In welchem Interesse hat der ehemalige CDU-Aufsichtsratsvorsitzende Wilhelm Jasperneite bei der Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet gehandelt?
In dem Bericht der Welt am Sonntag vom 12. Juni 2005 "Regionalverband: Probleme mit der Tochterfirma" wird seitens des ehemaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrates bei der Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet (AGR) Wilhelm Jasperneite (CDU) bestätigt, dass er seit über anderthalb Jahren über eine Beschäftigungsgarantie bei dem Entsorgungsunternehmen Remondis verfügt. Seitens der Firma Remondis wird in dem Bericht bestätigt, dass Herr Jasperneite zum 1. Juli 2005 als Geschäftsführer beschäftigt werde. Hinsichtlich der vorausgehenden Beschäftigungsgarantie wird Herr Jasperneite dahingehend zitiert, dass er dies den zuständigen Behörden gemeldet habe.
Die AGR ist eine 100 %ige Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR) und steht damit im Eigentum der 15 Mitgliedskörperschaften des Kommunalverbandes. Unter der Führung des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Jasperneite ist ein Verpartnerungsverfahren eingeleitet worden, um die AGR im Entsorgungsmarkt besser zu positionieren. An diesem Verfahren hat sich auch die Entsorgungsfirma Remondis beteiligt.
Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende im Kommunalverbund Ruhrgebiet Wilhelm Jasperneite wurde am 31. Januar 2002 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates bei der AGR gewählt und hatte dieses Amt bis Anfang des Jahres 2005. Nach der letzten Kommunalwahl und Neugründung des RVR wurde der Aufsichtsrat bei der AGR durch Beschluss der Verbandsversammlung neu gewählt.
Vor diesem Hintergrund bitten wir die Landesregierung um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Zu welchem Zeitpunkt und welche zuständigen Behörden sind von Herrn Jasperneite über die Beschäftigungsgarantie bei der Firma Remondis informiert worden?
2. Ist zu dem Vorgang eine Prüfung des Sachverhaltes durch die Aufsichtsbehörden durchgeführt worden und zu welchem Ergebnis hat dies geführt?
3. Ist das Mandat des Vorsitzenden des Aufsichtsrates bei einem im öffentlichen Eigentum stehenden Unternehmen gleichzeitig mit einer Beschäftigungsgarantie bei einem privaten Konkurrenzunternehmen nach rechtlichen Vorschriften zulässig?
Antwort des Innenministers vom 10. August 2005 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie und der Justizministerin: Herr Wilhelm Jasperneite wurde als Mitglied des Kreistages Unna in die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr und von diesem in den Aufsichtsrat der AGR entsandt. In ihrer Sitzung am 28.02.2005 hat die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr Herrn Jasperneite als Mitglied des Aufsichtsrates der AGR abberufen.
Zu den Fragen 1 und 2:
Nach Angaben des Kreises Unna ist dieser nicht über eine angebliche Beschäftigungsgarantie von Herrn Jasperneite bei der Firma Remondis informiert worden. Jedoch hat Herr Jasperneite gegenüber dem damaligen Landrat des Kreises Unna im Januar 2004 mündlich angezeigt, dass ihm ein Beschäftigungsangebot der Firma Rethmann gemacht worden sei.
In seinem Angabenblatt nach § 17 Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 16.06.2005, eingegangen beim Kreis Unna am 04.07.2005, hat Herr Jasperneite eine Tätigkeit als Geschäftsführer der Münsterland Entsorgung GmbH (Arbeitsgeber: Remondis GmbH & Co. KG, Dieselstr. 3, 44805 Bochum) angegeben.
Der Regionalverband Ruhr berichtet, dass ihm eine angebliche Beschäftigungsgarantie von Herrn Jasperneite bei der Firma Remondis nicht angezeigt wurde. Allerdings hat Herr Jasperneite dort mit Schreiben vom 06.07.2005 unter Beifügung einer Kopie seines Angabenblattes nach § 17 Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 16.06.2005 angezeigt, dass er ab dem 01.07.2005 bei der Firma Remondis GmbH & Co. KG, Dieselstr. 3, 44805 Bochum, beschäftigt sei. Die Prüfung des Regionalverbandes Ruhr zu diesem Sachverhalt hat nach dessen Angaben ergeben, dass keine nach dem Korruptionsbekämpfungsgesetz beanstandungswerten Sachverhalte vorliegen.
Weitere Behörden haben von diesem Vorgang keine Kenntnisse erhalten und demzufolge auch keine Prüfungen vorgenommen.
Zur Frage 3:
Soweit bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach §§ 1 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, sind gemäß § 6 Abs. 2 Mitbestimmungsgesetz für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner die Ausschlussgründe und Unvereinbarkeitsbestimmungen der §§ 100 und 105 Aktiengesetz anwendbar. Die angebliche Beschäftigungsgarantie für Herrn Jasperneite ist kein Tatbestand, der von den ausdrücklich geregelten Ausschluss- bzw. Unvereinbarkeitstatbeständen der §§ 100 und 105 Aktiengesetz erfasst wird.
Inwieweit andere Umstände, die zu einer Interessenkollision führen könnten, unter dem allgemeinen rechtlichen Gesichtspunkt des treuwidrigen Handelns oder nach den Grundsätzen von Treu und Glauben einen Ausschlussgrund für ein Aufsichtsratsmandat darstellen können, ist in der juristischen Literatur sehr umstritten. Hier wird es jeweils auf die Beurteilung des konkreten Einzelfalles ankommen. Die Frage kann daher in dieser Pauschalität im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht beantwortet werden.