Insolvenz

Um sich gegen eine unkontrollierte Weitergabe solcher über das Internet zum Abruf bereitgehaltener Daten schützen zu können und weil beim Internet-gestützten Abruf die gesetzlich vorgeschriebene Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange Betroffener nicht möglich ist, sollte für die Bürgerin oder den Bürger in diesen Fällen ein ausdrückliches Einwilligungsrecht oder mindestens ein Widerspruchsrecht geschaffen werden. Es handelt sich hier um personenbezogene Daten, die auf der Grundlage einer gesetzlichen Auskunftspflicht erhoben wurden.

3. Auch für öffentliche Stellen sollte in das Gesetz eine Bestimmung aufgenommen werden, wonach bei elektronischen Abrufverfahren über das Internet zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen zumindest Verfahren der fortgeschrittenen elektronischen Signatur gemäß den Regelungen des Signaturgesetzes einzusetzen sind.

4. Nach geltendem Recht ist jede Melderegisterauskunft unzulässig, wenn eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange glaubhaft gemacht wird. Diese Regelung hat sich bewährt. Die Datenschutzbeauftragten treten angesichts des in diesen Fällen bestehenden hohen Schutzbedarfs dem Vorhaben entschieden entgegen, diese Regelung durch eine Risikoabwägung im Einzelfall aufzuweichen.

5. Bislang dürfen Meldebehörden an Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen Auskunft über Daten von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen, sofern die Wahlberechtigten dieser Auskunftserteilung nicht widersprochen haben. Die Datenschutzbeauftragten bekräftigen ihre bereits in der Vergangenheit erhobene Forderung, gesetzlich zu regeln, dass eine Einwilligung der Betroffenen Voraussetzung für solche Datenweitergaben sein muss. Die bisherige Widerspruchslösung ist in weiten Kreisen der Bevölkerung unbekannt.

6. Außerdem fordern die Datenschutzbeauftragten, die Hotelmeldepflicht abzuschaffen, da die hiermit verbundene millionenfache Datenerhebung auf Vorrat unverhältnismäßig ist.

Bei Enthaltung Thüringens zu Ziffer 6.

15.6. Novellierung des G 10-Gesetzes (Entschließung der 61. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 8./9. März 2001)

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sehen mit großer Sorge, dass die Empfehlungen des Rechts- und des Innenausschusses des Bundesrates erhebliche Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger zur Folge hätten, die über den Gesetzentwurf der Bundesregierung teilweise weit hinausgehen. Die Datenschutzbeauftragten wenden sich insbesondere entschieden dagegen, dass

- die Befugnisse der Nachrichtendienste zur Übermittlung und Verwendung von G 10-Daten an Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Gesetzentwurf noch deutlich erweitert werden sollen, indem Erkenntnisse der Nachrichtendienste u. a. zur Strafverfolgung weit über die Schwerkriminalität hinaus genutzt werden dürften,

- der Verzicht auf die Kennzeichnung von G 10-Daten sogar ohne vorherige Zustimmung der G 10-Kommission zulässig sein und

- die Schwelle dafür, endgültig von der Benachrichtigung Betroffener abzusehen, deutlich herabgesetzt werden soll.

Darüber hinaus kritisieren die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, dass die Bundesregierung mit der Gesetzesnovelle über die Vorgaben des hinaus weitere Änderungen im G 10-Bereich erreichen will, die neue grundrechtliche Beschränkungen vorsehen:

- Die Anforderungen an die halbjährlichen Berichte des zuständigen Bundesministers an die PKG müssen so gefasst werden, dass eine wirksame parlamentarische Kontrolle erreicht wird. Dies ist derzeit nicht gewährleistet. Deshalb muss über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten aller Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz sowie über die Benachrichtigung der Beteiligten berichtet werden. Die gleichen Anforderungen müssen auch für die Berichte der PKG an den Bundestag gelten.

- Die Neuregelung, nach der auch außerhalb der Staatsschutzdelikte mutmaßliche Einzeltäter und lose Gruppierungen den Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz unterliegen sollen, stellt das Trennungsgebot nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG weiter in Frage. Ermittlungen von der Eingriffsschwelle eines konkreten Anfangsverdachts zu lösen und nach nachrichtendienstlicher Art schon im Vorfeld zur Verdachtsgewinnung durchzuführen, weitet die Gefahr unverhältnismäßig aus, dass auch gegen Unbescholtene strafrechtlich ermittelt wird.

- Alle Neuregelungen wie z. B. zum Parteienverbotsverfahren, zur Verwendung von G 10-Erkenntnissen bei Gefahren für Leib oder Leben einer Person im Ausland und zu Spontanübermittlungen an den BND müssen befristet und einer effizienten Erfolgskontrolle unterzogen worden.

- Bei der internen Datenverarbeitung durch die Nachrichtendienste ist die Zweckbindung so zu formulieren, dass die erhobenen Daten nicht zur Erforschung und Verfolgung anderer als der in § 3 und § 5 G 10-E genannten Straftaten genutzt werden dürfen.

- Die vorgesehenen Ausnahmen von der vom geforderten Kennzeichnungspflicht bei der Übermittlung von Daten, die aus G 10-Maßnahmen stammen, begegnen schwerwiegenden datenschutzrechtlichen Bedenken.

- Im Gesetzentwurf fehlt die Regelung, dass eine Weiterübermittlung an andere Stellen und Dritte nicht zulässig ist. Sie darf nur durch die erhebende Stelle erfolgen. Die Weitergabe von G 10-Daten an andere Dienststellen ist bei der übermittelnden Stelle stets zu dokumentieren und zu kennzeichnen.

- Eine dauerhafte Ausnahme von der Benachrichtigungspflicht ist abzulehnen.

Sie würde für die Betroffenen zu einem Ausschluss des Rechtsweges führen.

- Dem BND wird nicht mehr nur die strategische Überwachung des nichtleitungsgebundenen, sondern künftig des gesamten internationalen Telekommunikationsverkehrs ermöglicht. Dies setzt den Zugriff deutscher Stellen auf Telekommunikationssysteme in fremden Hoheitsbereichen voraus. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Anforderungen des Völkerrechts eingehalten werden.

- Die Überwachung internationaler Telekommunikationsbeziehungen im Falle einer Gefahr für Leib oder Leben einer Person im Ausland (§ 8 G 10-E) ermöglicht sehr intensive Grundrechtseingriffe in großer Zahl und mit einer hohen Dichte, die höher sein kann als bei strategischen Überwachung nach § 5

G 10-E. Dies setzt eine hohe Eingriffsschwelle und enge zeitliche Befristungen voraus, die der Entwurf nicht hinreichend vorsieht.

15.7. Anlasslose DNA-Analyse aller Männer verfassungswidrig (Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 12. März 2001)

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weist entschieden den Vorschlag zurück, den genetischen Fingerabdruck aller Männer zu erheben und rein vorsorglich zu speichern. Die Erhebung personenbezogener Daten ist auch im Rahmen der Strafverfolgung an rechtsstaatliche Grundsätze gebunden. Eine Datenerhebung auf Vorrat, die die Hälfte der Bevölkerung als potentielle Straftäter behandelt, ist verfassungsrechtlich unzulässig. Darüber hinaus erscheint der erwartete Abschreckungseffekt äußerst fragwürdig.

15.8. Veröffentlichung von Insolvenzinformationen im Internet (Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 24. April 2001)

Dem Bundestag liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Insolvenzordnung (BT-Drs. 14/5680) vor. Danach sollen gerichtliche Entscheidungen - vor allem in Verbraucherinsolvenzverfahren - künftig auch über das Internet veröffentlicht werden können, um Kosten für Bekanntmachungen in Printmedien zu sparen.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weisen darauf hin, dass Informationen aus Insolvenzverfahren, die in das Internet eingestellt sind, durch die Justiz nicht räumlich begrenzt werden können. Darüber hinaus ist deren Speicherung zeitlich nicht beherrschbar, und die Daten können vielfältig ausgewertet werden. Dies kann dazu führen, dass Dritte, etwa Auskunfteien oder Wirtschaftsinformationsdienste, die Daten auch nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens speichern und diese über längere Zeit im Internet verfügbar sind. Die mit der Insolvenzordnung bezweckte Chance der Schuldner auf einen wirtschaftlichen Neubeginn würde letztlich auf Dauer beeinträchtigt, wenn sie zeitlebens weltweit abrufbar am Schulden-Pranger stehen.

Der Gesetzgeber muss das Risiko für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher, aufgrund einer möglichen Auswertung justizieller Veröffentlichungen im Internet dauerhaft Einbußen bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr zu erleiden, sorgfältig mit dem Interesse an der beabsichtigten Senkung von Bekanntmachungskosten abwägen. Hierbei ist auch die gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen, dass Personen, für die ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gerade nicht in das Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht aufgenommen werden. Das Internet bietet im Gegensatz zu einem gerichtlichen Verzeichnis letztlich keine Gewähr, die ordnungsgemäße Pflege und Löschung personenbezogener Daten sicherzustellen, die für die Betroffenen von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung sein können. Die Datenschutzbeauftragten appellieren daher an den Gesetzgeber und an die Justizverwaltungen der Länder, die aufgezeigten Risiken insbesondere für Verbraucherinsolvenzen neu zu bewerten. Die vorgenannten Überlegungen sind im Gesetzgebungsverfahren bisher nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Dabei sollten die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichtes im Beschluss vom 9. März 1988 (1 49/86) zu einem vergleichbaren Sachverhalt einbezogen werden.

Es erscheint zu einfach, die Informationen im Internet in gleicher Weise abzubilden wie in der Zeitung. Gerade das Internet bietet neue Chancen und Möglichkeiten, Informationen gezielt nur denen zugänglich zu machen, die es angeht. Gerade hier sind neue Wege möglich, die mit herkömmlichen Medien nicht erreicht werden konnten. Es gilt deshalb, insbesondere zu untersuchen, ob dem Prinzip der Publizität bei Veröffentlichungen im Internet nicht ein anderer Stellenwert zukommt und wie gravierende Nachteile für die Betroffenen vermieden werden können.

Bevor die geplante Änderung des § 9 verabschiedet wird, ist daher vorrangig zu klären, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen besser geschützt werden kann.

Auch in anderen Bereichen wird das Internet bereits genutzt, erprobt oder die Nutzung erwogen, um justizielle Informationen bereitzustellen, z. B. die Handels-, Vereins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister oder in Zwangsvollstreckungsverfahren. Inwieweit das Internet als Medium der im Ergebnis unbegrenzbaren Informationsverarbeitung datenschutzrechtlich angemessen ist und welches Datenprofil in das Internet eingestellt werden darf, muss differenziert in Übereinstimmung mit dem gesetzlich bezweckten Grad der Publizität der jeweiligen Daten entschieden werden. Jede gesetzgeberische Entscheidung für eine Veröffentlichung über das Internet sollte aber im Hinblick auf deren besondere Risiken regeln, dass Veröffentlichungen befristet sind und dass spezielle Vorkehrungen getroffen werden, um die Identität und die Authentizität zu sichern sowie eine automatische Übernahme der Daten zu verhindern (Kopierschutz).