Günter Reuter Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Köln Auch Vorteile Nicht nur Charme Ja natürlich

Die von Herrn Reuter vorgeschlagene generelle Härtefallregelung hat natürlich einen gewissen Charme; das gestehe ich zu.

(Günter Reuter [Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Köln]:

Auch Vorteile! Nicht nur Charme!)

­ Ja, natürlich. ­ Aber die separate Härtefallregelung ließe sich durch eine andere Anwendung des § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz viel besser umsetzen. § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz könnte mit kleineren notwendigen Änderungen ohne Weiteres die Basis für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen sein.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnern ­ das kommt auch in meinem Statement zum Ausdruck ­, dass ich mir nicht sicher bin, ob es nicht in einer großen Zahl von Fällen durch den langjährigen Aufenthalt sowohl der Betroffenen als auch der Kinder, die hier in Deutschland geboren oder aufgewachsen sind, zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz kommen wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird sich sicherlich dazu äußern, ob bei einem solch langen Aufenthalt, ob man bei einer solchen zumindest sozialen Integration der Kinder noch von einer Zumutbarkeit der Ausreise in das ­ in Anführungszeichen ­ „Heimatland" gesprochen werden kann. ­ Herr Dr. Rudolph, habe ich Ihre Frage beantwortet?

(Monika Düker [GRÜNE]: Dann machen wir das einfach so, wie Herr Reuter gesagt hat! ­ Dr. Karsten Rudolph [SPD]: Wir können das ja nicht machen! Das ist ja Sache des Bundesgesetzgebers!) Vorsitzender Winfried Schittges: Ich wäre dankbar, wenn die Fraktionen sich nach der Anhörung beraten würden. Wir können jetzt nicht durch Zuruf festlegen, wie wir beispielsweise die Beantwortung oder die Vorschläge behandeln wollen. ­ Herr Weckauf, ich danke Ihnen jedenfalls herzlich für die Beantwortung und darf nun Sie, Schwester Stefanie Müllenborn, zu Wort bitten.

Schwester Stefanie Müllenborn (Bistum Münster): Wir sind jetzt bei § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz angelangt. Das ist auch die Vorschrift, die uns in der Praxis sehr beschäftigt. Ich will ein Beispiel nennen: Ein Roma aus dem Kosovo, Familienvater, hatte mit 40 Jahren einen Schlaganfall. Die Kinder sind alle in der Schule, ein Sohn macht schon den Meister als Friseur. Die Ausländerbehörde hat bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Mannes irgendwann § 104 Aufenthaltsgesetz angewendet. Da habe ich mich gefragt, warum. ­ Es hieß, vielleicht komme er doch wieder in Arbeit.

Das ist kein Einzelfall, sondern es gibt viele derartige Fälle. Es heißt dann, dass man unter § 104 Aufenthaltsgesetz eine bessere Aufenthaltserlaubnis bekommt, wenn man später Arbeit hat; das war der Grund. Meine Frage ist, ob man den Ausländerbehörden jetzt sagt, dass alle Menschen, die einmal unter § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz fielen ­ sie sind jetzt verängstigt ­, auch wieder darunter gefasst werden können? Oder kommt da erst wieder eine Prüfung über das Gesundheitsamt usw.? Macht man sich diese Arbeit dann wieder bei Menschen, die schon zwanzig Jahre hier sind?

Auch die Fristen von sechs oder acht Jahren kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wir haben Iraker, denen zum Erreichen der acht Jahre noch ein paar Monate oder auch nur drei Tage fehlen, die inzwischen krank geworden sind, weil sie nicht arbeiten können. Ich habe einen Fall, wo ein Betroffener dauernd in der Psychiatrie ist. Wenn er vor sieben oder sechs Jahren eine Aufenthaltserlaubnis bekommen hätte, hätte er gearbeitet.

Außerdem ­ das hat auch mich sehr erstaunt ­ kommen Menschen in die Beratung und sagen: Da kommen 2.500 Iraker, die sofort eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Und was ist mit uns? Das sind alles Einzelschicksale, bei denen das Gesetz überhaupt nicht das hergibt, was die Menschen brauchen.

Es wurde eben gesagt, dass die Menschen manchmal keine Pässe bekommen. Es gibt Länder, die wirklich keine Pässe ausstellen, auch wenn wir uns die Finger wund schreiben. Zum Beispiel haben wir von Aserbaidschan noch keinen einzigen Pass bekommen. In einem Telefonat wurde mir einmal gesagt, dass Armenier, die Aserbaidschan für fünf Jahre verlassen haben, die Staatsangehörigkeit verloren haben; deshalb werden sie nie einen Pass bekommen. Da gibt es Geburten von Kindern, die nie beurkundet werden; die Kinder sind dann mitunter schon acht Jahre hier.

Bei dem Zuwanderungsrecht stößt man auch in anderen Gesetzen immer wieder auf Situationen, bei denen man sich sagt: Das kann nicht sein. ­ Ich will das Beispiel eines Ehepaars aus Aserbaidschan mit zwei Söhnen nennen. Die Frau hat nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, der Mann, ein Arzt, hat eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz bekommen. Er ist Herzspezialist. Wir haben keine Anerkennung von der Bezirksregierung in Münster für ihn bekommen können. Von dort hieß es immer, dass das erst geschehen kann, wenn er einen anderen Status bekommt. Aber die Ausländerbehörde hat ihm keinen anderen Status gegeben. Somit konnte er seinen Beruf nicht ausüben. Er ist jetzt sechs oder sieben Jahre hier. Wenn man das einmal hochrechnet, kommt man auf Tausende von Euro, die die Stadt bezahlen musste. Erstens hätte die Familie einen besseren Lebensstandard gehabt, wenn er gearbeitet hätte, und zweitens hätte die Stadt Geld gespart. Das gibt das Gesetz nicht her. Das sind nur ein paar Beispiele, die ich einmal anführen wollte.

Es gibt wirklich sehr viele traumatisiert Menschen, bei denen man nicht dahinterkommt, wie man ihnen helfen kann; sie leben in Angst. Ich war gerade 14 Tage in Malawi ­ das ist eines der ärmsten Länder Afrikas ­ und habe einmal gefragt, ob es dort auch Flüchtlinge gibt und was man mit ihnen macht. Ja, hieß es, es gäbe Flüchtlinge, und diese würden ein Jahr in ein Lager kommen, danach eine Aufenthaltserlaubnis erhalten und müssten sich dann aber selbst versorgen, müssen also sehen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie werden aber nicht in Länder abgeschoben, in denen sie wieder um ihr Leben fürchten müssen. Vorsitzender Winfried Schittges: Schwester Müllenborn, ich danke Ihnen herzlich. ­ Auch Sie, Herr Weihbischof Dr. Voß, sehen noch Beantwortungsbedarf. Nach Ihnen kommt dann Herr Kruse an die Reihe. ­ Bitte schön, Herr Dr. Voß. Weihbischof Dr. Josef Voß (Bistum Münster): Ich bin zwar kein Jurist, habe aber in meiner schriftlichen Stellungnahme geschrieben, dass die im Gesetz vorhandenen Ansätze manchen Druck aus der Sache herausnehmen könnten, wenn man großzügigeren Gebrauch von ihnen machen würde. Ob das über eine allgemeine Härtefallregelung oder über § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz geschieht, ist dabei nicht so wichtig. Ich bin seit 30 Jahren in diesem Bereich tätig, früher beim Caritasverband und jetzt in der Migrationskommission. Ich weiß nicht, wie viele Altfallregelungen ­ und zwar immer mit all den Konsequenzen, über die wir jetzt diskutieren ­ ich inzwischen erlebt habe.

Unsere Erwartungen gehen in die Richtung, dass man durch eine Öffnung, die im Gesetz im Grunde genommen angelegt ist, zum einen von einer Stichtagsregelung wegkommen, stärker zu einer Einzelfallprüfung übergehen und damit manches von dem auffangen könnte, was uns die angesprochenen Schwierigkeiten macht. Außerdem ist es in der Tendenz des Gesetzes angelegt ­ das war damals auch die Erwartung, die seitens der unabhängigen Kommission damit verbunden war ­, etwas mehr Flexibilität zu bekommen und damit ein Stück weit von den Kettenduldungen wegzukommen.

Während meiner 30 Jahre in diesem Bereich hatten wir es mit vielen Menschen zu tun, zum Beispiel aus Sri Lanka, die dauernd von befristeten Duldungen betroffen waren und auch aus diesem Grund nicht in längerfristige Arbeitsverhältnisse kommen konnten. Denn wer stellt schon jemanden an, wenn er immer wieder zur Prüfung muss?

Das Problem der Roma aus dem Kosovo ist, dass sie bislang im Grunde nirgendwo integriert sind ­ auch nicht in ihren Herkunftsländern ­, abgesehen davon, dass sie einen gewissen Schutz in der Zeit des kommunistischen Regimes hatten. Aber mit der Wende ist da sehr viel in Bewegung geraten. Jedenfalls haben diese Menschen unter den jetzigen Umständen kaum echte Zukunftschancen. Wir haben die Frage seitens der Kirchen inzwischen auch nach Brüssel getragen; das ist eine europäische Aufgabe. Irgendwie müsste man diese Kette einmal durchbrechen und wirklich etwas auf den Weg bringen. Jetzt schiebt einer das Problem zum anderen weiter.

Von daher setzen wir uns für eine Öffnung ein, um etwas Spielraum zu bekommen.

Vorsitzender Winfried Schittges: Danke schön. ­ Als Nächste haben sich Herr Kollege Kruse und danach Herr Kollege Lohn zu Wort gemeldet. ­ Bitte schön, Herr Kruse.

Theo Kruse (CDU): Ich danke zunächst dem Antragsteller für diese Anhörung, für dieses Sachverständigengespräch. Ich danke natürlich in besonderer Weise den Sachverständigen für die von ihnen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen, aber auch für ihre Wortbeiträge; man lernt dazu.