Wer haftet nach Aufgabe des Bergbaus für die Jahre später noch auftretenden Schäden?
Im ehemaligen Aachener / Erkelenzer Steinkohlerevier müssen sich jetzt, nachdem die letzte Zeche ihren Betrieb 1997 eingestellt hat, vermehrt Bürgerinnen und Bürger mit neuartigen, bisher unerwarteten Bergschäden durch wieder ansteigendes Grundwasser auseinandersetzen. Vor dem Hintergrund des geplanten Börsengangs der RAG ist es für die jetzt und zukünftig betroffenen Bürgerinnen und Bürger und für die betroffenen Kommunen von besonderer Bedeutung, wie diese offensichtlich erst Jahre nach Beendigung des aktiven Bergbaus auftretenden Schäden zukünftig reguliert werden.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Welche Verjährungsregelungen gibt es für von Bergbauschäden betroffene Bürger/innen und Kommunen bei der Geltendmachung der durch wieder aufsteigendes Grundwasser verursachten Bergschäden?
2. Welche Kommunen des ehemaligen Aachener / Erkelenzer Reviers sind nach Aufgabe der Förderung in den jeweiligen Zechen Bergschadensverzichte bzw. Abschlussvereinbarungen zur Regelung von Schäden an öffentlichen Gebäuden, Straßen oder Kanalisationen eingegangen, die die Unternehmen von zukünftigen Schadensersatzleistungen freistellt?
3. Haben diese Kommunen jetzt nach dem Auftreten der bisher unbekannten Bergschäden durch wieder ansteigendes Grundwasser Aussichten, diese neuartigen Schäden erstattet zu bekommen oder können diese Schäden nicht mehr als Bergschäden beim Verursacher geltend gemacht werden?
4. Wie werden die Interessen der jetzt schon betroffenen Bürgerinnen und Bürger und die Interessen derjenigen, bei denen Schäden erst in den kommenden Jahren durch den Wiederanstieg des Grundwassers anfallen, bei einem möglichen Börsengang der RAG abgesichert?
5. Ist die Landesregierung bereit, zur Wahrung der Interessen der betroffenen Bürger/innen - ggf. wie bei der Umsiedlung im Braunkohlerevier - einen Ombudsmann einzusetzen, der die Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen bei der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber dem Bergbau unterstützt?
Antwort der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 5. Januar 2006 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Zur Frage 1:
Nach § 117 Abs. 2 des Bundesberggesetzes (BBergG), der durch Art. 5 Abs. 32 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) neu gefasst wurde, finden auf die Verjährung eines Anspruchs auf Ersatz eines Bergschadens die Vorschriften des fünften Abschnitts des ersten Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches, d.h. die §§ 194 225 BGB, entsprechende Anwendung. Diese Regelungen sind durch das erwähnte Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts ebenfalls neu gefasst worden.
Nach § 195 BGB beträgt die sog. relative Verjährungsfrist, die auch für Schadensersatzansprüche gilt, drei Jahre. Sie beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Entstanden ist der Anspruch nicht schon mit dem Setzen der Schadensursache, es muss vielmehr auch ein Schaden eingetreten sein.
Absolut, d.h. ohne Rücksicht auf Entstehung des Anspruchs und Kenntnis des Schädigers, verjährt ein Anspruch auf Ersatz eines Bergschadens in Fällen der Tötung, Körperverletzung oder Freiheitsberaubung nach § 199 Abs. 2 BGB in dreißig Jahren ab dem schadensauslösenden Ereignis. In sonstigen Fällen, d.h. insbesondere bei Sach- und Vermögensschäden, beträgt die absolute Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 BGB zehn Jahre ab Entstehung des Anspruchs oder dreißig Jahre ab dem schadensauslösenden Ereignis, wobei die früher endende Frist maßgeblich ist.
Nach den Übergangsvorschriften in § 170a BBergG i.V.m. Art. 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) gelten die neu gefassten §§ 194 225 BGB grundsätzlich auch für Ansprüche, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (01.01.2002) entstanden waren. Allerdings kann in Einzelfragen der Fristenberechnung sowie der Hemmung und Unterbrechung der Verjährung noch zuvor geltendes Recht anzuwenden sein.
Zu den Fragen 2 und 3:
Der Ersatz von Bergschäden ist eine rein zivilrechtliche Angelegenheit zwischen dem Bergbauunternehmer und den Geschädigten, an der die Bergbehörden nicht beteiligt sind. Dies gilt auch für evtl. Vereinbarungen betr. Bergschäden an öffentlichen Einrichtungen, die Kommunen mit dem Bergbauunternehmer abgeschlossen haben mögen. Einzelheiten hierzu sind der Landesregierung daher nicht bekannt. Aus diesem Grund muss sich die Landesregierung auch Mutmaßungen darüber enthalten, ob Schäden der Kommunen durch wieder ansteigendes Grundwasser noch ersatzfähig sein könnten.
Zur Frage 4:
Bei einem Börsengang der RAG werden die aus ihrem Bergwerkseigentum resultierenden Verpflichtungen zum Schadenersatz für Bergschäden in geeigneter Weise zu bewerten und in den anstehenden Verhandlungen zu berücksichtigen sein. Im Übrigen werden die bergrechtlichen und zivilrechtlichen Vorschriften zum Schadenersatz für Bergschäden durch einen Börsengang der RAG nicht tangiert.
Zur Frage 5:
Während wie dargestellt der Ersatz von Bergschäden eine zivilrechtliche Angelegenheit zwischen dem Bergbauunternehmer und den Geschädigten ist, war das Land an der Vorbereitung der notwendigen Umsiedlungen im Braunkohlenrevier planerisch gestaltend beteiligt, ohne dass es um die Abwehr oder Liquidierung von Bergschäden gegangen wäre. Insofern sind die Fallgestaltungen nicht miteinander vergleichbar.