Das Verfügungsrecht über Vorarchivgut liegt gleichwohl beim zuständigen Archiv

Das Verfügungsrecht verbleibt daher bei der abliefernden Stelle. Für die Zugänglichmachung gelten die Normen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG).

Zu Absatz 5:

Mit diesem Absatz wird der Begriff des Vorarchivguts erläutert. Kennzeichnend für das Vorarchivgut ist dass ­ ebenso wie beim Archivgut ­ die Feststellung der Archivwürdigkeit vorgenommen wird und die endgültige Übernahme in das Archiv erfolgt, die Verwahrungs- bzw. Aufbewahrungsfrist aber noch nicht abgelaufen ist. Das Verfügungsrecht über Vorarchivgut liegt gleichwohl beim zuständigen Archiv. Es gelten die Normen des Archivgesetzes, so dass das zuständige Archiv in eigener Kompetenz auch über die Zugänglichmachung entscheidet.

Zu Absatz 6:

Dieser Absatz definiert den Begriff „archivwürdig" und legt die Kriterien für die archivische Bewertung von Unterlagen fest. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Entscheidungsbefugnis über die Archivgutbildung allein unter fachlichen Gesichtspunkten zu treffen ist und daher ausschließlich beim zuständigen Archiv liegt.

Zu Absatz 7: Absatz 7 definiert den Begriff der Archivierung durch Aufzählung der hierzu erforderlichen Tätigkeiten in systematischer Reihenfolge. Zu den Aufgaben des zuständigen Archivs gehört demnach die Erfassung, Bewertung, Übernahme, Verwahrung und ggf. Ergänzung ebenso wie die dauerhafte Erhaltung des Archivguts durch sichere Unterbringung und wirksame Maßnahmen der Konservierung und Restaurierung. Es besteht die Verpflichtung, das Archivgut zu erschließen, wissenschaftlich auszuwerten und für die Benutzung bereitzustellen und zu veröffentlichen.

Zum Zweiten Teil ­ Staatliches Archivwesen

Der zweite Teil behandelt ausschließlich das staatliche Archivgut. Staatliches Archivgut ist das Gedächtnis der Verwaltung und dient zugleich der wissenschaftlichen sowie der heimat-, orts- und genealogischen Forschung ebenso wie der historisch interessierten Allgemeinheit und jedem einzelnen Staatsbürger zum Nachweis seiner Rechte.

Zu § 3 ­ Organisation und Aufgaben des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen

Zu Absatz 1:

Der Absatz stellt den Rechtsstatus des Landesarchivs und seine aufsichtsrechtliche Einbettung dar.

Zu Absatz 2:

Es werden die Aufgaben des Landesarchivs umschrieben, die es im Interesse des Landes, der Öffentlichkeit, der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer, des Bildungswesens und der Wissenschaft wahrnimmt. Diese Aufgaben erstrecken sich auch auf archivwürdige Unterlagen der Rechtsvorgänger des Landes Nordrhein-Westfalen und der Funktionsvorgänger der in Absatz 2 Satz 1 genannten Stellen.

Zu Absatz 3:

Die Regelung soll es dem Landesarchiv ermöglichen, archivwürdige Unterlagen, die bei anderen als den vorgenannten Stellen entstanden sind, und Unterlagen privater Herkunft (z. B. Nachlässe, Verbands-, Vereins- und Parteiunterlagen) zu archivieren. Satz 2 hebt in diesem Zusammenhang das Archivgut von privatrechtlich organisierten, ganz oder mehrheitlich der öffentlichen Hand gehörenden Einrichtungen, die nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen, besonders hervor, ohne die ergänzende Überlieferungsbildung des Landesarchivs darauf zu beschränken. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass an der Archivierung solcher Unterlagen ein öffentliches Interesse besteht. Dabei geht es in erster Linie um die inhaltliche Ergänzung des durch die Anbietungspflicht der Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes entstandenen Archivguts. Ein Eingriffsrecht in die Zuständigkeit anderer Archive ist hiermit nicht verbunden.

Zu Absatz 4: Abs. 4 stellt die Mitwirkung des Landesarchivs bei der Festlegung landesweit gültiger Austauschformulare zur Archivierung elektronischer Dokument sicher.

Zu Absatz 5 Absatz 5 begründet die Beratungsfunktion des Landesarchivs im vorarchivischen Bereich.

Beratungsinhalte sind u. a. die Erstellung von Aktenplänen, Registraturvorschriften usw. Die Anforderungen an die Beratung sind bei konventionellen und elektronischen Unterlagen sehr unterschiedlich. Elektronische Unterlagen sind technikgebunden, instabil und unterliegen starken technischen Veränderungsprozessen. Um hohe Kosten für Systemanpassungen und Migrationen zu vermeiden muss deren Archivierung auch technisch umsetzbar sein, das heißt die IT-Systeme der anbietungspflichtigen Stellen müssen so beschaffen sein, dass die Aussonderung und Anbietung durch die anbietungspflichtige Stelle und die Bewertung und Übernahme durch das Landesarchiv organisatorisch und technisch möglich ist. Zur Sicherung der Datenstruktur und -qualität ist es zwingend erforderlich, die Beteiligung des Landesarchivs bereits bei der Planung und vor der Einführung von elektronischen Systemen in den anbietungspflichtigen Stellen nunmehr gesetzlich vorzuschreiben. Nur so können die Voraussetzungen für eine regulierte Anbietung und Übergabe geschaffen werden. Zudem wirkt sich die Beteiligung positiv auf die Gestaltung von Geschäftsprozessen und die mittelfristige Erhaltung in den anbietungspflichtigen Stellen aus. Dabei muss den digitale Unterlagen produzierenden Stellen klar sein, dass das Archiv seinen Dienstleistungsauftrag, die wichtigen Daten dauerhaft zu sichern, d.h. zugänglich und lesbar zu erhalten, nur erfüllen kann, wenn es im Prozess der Systementwicklung von Anfang an und obligatorisch berücksichtigt wird.

Zu Absatz 6:

Das Landesarchiv ist Ausbildungsstätte für den fachlichen Nachwuchs der Laufbahnen des höheren und des gehobenen Archivdienstes sowie der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste der Fachrichtung Archiv. Damit wird diese wichtige Aufgabe gesetzlich verankert.

Zu § 4 ­ Anbietung und Übernahme § 4 regelt das Zusammenwirken in der Überlieferungsbildung zwischen den Stellen, bei denen die Unterlagen entstehen und dem Landesarchiv, das die archivwürdigen Unterlagen nach Übernahme als Archivgut verwahrt. Eine regelmäßige Aussonderung und Anbietung von abgabereifen Unterlagen liegt nicht nur im Interesse der Überlieferungsbildung, sondern sie dient auch der Entlastung der Registraturen und erhöht dadurch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung.

Zu Absatz 1: Absatz 1 verpflichtet die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes, alle Unterlagen, die sie nicht mehr benötigen, d.h. in der Regel nach Ablauf der Verwahrungs- und Aufbewahrungsfristen, dem Landesarchiv zur Übernahme anzubieten. Spätestens dreißig Jahre nach Entstehung sind alle Unterlagen dem Landesarchiv anzubieten, sofern keine anderen

Rechtsvorschriften entgegenstehen, die eine längere Verwahrung bei den abliefernden Stellen festlegen. Das Landesarchiv ist befugt, zur Feststellung der Archivwürdigkeit Einsicht in alle Unterlagen und die dazu gehörenden Hilfsmittel und ergänzenden Daten zu nehmen.

Um eine frühzeitige Beratung der Behörden und die Entwicklung von Bewertungsmodellen zu ermöglichen, ist diese Befugnis nicht auf angebotene Unterlagen begrenzt, sondern erstreckt sich auf alle in diesem Zusammenhang relevanten bei der anbietenden Stelle erfassten Unterlagen. Die Anbietungspflicht bezieht ausdrücklich auch Unterlagen ein, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen und deshalb nicht geschlossen werden.

Zu Absatz 2:

Zur Sicherung einer vollständigen historischen Überlieferung sind auch Unterlagen dem Landesarchiv anzubieten und zu übergeben, die personenbezogene Daten enthalten und nach landesrechtlichen Vorschriften gelöscht werden müssten oder nach Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes gelöscht werden könnten. Dies gilt auch für Unterlagen, die unter besonderem gesetzlichem Geheimnisschutz stehen oder sonstigen Geheimhaltungsvorschriften unterliegen. Die Anbietungspflicht auch für diese Unterlagen ist gerechtfertigt, weil die Verwahrungs- und Nutzungsvorschriften ausreichen um sowohl die schutzwürdigen Belange Betroffener oder Dritter, als auch überwiegende Interessen der Allgemeinheit angemessen und ausgewogen zu berücksichtigen. Von der Anbietung und Übernahme ausgenommen bleiben Unterlagen mit personenbezogenen Daten, deren Speicherung unzulässig war, in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe a) Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW). Bei Unterlagen von Gesundheitseinrichtungen (z. B. Patientenakten aus Kliniken) und ärztlichen Beratungsstellen und Beratungsstellen der Ehe-, Erziehungs- oder Jugendberatung sowie Schwangerschaftskonfliktberatung, die zum persönlichen Lebensbereich gehörende und nach § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 4a StGB geschützte Geheimnisse enthalten, wird die Anonymisierung vor Abgabe an das Landesarchiv zwingend vorgeschrieben. Für die Sicherung der Überlieferung können hinsichtlich der Form und Durchführung der Anonymisierung sinnvolle Vorgaben in der Benutzungsordnung formuliert werden.

Zu Absatz 3:

Das Landearchiv kann mit den anbietungspflichtigen Stellen Vereinbarungen zur Anbietung und Übernahme treffen. Sie dienen bei konventionellen Unterlagen der Standardisierung und Erleichterung der Verfahren und sichern die Qualität der landesweiten Überlieferungsbildung.

Für die Sicherung der Überlieferungsbildung aus elektronischen Unterlagen sind Vereinbarungen zur Anbietung und Übernahme unumgänglich: Vor einer Übergabe wird das jeweilige Speicherformat zur Lesbarkeit bei Archivierung durch das Landesarchiv vorgegeben. Für elektronische Unterlagen, gerade wenn sie einer laufenden Aktualisierung unterliegen, muss der Übergang der Daten ins Landesarchiv geregelt werden, wobei Zeitpunkt, Modus und Rahmenbedingungen für die Anbietung dieser Unterlagen zwischen den beteiligten Stellen festzulegen sind.

Zu Absatz 4:

Der Absatz stellt klar, dass für im Landesarchiv befindliches Archivgut von Stellen des Bundes, an denen das Land ein öffentliches Interesse hat, die Vorschriften des Bundesarchivgesetzes in Bezug auf Ermächtigung und Fristen Anwendung finden.

Zu Absatz 5:

Die anbietungspflichtigen Stellen sind von der Aufbewahrungspflicht zu entbinden, sofern das Landesarchiv nicht binnen angemessener Frist (sechs Monate) über die Archivwürdigkeit und damit über die Übernahme der angebotenen Unterlagen entscheidet. Die Unterlagen sind nach Ablauf dieser Frist zu vernichten, wenn für die anbietende Stelle kein Grund zu der Annahme besteht, dass durch die Vernichtung Rechtsvorschriften oder schutzwürdige Belange Betroffener verletzt werden. Als Ausnahmefall wird hier die Möglichkeit eingeräumt,