Wird PFBS bei der Messung von PFT ausreichend berücksichtigt?

Die Europäische Union untersagte im Jahr 2007 grundsätzlich die Verwendung von PFOS in der Industrie. Vor allem in Galvanikbetrieben kam der Stoff zum Einsatz. Die Industrie ist in der Folge auf den Ersatzstoff PFBS umgestiegen.

Beide Stoffe gehören zur Gruppe der Perfluorierten Tenside (PFT). Grundsätzlich gilt, dass kurzkettige PFBS bislang als weniger schädlich als die langkettigen PFOS und PFOA gelten, jedoch ist dieses nicht gleichbedeutend mit einer grundsätzlichen Unschädlichkeit für den Menschen.

Nachdem die Industrie auf PFBS umgestiegen ist, wird dieser Stoff vermehrt im Trinkwasser gemessen. Die bislang verwendeten Aktivkohlefilter können die kurzkettigen PFT nicht ausreichend filtern.

Im Arnsberger Trinkwasser sind in 2008 und 2009 Konzentrationen von PFBS von über 100

Nanogramm pro Liter gemessen worden. Damit wäre der von der Trinkwasserkommission (TWK) empfohlene, anzustrebende Summengrenzwert von 0,1 Mikrogramm PFT pro Liter Trinkwasser schon erreicht, ohne dass die langkettigen PFOA und PFOS eingerechnet sind.

Die Wasserwerke hingegen legen die Grenzwertempfehlung der Trinkwasserkommission so aus, dass nur PFOS und PFOA zu berücksichtigen sind. PFBS wird in die Berechnung augenscheinlich nicht mit eingerechnet.

Die Vorgabe der Trinkwasserkommission ist aus gesundheitlicher Sicht und unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge eindeutig so auszulegen, dass summenmäßig alle PFT, also auch PFBS, in die Berücksichtigung zur Ermittlung der Gesamtsummenberechnung der Schadstoffe miteinbezogen werden.

Es kann daher angenommen werden, dass im vorliegenden Fall der Grenzwert für die Summe von 0,3 Mikrogramm pro Liter weit häufiger als bisher veröffentlicht überschritten wird.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die beigefügten Tabellen zur Beantwortung der Frage 5 zeigen, dass weder im Trinkwasser noch an den Ruhrmessstellen Überschreitungen der aktuell geltenden Trinkwasserleitwerte bzw. der gesundheitlichen Orientierungswerte festgestellt wurden. Dies gilt sowohl für die einzelnen PFC-Parameter (PFC = Perfluorinated Compounds (engl.) = Perfluorierte Verbindungen) als auch für die Summe aller gemessenen Parameter (PFC-gesamt).

Hintergrund:

Im Januar 2007 hat das Umweltbundesamt (UBA) nach Beratung durch die Trinkwasserkommission des Bundesgesundheitsministeriums beim Umweltbundesamt (TWK) eine erste „Bewertung perfluorierter Tenside im Trinkwasser mit länger- und kürzerkettigen Kohlenstoffketten als PFOA und PFOS" formuliert.

Ergänzend zu den Empfehlungen der TWK vom 21.06.06, überarbeitet am 13.07.06 und bestätigt am 07.08.07, die sich auf die Bewertung von PFOA und PFOS im Trinkwasser beschränkten, wurden die Empfehlungen um die kürzer- und längerkettigen wie folgt erweitert:

· Für die allgemeine Bevölkerung gilt weiterhin der toxikologisch abgeleitete Summenwert in Höhe von 0,3 Mikrogramm pro Liter (µg/l) PFOA und PFOS pro Liter Trinkwasser als „lebenslang gesundheitlich duldbarer Leitwert".

· Der bisher gültige Vorsorge-Maßnahmenwert von 5 µg/l, als Summenwert von PFOA und PFOS, gilt seitdem für die Summe aller gemessenen perfluorierten Verbindungen im Trinkwasser.

· Für sensible Gruppen (Säuglinge, Schwangere, stillende Mütter) gilt nach wie vor der Vorsorge-Maßnahmenwert in Höhe von 0,5µg/l PFOA und PFOS. Zusätzlich wurde für die Summe aller perfluorierten Verbindungen der Wert von 1,0 µg/l festgelegt, mit der Maßgabe, dass auch hierbei der Summenwert von PFOA und PFOS 0,5 µg/l nicht überschritten werden darf.

Im August 2009 hat das UBA eine aktuelle gesundheitliche Bewertung unterschiedlicher PFC aus regulatorisch-toxikologischer Sicht vorgenommen.

Statt der bisherigen Summenwerte für PFT werden nun auch allgemeine Vorsorgewerte (VWa), gesundheitliche Orientierungswerte (GOWx) und lebenslang gesundheitlich duldbare Leitwerte (LWTW) pro Stoff für alle Bevölkerungsgruppen für PFC-belastetes Trinkwasser formuliert (siehe Tabelle 1). Für den Einzelstoff Perfluorbutylsulfonsäure (PFBS) wird ein GOW von 3,0 µg/l empfohlen.

Die Bewertung der PFC folgt der Additionsregel gemäß der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 403). Danach muss zunächst für jede einzelne Komponente der Quotient aus gemessener Konzentration und dem zugehörigen, stoffspezifischen GOWx bzw. LWTW er2 rechnet werden. Wenn danach als Summe aller Quotienten ein Wert von „kleiner oder gleich 1" erhalten wird, ist das betreffende Trinkwasser lebenslang gesundheitlich bedenkenlos genießbar. Bei Summen „größer 1" ist dies dagegen nicht der Fall, wohl aber möglicherweise für kürzere als lebenslange Zeiträume.

1. Sind bei Messungen der PFT-Werte an der Ruhr die Vorgaben der Trinkwasserkommission hinsichtlich der Summe aller gesundheitlich relevanten Verbindungen eingehalten worden?

2. Wenn nein, bei welchen Messungen und warum nicht?

Aktuelle Analysen zum Gesamtspektrum der perfluorierten Verbindungen, die an Wasserwerken an der Ruhr in 2009 durchgeführt wurden zeigen, dass sämtliche Werte deutlich unter dem von der TWK für die Summe aller PFC empfohlenen Vorsorgemaßnahmenwert für sensible Gruppen von 1,0 µg/l liegen. Der Parameterumfang umfasst die Carbonsäuren C 4 bis C 10 sowie die Sulfonsäuren die C 4, C 6- und C 8-Verbindungen (Summenparameter: „PFC 10").

3. Sind die existierenden Meßmethoden bei den Wasserwerken von der Nachweisgrenze zur Bestimmung dieser Verbindungen technisch ausreichend, um kurzkettige PFT wie PFBS zu erfassen?

Ja, die angewandten Methoden entsprechen dem gegenwärtigen Stand des messtechnisch Möglichen.

4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Vorgaben der Trinkwasserkommission (TWK) in Nordrhein-Westfalen bei den Messmethoden und den Bewertungen der Messungen umgesetzt wird?

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) führt die erforderlichen Ringversuche und Auswertungen zum Zweck der Qualitätskontrolle durch.

5. Wie sehen die Werte aller (Summenwerte nach TWK) im Trinkwasser (Messwerte der jeweiligen abgegebenen Trinkwässer der jeweiligen Wasserwerke entlang der Ruhr von Meschede bis Mülheim an der Ruhr) und des jeweiligen Rohwassers entlang der Messpunkte an der Ruhr im Jahr 2009 aus? (Bitte entsprechende Tabelle mit Messergebnissen beifügen).

Die beigefügten Tabellen 2 und 3 enthalten für Trinkwasser und für die Ruhrmessstellen die dem LANUV vorliegenden Angaben zu Probenahmestellen, Probenahmedaten und die zugehörigen einzelnen Messergebnisse sowie die Summe aller Quotienten die durch die Additionsregel gemäß der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 403) ermittelt wurde.

Die Daten zeigen, dass weder im Trinkwasser noch an den Ruhrmessstellen Überschreitungen der aktuell geltenden Trinkwasserleitwerte bzw. der gesundheitlichen Orientierungswerte festgestellt wurden. Dies gilt sowohl für die einzelnen PFC-Parameter als auch für die Summe aller gemessenen Parameter (PFC-gesamt).