Wie viele Strukturermittlungs oder Umfangsverfahren wurden in Nordrhein Westfalen seit dem Sechsfachmord

Freiheitsstrafen wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, die sich zum Zweck des internationalen Handels mit Betäubungsmitteln gegründet hatte.

14. Wie viele Strukturermittlungs- oder Umfangsverfahren wurden in Nordrhein Westfalen seit dem Sechsfachmord geführt?

Die Begriffe der Strukturermittlungen und Umfangsverfahren finden im polizeilichen Sprachgebrauch Verwendung. Ihnen liegt keine fachlich oder rechtlich verbindliche Definition zu Grunde.

Strukturermittlungen dienen dem Erkennen der Organisationsstrukturen von Gruppierungen, die der OK zugerechnet werden. Sie sind insbesondere darauf ausgerichtet, Personen, Objekte, Institutionen und Sachen zuzuordnen, hierarchische Beziehungen zu erkennen, Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen sowie Handlungsfelder der Gruppierungen festzustellen, ggf. auch, um Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten zu erkennen und Ermittlungsverfahren einzuleiten.

In Strukturermittlungen werden insbesondere die aus Ermittlungsverfahren erzielten Erkenntnisse über Personen und Beziehungsgeflechte einbezogen sowie ergänzende Daten auf der Grundlage polizeigesetzlicher Befugnisse erhoben. Seit August 2007 sind in Zusammenhang mit italienischer OK in NRW in diesem Kontext fünf Auswerte- und Analyseprojekte eingerichtet und neun Ermittlungsverfahren zu umfangreichen Verfahrenskomplexen eingeleitet worden.

Als Umfangsverfahren werden in der Regel Ermittlungsverfahren bezeichnet, die durch eine überdurchschnittliche Dauer oder erheblichen personellen und sachlichen Aufwand von Polizei und ggf. auch der Staatsanwaltschaft gekennzeichnet sind. Dies kann sich u.a. aus der Vielzahl der zu verfolgenden Einzeldelikte, einer hohen Anzahl von Geschädigten und/oder Beschuldigten, der Schwere der Tat und/oder dem Umfang der zu erhebenden und auszuwertenden Beweismittel ergeben.

Die in den Lagebildern OK des LKA abgebildeten Ermittlungsverfahren entsprechen in aller Regel diesen Merkmalen, auch soweit es sich um die Ermittlungsverfahren mit Bezügen zur italienischen OK handelt.

II. Weitere Entwicklung der Mafia-Kriminalität

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Rahmenbedingungen für die künftige nationale und internationale Ausbreitung der Mafia-Kriminalität?

Es ist davon auszugehen, dass die Führungsebenen einer international agierenden italienischen OK - wie die anderer Ethnien mit höherem OK-Potenzial auch - langfristig, strategisch und unternehmerisch planen. Daher ist anzunehmen, dass sie insbesondere europäische Nationalstaaten auf ihre Eignung als Aktionsraum oder als Ruhe- und Rückzugsraum prüfen und vergleichen. Weiter ist anzunehmen, dass für bestimmte arbeitsteilige Aktivitäten jeweils verschiedene Nationalstaaten Vor- oder Nachteile aufweisen können. Eine nicht unerhebliche Bedeutung bei ihrer Prüfung dürften dabei das jeweilige Rechts-, Verwaltungs-, Finanzund Gesellschaftssystem sowie der allgemeine Lebensstandard einnehmen.

Die Landesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Standort Deutschland eine besondere Attraktivität für eine künftige nationale Ausbreitung der italienischen OK aufweist.

Straftäter der grenzübergreifenden OK nutzen die im Rahmen der Europäischen Union geschaffenen Freiheits- und Freizügigkeitsregelungen für den Personen- und Wirtschaftsverkehr. Sie sind einerseits mobil, andererseits mit modernsten Kommunikationsmitteln ausgerüstet und damit häufig nicht auf eine physische Anwesenheit am Ort, an dem der strafrechtliche Schaden entsteht, angewiesen.

Die Europäische Union (EU), d. h. die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten, haben in den vergangenen 10 Jahren seit dem Gipfel von Tampere den Aufbau des "Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" mit effektiven Regelungen (Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse) eine effektiver koordinierte Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden vorangetrieben. Hierzu zählen insbesondere

- die Einrichtung der Agenturen Europol und Eurojust

- Rahmenbeschlüsse zur Bekämpfung der OK

- ständig novellierte Ausgleichsmaßnahmen für den Wegfall der Binnengrenzen (Schengener Informationssystems und Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ)

- die Einführung eines Europäischen Haftbefehls

- die Novellierung des EU-Rechtshilfeübereinkommens

- die Einsetzung spezieller Ratsarbeitsgruppen zur Bekämpfung der OK (Multidisziplinäre Gruppe OK - MDG OK) und zur Verbesserung der polizeilichen, operativen Zusammenarbeit (EPCTF - European Police Chief Task Force)

- sowie nicht zuletzt der Abschluss bi- und multilateraler Staatsübereinkommen wie z. B. des "Prümer Vertrags" zum gegenseitig automatisierten Abgleich von Spuren.

Dabei bleibt es aber auch in Zukunft beim Grundsatz der nationalen Verantwortlichkeit für die Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit. Ab 2010 wird die EU - in den effizienteren Strukturen des Vertrags von Lissabon - die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Änderungen der Rahmenbedingungen auf ihre möglichen und tatsächlich feststellbaren Auswirkungen auf die Ausbreitung der OK, auch die italienische OK, genau beobachten und mit gezielten legislativen Maßnahmen agieren. Das Innenministerium und das Justizministerium NRW streben an, zusammen mit dem Bund auch in Zukunft in wichtigen EUGremien präsent zu sein und die weitere Entwicklung mit zu beeinflussen.

2. Welche Auswirkung hat die technologische Entwicklung für die MafiaKriminalität?

Eine verstärkte Ausnutzung der durch die Digitalisierung aller gesellschaftlichen und individuellen Lebensbereiche, insbesondere die Ausbreitung des Internets und das Verschmelzen von Kommunikations- und Informationstechnologie für die Erscheinungsformen italienischer OK ist bisher nicht festgestellt worden, ebenso wenig wie die durch Globalisierung von Wirtschaft und Finanzmärkten und die Nutzung der neuen Technologien geschaffenen erweiterten Tatgelegenheiten und Vorgehensweisen.

Die Strafverfolgungsbehörden berücksichtigen gleichwohl die Möglichkeit einer solchen Entwicklung bei ihrer gefahrenabwehrenden Erkenntnisgewinnung sowie bei strafprozessualen Ermittlungen.

3. Welche künftigen Entwicklungen erwartet die Landesregierung im Bereich der Mafia-Kriminalität?

Das LKA NRW weist im Lagebild OK NRW 2008 auf ein vermehrt grenzüberschreitendes Handeln und die Nutzung internationaler Kontakte durch die Tatverdächtigen sowie eine häufig multinationale und -ethnische Zusammensetzung der kriminellen Organisationen hin.

Nach der Bewertung der Strafverfolgungsbehörden wird auch die italienische OK vermehrt in heterogenen, d.h. multinationalen oder multiethnischen Netzwerken agieren.

Die Landesregierung erwartet, dass Gruppen italienischer OK auch weiterhin insbesondere im Bereich des internationalen Kokainhandels, der einen Schwerpunkt der kriminellen Aktivitäten der italienischen OK ausmacht, agieren, und zwar in multinationalen oder multiethnischen Netzwerken. Nach Einschätzung des LKA wird sich dieser Trend künftig verstärken.

4. Warum betrachtet das BKA in seinen beiden einschlägigen Berichten aus dem Jahr 2008 Nordrhein-Westfalen als eine Hochburg der kalabresischen MafiaAktivitäten in Deutschland?

Dem LKA NRW liegen keine Erkenntnisse vor, die eine solche Annahme rechtfertigen.

5. Werden wegen Mafia-Zugehörigkeit bereits in Italien verurteilte Mitglieder der Ndrangheta, der Camorra oder der Cosa Nostra auch in Nordrhein-Westfalen observiert?

Gegen Mitglieder der Ndrangheta, der Camorra oder der Cosa Nostra werden polizeiliche Maßnahmen getroffen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

6. Gab es Vorfälle, in denen bekannt wurde, dass zur Mafia gehörende oder der Mafia nahe stehende Italiener die Nähe zu Politikern des Landes Nordrhein-Westfalen gesucht haben?

Nein. Auf die Antwort zu Frage I. 2 wird hingewiesen.

III. Strategien zur Bekämpfung der Mafia-Kriminalität

1. Welche Aufgaben der Bekämpfung der Mafia-Kriminalität werden auf der Ebene der Europäischen Union, welche von den Polizeibehörden des Bundes (Bundespolizei, BKA, Zoll) und welche von den Polizeibehörden des Landes wahrgenommen?

Die Aufgaben der Behörden bei der Bekämpfung der OK werden auf Basis der jeweiligen gesetzlichen Aufgabenzuweisungen wahrgenommen. Aufgaben der Strafverfolgung und der konkreten Gefahrenabwehr obliegen ausschließlich nationalstaatlichen Behörden. Die Grundzuständigkeiten liegen bei den Staatsanwaltschaften und Polizeien der Länder.

Das europäische Polizeiamt Europol unterstützt die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten durch die Erleichterung des Informationsaustauschs, die Bereitstellung operativer Analysen und die Unterstützung der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten.