„Sondermülldeponie Troisdorf": Stoppt die Landesregierung den beantragten Sondermülltourismus in den Rhein-Sieg-Kreis?

Am 6. November 2009 hat die Firma EVONIK bei der Bezirksregierung Köln einen Antrag auf Öffnung der Sondermüll-Deponie Troisdorf-Sieglar für Abfälle Dritter aus dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowie für Konzernabfälle von bis zu 15.000 t/a aus dem Bereich der EU eingereicht. Begründet wird der Änderungsantrag mit dem Hinweis auf den künftigen wirtschaftlichen Betrieb der Deponie. Hintergrund des Antrags ist auch ein Eigentümerwechsel der Sondermülldeponie von EVONIK auf die Mineralplus Gesellschaft für Mineralaufbereitung und -verwertung mbH. Verwiesen wird von EVONIK auch auf eine positive Vorabstimmung vor Antragstellung bereits mit der Bezirksregierung Köln und dem Umweltministerium des Landes NRW.

Die Bezirksregierung Köln beabsichtigt, den beantragten Sondermüll-Tourismus nach Troisdorf ohne ein Planfeststellungsverfahren und eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit auch ohne eine Beteiligung der betroffenen Bevölkerung zu genehmigen.

Die Sondermüll-Deponie wurde 1981 als Werksdeponie der Dynamit Nobel AG planfestgestellt. Aufgrund der sinkenden Sonderabfallmengen in den Folgejahren, zeigt sich schon seit geraumer Zeit, dass das planfestgestellte Volumen von etwa 3 Mio. m³ vollkommen überdimensioniert war. Im Jahr 2007 wurde ­ nach einer ersten Erweiterung im Jahr 1996 ­ ohne Beteiligung der Stadt Troisdorf von der Bezirksregierung Köln dennoch eine weitere Erweiterung des Einzugsbereichs der Deponie auf alle Standorte der Degussa in Deutschland genehmigt.

Aus der ursprünglich von der Region aus Standortgründen akzeptierten Werksdeponie für Sonderabfälle soll so nun eine Deponie für Sonderabfälle aus ganz Deutschland und Europa im Rhein-Sieg-Kreis werden. Anstatt der sachgerechten Schließung der überdimensionierten Deponie nach dem 4. Abschnitt soll eine Erweiterung in Verbindung mit der Erschließung von weiteren Deponieabschnitten stattfinden.

Damit ist neben Belastungen der Bevölkerung und der Umwelt auch ein Verstoß gegen die Grundsätze und Ziele der Entsorgungsautarkie, der Nähe und der Entsorgungssicherheit zu befürchten. Daher wird insbesondere vor Ort gefordert, den Antrag zur Öffnung der Deponie für Abfälle Dritter und die Erweiterung des Einzugsgebietes abzulehnen.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Wie der Abfallwirtschaftsplan, Teilplan Sonderabfälle (gefährliche Abfälle), des MUNLV - bekannt gemacht in 02/2008 - darstellt, ist die „Sonderabfalldeponie für Produktionsabfälle" der Fa. Evonik Degussa Immobilien GmbH & Co. KG in Troisdorf eine von 8 Sonderabfalldeponien (Deponieklasse III), die die langfristige und umweltverträgliche Entsorgungssicherheit in Nordrhein-Westfalen gewährleisten.

Der im Vorspann der Kleinen Anfrage dargelegte Wandel in der Funktion dieser Sonderabfalldeponie ist der Landesregierung bekannt; er ist Ausdruck und Ergebnis des Strukturwandels u. a. in der Chemischen Industrie sowie von Vermeidungs- und Verwertungsmaßnahmen.

Die 1986 planfestgestellte Deponie verfügt über ein Restvolumen von rund 2 Mio. m3 (3 Mio. t). Angesichts der sich bei knapp 20.000 m³/a eingependelten Ablagerungsmenge (davon aktuell rund 65% gefährliche Abfälle) ist ein wirtschaftlicher Deponiebetrieb in Frage gestellt. Die von Evonik Industries beantragte Öffnung für Dritte und begrenzte Erweiterung des Einzugsgebietes ist deshalb betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Wegen der grundsätzlich gegebenen Eignung dieser Sonder-abfalldeponie (SAD) und ihrer Einbindung in die landesweite Entsorgungsinfrastruktur für gefährliche Abfälle ist ein Weiterbetrieb dieser Deponie bei Öffnung für Dritte („Allgemeinzugänglichkeit") auch aus übergeordneter entsorgungspolitischer Sicht sinnvoll.

In entsprechenden Vorgesprächen mit der Fa. Evonik Industries hat das Umweltministerium allerdings klargestellt, dass eine Ausweitung des Einzugsgebietes grundsätzlich auf das Bundesgebiet zu begrenzen ist. Ein darüber hinausgehendes EU-Einzugsgebiet ist auf den Konzernverbund (= Standortsicherung) mit einer Obergrenze von 15.000 t/a zu beschränken.

Diese Vorstellung, die deutlich unter den Überlegungen der Fa. Evonik Industries blieb, floss in den Antrag ein.

Zur Einordnung der möglichen Konsequenzen einer Genehmigung des Antrags auf das Ablagerungsmengengerüst bleibt zu berücksichtigen, dass das Potential der Betreiber, (gefährliche) Abfälle von außerhalb des Landes zu akquirieren, ausweislich der vorliegenden Vollzugsdaten sehr begrenzt ist.

Die Genehmigungsfähigkeit des Antrages hängt von den Ergebnissen der Antragsprüfung durch die zuständige Bezirksregierung Köln ab, die nach Recht und Gesetz entscheiden wird.

1. Wie bewertet die Landesregierung den beabsichtigten Sondermülltourismus in den Rhein-Sieg-Kreis, insbesondere in Bezug auf den Grundsatz der Nähe, in Bezug auf die Entsorgungsautarkie und der Entsorgungssicherheit und in Bezug auf die Beschränkung der Ablagerung bestimmter Stoffe?

Auf die Entsorgung gefährlicher Abfälle spezialisierte Deponien der Klasse III verfügen über aufwändige Sicherungssysteme und sind entsprechend kostenintensiv. Für einen wirtschaftlichen Deponiebetrieb sind überregionale, großräumige Einzugsgebiete erforderlich.

Entsprechend weist der Abfallwirtschaftsplan (AWP), Teilplan (TP) Sonderabfälle, darauf hin, dass auf Grund der hohen (technischen) Anforderungen und der relativ geringen Abfallmengen bei der Ablagerung gefährlicher Abfälle oft ein zumindest bundesweites, in bestimmten Fällen auch ein die Staatsgrenzen überschreitendes Einzugsgebiet angeraten erscheint.

Ehemals betriebseigene Deponien legen dabei naturgemäß ein besonderes Augenmerk auf die Entsorger des Konzernverbundes, was einen Standortsicherungsaspekt für das Unternehmen begründet.

Die im AWP, TP Sonderabfälle, formulierten Ziele der Autarkie und Nähe beziehen sich auf im Lande anfallenden gefährlichen Abfällen und zielen auf eine weitgehende Minimierung der Transportbewegungen für die NRW-Abfälle ab. Der Antrag widerspricht den Zielen des Abfallwirtschaftsplanes nicht.

2. Welche Zusagen hat die Landesregierung gegenüber der Firma EVONIK bereits vor Antragseinreichung gemacht?

Im Vorfeld der Antragstellung hat es ­ wie es nicht unüblich ist ­ Gespräche zwischen dem Deponiebetreiber und dem Umweltministerium über die grundsätzliche entsorgungspolitische Beurteilung einer Öffnung der Sonderabfalldeponie gegeben. Dabei hat das Umweltministerium die im Vorspann angesprochene Begrenzung einer Öffnung betont und deutlich gemacht, dass ein konkreter Antrag von der zuständigen Behörde nach Recht und Gesetz geprüft wird.

3. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert das Vorgehen der Bezirksregierung, den Antrag ohne Planfeststellung und Umweltverträglichkeitsprüfung und damit ohne Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigen zu wollen?

4. Wie bewertet die Landesregierung diese Vorgehensweise?

Die von der Bezirksregierung Köln als zuständige Genehmigungsbehörde durchgeführte allgemeine Vorprüfung des angesprochenen Antrages gelangte zu dem Ergebnis, dass durch die beantragte Erweiterung des Einzugsgebietes keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Diese Einschätzung resultiert aus dem Umstand, dass der Antrag weder die planfestgestellte Deponiekapazität noch die zugelassenen Abfallarten tangiert. Sofern keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen auf die Schutzgüter zu besorgen sind, entfällt die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP (gem § 3e Abs. 1, Ziff. 2. in Verbindung mit § 3c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG).

Die Landesregierung teilt diese Auffassung.

5. Inwieweit muss für die beantragte Erweiterung des Einzugsgebiets für Dritte die Dienstbarkeit für den Zugang zur Deponie über die Deponiestraße (K 20) neu gefasst werden?

Die Dienstbarkeit muss nach den der Bezirksregierung Köln vorliegenden privatrechtlichen Regelungen nicht neu gefasst werden. Danach ist der Deponiebetreiberin das Recht zum Ausbau der Zufahrt auf Grundstücken der Stadt Troisdorf eingeräumt. Auch die Benutzung und die Übertragung dieses Nutzungsrechtes ist allgemein auf Dritte bezogen. Deshalb bedarf es keiner Erweiterung auf jene Nutzer, die die Zufahrt auf Grund einer geänderten Genehmigung nutzen dürfen.