In dem Zusammenhang haben wir gelernt das sei ein fehlerfreies Ermessen der BaFin gewesen

106. Sitzung (öffentlich) wr und die BaFin das damit begründet hat, dass sie das Ausfallrisiko neu berechnet hat, eine neue Methode angewandt hat.

In dem Zusammenhang haben wir gelernt, das sei ein fehlerfreies Ermessen der BaFin gewesen. Sie hätte einen gewaltigen, breiten Ermessensspielraum. Sie hat dann Formulierungen verwandt, die das Land abgegeben hat. Der Finanzminister hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Garantieerklärung des Landes unter Haushaltsvorbehalt steht. Und der war, wie Frau Kollegin Walsken zutreffend gesagt hat, eben noch nicht verabschiedet. Wenn die BaFin sich damit zufriedengegeben hat, dann hat sie ihren weiten Ermessensspielraum ausgenutzt, und dann sollten wir es dabei auch bewenden lassen. Es hat ja keinen Zweck, dass wir hier versuchen, Situationen herbeizuführen, um die WestLB umzubringen. Das wollen wir ja nicht. Wir wollen sie ja erhalten, weil sie eine Systembank für unser Land ist.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Wer ist „wir"?)

­ Ja, wir in dieser Anhörung. ­ Von daher sollten wir nicht so viel mit glauben, meinen, denken, fühlen argumentieren, sondern sollten sagen, und das wäre jetzt meine Frage: Streiten Sie Herrn Sanio dieses Ermessen ab? Oder können Sie akzeptieren, dass die BaFin einen breiten Ermessensspielraum hat, den ausgenutzt hat und insofern vielleicht im Hinblick auf die letzte rechtliche Präzision Unklarheiten geblieben sind, die uns aber weiter nicht zu stören brauchen?

Hans-Willi Körfges (SPD): Es hat sich durch die vorangegangene Wortmeldung vielleicht noch etwas Zusätzliches ergeben.

Erstens. Der Kollege Weisbrich hat ja zum Hintergrund seiner Frage gesagt, dass er die WestLB für eine Systembank des Landes hält. Ich möchte Sie, Herr Prof. Siekmann, jetzt danach fragen, ob Sie ­ das hat auch mit Ihren generellen Einschätzungen zu tun, Sie haben sich da ja auf die Zielsetzung bezogen ­ die Westdeutsche Landesbank für eine Systembank halten. Wenn ja, welcher systemische Hintergrund schwebt Ihnen da vor?

Zweitens. Die Frage der Informationsrechte des Landes lässt sich unterschiedlich beurteilen, wenn man sich die Vorgänge ansieht. Ich bin an den Informationsrechten des Haushaltsgesetzgebers interessiert, und das sind wir als Landtag. Ist nach Ihrer Ansicht den Informationsrechten Genüge getan, wenn eine Landesregierung hinter die Dinge schauen kann, das Parlament aber nicht?

Bei meiner dritten Frage geht es um die prinzipielle Einschätzung. Sie haben ­ das ging in die gleiche Richtung, in die Herr Weisbrich und ich in der ersten Runde gefragt haben ­ nach dem Motto geantwortet: Es wird nach außen wohl wirksam eine Garantie übernommen worden sein.

(Christian Weisbrich [CDU]: Akzeptiert worden sein!)

­ Nein, übernommen worden sein! Das Problem ist, wenn es Außenwirkung hat, ist das keine Frage von Akzeptanz, sondern eine Frage der wirksamen Übernahme. Mir geht es jetzt um die Beurteilung des Vorgangs, dass wir im Dezember mit einer Garantieübernahme parlamentarisch beschäftigt sind, die Ende November bereits abge

Sitzung (öffentlich) wr laufen ist. Was ist passiert? Hat es eine wirksame Garantie gegeben? Ist das nicht eigentlich Makulatur, dass wir uns im Nachhinein mit so etwas, was überhaupt nicht mehr Gegenstand ist, beschäftigen dürfen?

(Christian Weisbrich [CDU]: Ihr wolltet das doch nicht! ­ Widerspruch von Gisela Walsken [SPD]

­ Das ist juristisch spannend, Herr Weisbrich.

Ewald Groth (GRÜNE): Herr Professor Siekmann, ich habe Sie so verstanden, dass dieser Vorgang mit der Garantieerklärung ohne entsprechendes Haushaltsrecht eine Missachtung substanzieller Budgetrechte des Parlaments beinhaltet, dass das sozusagen die Auswirkung ist. Ich würde Sie noch einmal hinsichtlich des Aspekts fragen wollen: Die Garantie ist ja abgegeben. Was bedeutet das denn jetzt für die weiteren Beratungen, in denen wir uns auch befinden, für die Rechte des Parlaments?

Ist nicht in gewisser Weise präjudiziert, wie sich eine Parlamentsmehrheit verhalten muss, praktisch dadurch, dass der Finanzminister auch ohne Haushaltsrecht diese Garantien jetzt schon abgegeben hat? Sehen Sie dort auch noch einmal eine Einschränkung von Möglichkeiten der Parlamentarier, die in gewisser Weise jetzt gezwungen sind, in eine bestimmte Richtung weiter zu denken, zu handeln und abzustimmen?

Vorsitzende Anke Brunn: Gibt es noch weitere Fragen? ­ Dann bitte ich Herrn Siekmann, abschließend zu antworten. Bitte schön.

Prof. Dr. Helmut Siekmann (Institute for Monetary and Financial Stability): Herr Weisbrich, Sie haben gesagt, der Vergleich mit der Ruhrkollege AG hinkt. ­ Sicherlich ist kein 1:1-Vergleich möglich. Da stimme ich Ihnen voll zu. Aber ich sehe doch insoweit eine gewisse Ähnlichkeit, als es auch da letztlich um Mittel des Landes gegangen ist, über die Informationen vom Parlament gewünscht wurden. Sie haben ja zu Recht gesagt: Das Parlament und einzelne Abgeordnete sind sehr häufig mit der Aussage abgespeist worden, es seien ja Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Das Verfassungsgericht hat sehr eindeutig gesagt, dass auch in solchen Sondersituationen, wo wir ein rein privates Unternehmen haben, in privater Rechtsform mit privaten Aktionären, Informationsrechte des Parlaments bestehen und notfalls auch die Regierung verpflichtet ist, sich solche Informationen zu beschaffen.

In der mündlichen Verhandlung hat vor allem Herr Verfassungsrichter Wieland danach gefragt: Wie kann denn die Regierung an die Informationen kommen, wenn sie sie nicht hat? ­ Dann muss man wohl im Vorfeld entsprechend aufpassen. Es muss eben in den Bewilligungsbescheidungen, in den Ermächtigungen und in den Garantien enthalten sein. Das muss man als Landesregierung schon im Vorfeld machen, dann kann man sich diese Informationen auf diese Art und Weise beschaffen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Milliarden teuren Subventionen oder Garantieübernahmen, die auch zu entsprechenden Zahlungen führen können.

Das kann man der Entscheidung schon entnehmen.

Sitzung (öffentlich) wr Jetzt haben Sie auch gesagt, aus Ihrer Kenntnis mit den Verhandlungen mit der BaFin, die ich natürlich nicht kenne, dass es da wie auf einem Basar zugegangen sei ­ ich hoffe, ich zitiere Sie richtig. Das kann ich mir in etwa vorstellen und nachvollziehen. Aber von den Ihrer Meinung nach vorhandenen weiten Ermessensspielräumen sind meines Erachtens Abstriche zu machen.

Es ist ja vor allen Dingen um Neuberechnungen, Neubewertungen von Adressrisiken gegangen. Soweit es in den Unterlagen zu erkennen war, ist das wohl der Punkt der BaFin gewesen. Adressrisiken sind neu bewertet worden. Da gibt es sehr detaillierte Vorschriften in der sogenannten Solvabilitätsverordnung. Das ist eine geltende Rechtsnorm, die sehr, sehr detailliert und verwickelt ist. Dort sind statistischmathematische Methoden zur Bewertung von Adressausfallrisiken bei dem sogenannten Internal Ratings-Based Approach (IRBA) anzuwenden. Den hat wohl ­ das muss man daraus entnehmen ­ die WestLB AG angewendet. Das andere wäre ein sogenannter Standardansatz.

Das ganze Regelwerk der Solvabilitätsverordnung, auf der das und auch die Einschätzung von Herrn Sanio wohl beruhen ­ das kann ich jetzt nur retrospektiv sagen ­, ist 250 Druckseiten lang, eine einzige Verordnung. Die ist praktisch unlesbar, weil sie in der Terminologie von einigen Finanzleuten geschrieben worden ist. Sie ist ja auch mehr oder weniger eine Übernahme dessen, was der Basel-II-Ausschuss erarbeitet hat, der aber juristisch keinerlei Grundlage hat. Das war ein Kränzchen von Experten, die sich das so ausgedacht haben. Das ist dann in Europa umgesetzt worden und später in die Solvabilitätsverordnung aufgegangen. Das ist praktisch nicht lesbar. Ich habe auch noch keinen Bankrechtsexperten, keinen Juristen gefunden, der mir gesagt hat: Ja, ich verstehe das.

Insoweit hat natürlich Herr Sanio vermutlich große Spielräume, weil kaum jemand einschätzen kann, ob diese Einschätzung von Adressausfallrisiken nachvollziehbar ist oder nicht. Ich habe jedenfalls den Unterlagen entnommen, dass es darum ging.

Ich muss um Nachsicht bitten. Wegen der unterschiedlichen Terminierung ­ ich bin schon gestern aus Frankfurt gekommen ­ habe ich diese Unterlagen in Frankfurt und nicht hier, weil ich dachte, diese Anhörung fände nicht statt. Auch die Solvabilitätsverordnung liegt mir jetzt nicht vor. Aber Sie wollen ja auch die technischen Details nicht hören.

Soweit ich es einschätzen kann, gibt es dort nicht diese großen Ermessensspielräume, sondern es geht um eine sehr komplexe Verordnung. Mit Blick auf die mathematisch-statistischen Methoden, die von der Bank entwickelt und angewendet, aber von der BaFin überprüft werden, muss ich Ihnen gestehen: Ich kann Ihnen seriös nicht sagen, ob das zu Recht oder zu Unrecht geschehen ist. Aber dort sieht man nicht a priori weite Ermessensspielräume. Das meine ich nicht.

Zur Systembank des Landes, Herr Körfges: Das frage ich mich auch. Dieser Begriff ist jetzt aufgekommen. Es war eher eine Zweckschöpfung auf Bundesebene, weil man meinte, das gesamte Finanzsystem sei systemrelevant. Dann war Opel systemrelevant. Demnächst sind verschiedene Unternehmen systemrelevant. Das ist aber so beliebig. Was ist systemrelevant? Bei Finanzunternehmen kann das schon sein,