WestLB AG: Landesregierung muss vollständige Transparenz schaffen und einen Risikobericht vorlegen

Die Landesregierung muss einen Kassensturz, einen Kassensturz insbesondere bezüglich der WestLB-Beteiligung vornehmen. Gerade hier haben Öffentlichkeit und Parlament einen Anspruch auf vollständige Transparenz. Zu dieser vollständigen Transparenz zählt auch, dem Parlament alle ihm bislang vorenthaltenen Dokumente zugänglich zu machen. Damit Öffentlichkeit und Parlament überdies die in Verbindung mit der Bank bestehenden Risiken und deren Ausmaß besser einschätzen können, muss die Landesregierung einen WestLB-Risikobericht vorlegen.

I. Aktuelle Situation und Perspektive:

Eine WestLB AG im „stand alone Format" ist weder in der derzeitigen noch in einer anderen Aufstellung zukunftsfähig. Insofern gibt es zu dem Ziel, die Bank ­ in einem oder in mehreren Schritten ­ zum Ausgangspunkt einer nachhaltigen Landesbankenkonsolidierung zu machen, keine Alternative. Voraussetzung für die Initiierung eines solchen Prozesses ist, dass alle (noch verbliebenen) toxischen und illiquiden Papiere, die Phönix-Schuldverschreibungen und alle nicht mit der strategischen Neuausrichtung kompatiblen Geschäftsfelder aus der Bilanz der Bank herausgenommen werden.

Dabei ist unbestritten, dass die WestLB AG über die Expertise ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besonderes Kompetenzprofil ­ vor allem im Kapitalmarktgeschäft und im Bereich von Infrastrukturfinanzierungen - in diesen Konsolidierungsprozess einbringen kann.

Dass sie dabei zudem über einen stabilen operativen Kern verfügt, machen nicht zuletzt die am 12. November vorgelegten Geschäftszahlen zum Ablauf des III. Quartals 2009 deutlich, die zwar aufgrund einer massiven Aufstockung bei der Risikovorsorge hinter dem Halbjahresergebnis zurückbleiben, gleichzeitig aber von einem signifikanten Anstieg bei den Zinsüberschüssen geprägt werden. Dies zeigt, dass die Bank nach wie vor gute Produkte vorhält und diese Produkte auch am Markt nachgefragt werden.

Gelingen wird der Konsolidierungsprozess ­ dies ist die Lehre, die es aus den gescheiterten Fusionen der letzten Jahre zu ziehen gilt, ­ nur bei einer zielführenden politischen Flankierung durch die Bundesebene. Insofern wäre eine Beteiligung des Bundes an einer auf eine gesunde Kernbank fokussierten WestLB AG kein Tabubruch, sondern eine Chance, dem zuletzt deutlich ins Stocken geratenen Konsolidierungsprozess eine neue Dynamik zu verleihen. Dies müssen auch die Anteilseigner der Bank, allen voran die Landesregierung und der ihr vorstehende Ministerpräsident, erkennen.

Mit einem mehrheitlichen Einstieg des Bundes in die WestLB AG wäre zudem die Forderung der EU-Kommission nach einem Eigentümerwechsel erfüllt. Denn die bezüglich der PhönixOperation ergangene Beihilfeentscheidung vom 12. Mai 2009 stellt zwar primär auf die Durchführung eines diskriminierungsfreien Bieterverfahrens ab, bewertet aber vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise und unter der Prämisse der Benennung eines Sachverständigen (trustee) die Einbringung der Bank in einen Prozess der Landesbankenkonsolidierung als gleichrangige Alternative.

II. Risiken in Verbindung mit der nachlaufenden Gewährträgerhaftung:

Nach einem langen Beihilfestreit verständigten sich die EU-Kommission und Deutschland am 17. Juli 2001 auf die Abschaffung der Gewährträgerhaftung für im Wettbewerb stehende Institute zum 18. Juli 2005. Als Folge dieser Verständigung verloren die Landesbanken ihr Geschäftsmodell, das im Wesentlichen darin bestand, sich an den Kapitalmärkten auf der Grundlage der staatlichen Haftungsgarantien günstig zu refinanzieren und die so beschafften Mittel ein Stück billiger an Kreditnehmer auszureichen als ihre Wettbewerber.

Dabei wurde den Instituten jedoch eine Besitzstandsregelung im Sinne einer sog. nachlaufenden Gewährträgerhaftung eingeräumt. So unterliegen alle Verbindlichkeiten, die die WestLB vor dem 18. Juli 2001 eingegangen ist, auch weiterhin uneingeschränkt und bis zu ihrer vollständigen Ablösung der Gewährträgerhaftung. Ähnliches gilt für Verbindlichkeiten, die im Zeitraum zwischen dem 18. Juli 2001 und dem 18. Juli 2005 aufgebaut wurden, aber in ihrer Wirkung nicht über den 31.12.2015 hinausreichen.

Laut Presseberichterstattung betrug das Gesamtvolumen der WestLB-Verbindlichkeiten, die zum Stichtag 1.1.2009 noch der Gewährträgerhaftung unterlagen, ca. 70 Mrd. EUR. Im Falle einer Insolvenz der Bank könnten diese Forderungen unmittelbar und gesamtschuldnerisch gegenüber jedem Anteilseigner geltend gemacht werden.

Diese hohe Summe erklärt sich vor allem dadurch, dass die WestLB AG sich ähnlich wie andere Landesbanken im Vorfeld des Wegfalls der Gewährträgerhaftung im Juli 2005 in gewaltigem Maße am Kapitalmarkt mit Liquidität versorgt hat. Allein bei der WestLB AG soll dieses „front-loading" in einer Größenordnung von 44 Mrd. EUR erfolgt sein.

III. Risiken in Verbindung mit dem Phönix-Portfolio:

Als Reaktion auf die fortwährenden Wertberichtigungen im Zuge der Finanzmarktkrise hat die WestLB AG zum 1.4.2008 Aktiva in Höhe von 23 Mrd. EUR in eine eigens hierfür gegründete Zweckgesellschaft („Phönix Light SF Limited") ausgelagert. Im Gegenzug hat sie von Phönix begebene Schuldverschreibungen erhalten. Diese Schuldverschreibungen wurden in eine untere und eine obere Tranche gegliedert. Die untere Tranche (junior notes) in Höhe von 5 Mrd. EUR bezieht sich auf die besonders von einem Ausfall bedrohten Papiere, während die obere Tranche (senior notes) in Höhe von 18 Mrd. EUR zur Abdeckung jener Papiere dient, denen ein geringes Ausfallrisiko attestiert wurde.

Abgesichert wurde diese Operation durch einen Risikoschirm in Höhe von 5 Mrd. EUR, der im Außenverhältnis allein vom Land NRW dargestellt wird. Im Innenverhältnis hingegen wird er in Bezug auf die ersten 2 Mrd. EUR von den WestLB-Anteilseignern quotal und darüber hinaus disquotal ausschließlich vom Land NRW getragen.

Die für das Phönix-Portfolio abgegebene Garantie wurde bislang in Höhe von 285,7 Mio EUR in Anspruch genommen, wovon gemäß seines ca. 38 % igen Anteils an der WestLB AG 107,6 Mio EUR auf das Land NRW entfallen. In den nächsten Jahren ist hier allerdings mit deutlich höheren Garantieziehungen zu rechnen. So belaufen sich die jüngsten „expected loss" Berechnungen der WestLB wie auch des mit der Verwertung der Assets beauftragten Fondsmanagers „PIMCO" unabhängig voneinander auf Werte von über 5 Mrd. EUR.

IV. Risiken in Verbindung mit dem § 8-Portfolio:

Unter Hinweis auf veränderte Risikoberechnungen wurden die WestLB-Anteilseigner Ende Mai 2009 seitens der BaFin mit der Forderung konfrontiert, den Phönix-Rettungsschirm um 4 Mrd. EUR auf dann insgesamt 9 Mrd. EUR aufzustocken. Die BaFin argumentierte, dass ohne eine solche Aufstockung die Dekonsolidierung (= bilanzielle Auslagerung) des Portfolios nicht mehr gewährleistet wäre, wodurch die Eigenkapitalausstattung der Bank unter den aufsichtsrechtlichen Mindestwert rutschen würde.

Vor allem die beiden Sparkassenverbände lehnten die Abgabe einer ­ wie von der BaFin unter Verweis auf die SolvabilitätsVO gefordert - unbefristeten Garantie und die damit verbundene Übernahme zusätzlicher Risiken ab. Trotz dieser Weigerung sah die BaFin jedoch von der zuvor angedrohten Schließung der WestLB AG ab.

Nach intensiven Verhandlungen verständigten sich die Beteiligten am 30.9.2009 darauf, dass der SoFFin auf der Grundlage von § 8 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) zusätzlich zur Phönix-Struktur ein Portfolio ­ bestehend aus einem Teil der Phönix-Schuldverschreibungen und einigen noch bilanziell von der Bank getragenen strukturierten Papieren (House of Europe und Carnuntum) ­ im Volumen von 6,4 Mrd. EUR absichert.

Im Gegenzug haben die WestLB-Anteilseigner eine quotale Rückgarantie gegenüber dem SoFFin in Höhe von 4 Mrd. EUR abgegeben. Absicherung und Rückgarante gelten bis zum 30.11.2009. Bis zu diesem Zeitpunkt soll für das Portfolio eine finale Auslagerungslösung in Form einer AidA-Überführung gemäß § 8a FMStFG gefunden werden.

Einige der im § 8 Portfolio zusammengefassten Papiere gelten als stark ausfallgefährdet, so dass hier zumindest langfristig mit einer signifikanten Inanspruchnahme der Anteilseigner gerechnet werden muss. Vorsichtige Schätzungen gehen von einem Risikopotenzial in Höhe von ca. 1,5 bis 2 Mrd. EUR aus.

V. Risiken in Verbindung mit dem Omega-Portfolio (AidA):

Bereits Anfang 2009 hat die WestLB AG ein Portfolio mit den verbliebenen toxischen Papieren, den Phönix-Schuldverschreibungen und mit nicht mehr zum Kerngeschäft zählenden Assets in Höhe von insgesamt ca. 85 Mrd. EUR zusammengestellt. Ursprünglich war geplant, die Bank entlang dieses sog. „Omega-Portfolios" in eine Kernbank und eine Abwicklungsbank aufzuspalten. Nach erfolgter Novellierung des FMStFG im Zuge des Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetzes (= „bad bank Gesetz") soll das Omega-Portfolio nun gemäß § 8a FMStFG in eine Abwicklungseinheit, eine sog. „Anstalt in der Anstalt" (AidA), überführt werden.