierte deutsche Bevölkerung auf dem Weg in die Demokratie zu begleiten. Das hat sie gut geschafft. Die Gründung der Bundeszentrale für politische Bildung und die Gründungen der Landeszentralen für politische Bildung in den einzelnen Ländern stehen hierfür.

Nordrhein-Westfalen hatte übrigens bereits 1946 eine Landeszentrale für politische Bildung. Der erste Ministerpräsident unseres Landes, Rudolf Amelunxen, hatte noch vor der Gründung des Landes eine Staatsbürgerliche Bildungsstelle in der Staatskanzlei eingerichtet.

(Folie: Seit den 70er-/80er-Jahren...)

In den 70er- und 80er-Jahren wurde die politische Bildung zu einer intermediären Einrichtung. Sie bot eine Plattform für den Austausch zwischen verfasster, institutionalisierter Politik und den aus der Gesellschaft heraus wachsenden Themen, Initiativen und Bewegungen. Zu nennen sind hier zum Beispiel Europa, Studentenbewegung, Bürgerinitiativen sowie Umwelt- und Frauenbewegungen.

Viele der Themen und die meisten Bewegungen haben sich in dieser Zeit bewusst in Abgrenzung zu den etablierten Partizipationsmöglichkeiten in den Parteien und Parlamenten entwickelt, begleitet von institutionskritischen Impulsen. Dies gilt namentlich für die Studentenbewegung, die sogenannte 68er-Bewegung, und die Anfänge der neuen Frauenbewegung.

Gerade die neue Frauenbewegung hat damals viele irritiert und tut es zum Teil heute noch. Ihre Aktionsformen waren provokant; ihre Anliegen und Inhalte passten nicht in das Rechts-Links-Schema. Trotzdem oder gerade deshalb wurde aus ihr die erfolgreichste gesellschaftliche Bewegung der letzten Dekaden. Kaum eine andere politische Kraft hat den gesellschaftlichen Wandel so tief greifend geprägt.

Politische Bildung war in dieser Zeit der Ort, an dem der Austausch von neuen sozialen Bewegungen und etablierter Politik stattfand. Politische Bildung hat gerade in dieser Zeit dazu beigetragen, dass die repräsentative Demokratie offen und anpassungsfähig für relevante gesellschaftliche Entwicklungen blieb. Sie erfüllte damit eine wichtige Funktion für die Demokratie.

Voraussetzung dafür war und ist es bis heute, dass die politische Bildung offen und plural aufgestellt ist.

(Folie: Nordrhein-Westfalen hat Rahmenbedingungen...)

Die Politik in Nordrhein-Westfalen hat diesen Prozess durch das Weiterbildungsgesetz und die Förderung der Einrichtungen der politischen Bildung durch die Landeszentrale für politische Bildung gefestigt.

Politische Bildung in Nordrhein-Westfalen ist bis heute ein Erfolgsmodell. Sie ist so vielfältig und bunt wie ihre Anbieter. Im Jahr 2008 förderte die Landeszentrale für politische Bildung 47 Spezialisten der politischen Bildung, die 8.700 Veranstaltungen mit rund 200.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchführten. Wohlgemerkt: Das sind nur Zahlen der geförderten Spezialisten der politischen Bildung. Nicht berück sichtigt sind die vielen Veranstaltungen zur politischen Bildung der Volkshochschulen und der anderen Weiterbildungseinrichtungen.

Für ihre Arbeit ­ das betone ich ­ braucht die politische Bildung verlässliche Rahmenbedingungen, also insbesondere eine angemessene Finanzierung, transparente Förderbedingungen und, wie bereits angesprochen, aktuell eine angemessene Beteiligung an der zurzeit laufenden Evaluation der Weiterbildung.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle folgende Randbemerkung ­ ich mache gleich zum Thema weiter ­: Die Landeszentrale für politische Bildung betrachtet sich als Dienstleister für die Einrichtungen. Sie unterstützt die Einrichtungen mit umfassenden Informationen und Beratungsangeboten. Als Beispiel nenne ich hier nur die schwierige Frage der Umsatzsteuer, die viele von uns quält. Wichtig ist, dass öffentliche Zuschüsse die zu zahlende Umsatzsteuer nicht in beträchtlichem Maße erhöhen dürfen. Zurzeit tun sie das aber. Seitens der Finanzbehörden wurden in Nordrhein Westfalen bereits erhebliche Steuernachforderungen erhoben, die die Weiterbildungseinrichtungen der politischen Bildung gefährden. Aus Landessicht ist darauf hinzuweisen, dass die Zuschüsse der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen und die Mittel nach dem nordrhein-westfälischen Weiterbildungsgesetz nicht zu einer Erhöhung der Umsatzsteuer führen. Die Mittel der Bundeszentrale für politische Bildung tun dies aber. Wir haben in vielen Diskussionen mit der Bundeszentrale darauf hingewiesen, dass das nicht sein darf. Ich gehe davon aus, dass die Richtlinien in Kürze geändert werden.

(Folie: Vertrauensverlust in Politik...) Zurück zum Thema: Die Herausforderungen an die Demokratie sind vielfältig. Auch wenn, wie ich eingangs erwähnt habe, der Reeducation-Auftrag schon lange abgearbeitet ist und die Demokratie von der großen Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger als die beste Herrschaftsform anerkannt ist, so bleibt doch festzustellen, dass das Vertrauen in Politik schwindet ­ das wurde ausführlich diskutiert ­ und die Wahlbeteiligung sinkt. Das ist ein stabiler Trend, wie Umfragen belegen.

Die Wahlenthaltung ist in der Bevölkerung unterschiedlich verteilt. Besonders ausgeprägt ist sie unter jungen Wahlberechtigten, Zugewanderten, Einkommensschwachen und Bildungsbenachteiligten. Analysen zeigen, dass die Konzentration sozialer Problemlagen in bestimmten Stadtteilen der Ballungsräume mit einem dramatischen Rückgang der demokratischen Beteiligung einhergeht. In manchen Stadtteilen lag die Beteiligung an der letzten Kommunalwahl unter 30 %.

Das Ansehen der Politik ist in Deutschland dramatisch gesunken. Nach einer ForsaUmfrage haben nur noch 18 % der Bevölkerung Vertrauen in die Bundesregierung, und die politischen Parteien tragen mit gerade einmal 12 % gleichsam das Schlusslicht.

Der Vertrauensverlust und die damit einhergehende Politikverdrossenheit haben jedoch eine Kehrseite. Aus dem zunehmend ambivalenten Verhältnis zur Demokratie ­ auf der einen Seite werden demokratische Freiheiten gewürdigt und geschätzt.