Staatsanwaltschaft

Am 31. Mai 2006 kam es zu einem Gespräch zwischen ihr und dem Staatssekretär, das am nächsten Tag seine Fortsetzung fand. In diesem Gespräch informierte sie den Staatssekretär neben dem Verhalten von Dr. Friedrich gegenüber MRin Dr. Frotscher-Hoof auch über Vergaben, die ihr aufgefallen waren, wie z. B. die Vergaben der Projekte MAPRO und KARO. Zur Reaktion des Staatssekretärs hat MRin Delpino ausgeführt (APr. 14/999, S. 13): „Der Staatssekretär erwiderte: Wenn Dinge konkret seien, würde er auch handeln. Aber aufgrund eines Gesprächs könne er nichts machen. ­ Ich habe dann gesagt: Ich weiß noch nicht, aber ich schaue mal."

In der Folgezeit sichtete sie Vergabeakten der Abteilung IV und leitete dem Staatssekretär Kopien von Vorgängen, die ihr auffällig erschienen, mit weiteren Anmerkungen zu. In einer dieser Mitteilungen vom 7. Juni 2006 war u. a. ausgeführt: „Da Herr Düwel ständig um mich rumschleicht, konnte ich die Akte nicht für Sie kopieren. Ich bitte dringend um Rückgabe.

Falls Sie selbst dies noch nicht bedacht haben, erlaube ich mir noch einen Hinweis: im Hinblick auf ein evt. staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren sollten Sie die die Festplatten des AL kopieren lassen (er kann jederzeit hier auftauchen)."

Zu ihren hierin enthaltenen Ausführungen in Bezug auf ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren erklärte sie in ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II (APr. 14/999, S. 37 f.): „Das war von meiner Überlegung her. Für mich war dieses Vorgehen bei MAPRO Untreue.

Johannes Remmel (GRÜNE): Aber Sie haben uns eben erzählt, dass Sie an strafrechtliche Ermittlungen überhaupt nicht gedacht hätten.

Zeugin Dorothea Delpino: Nein, habe ich auch... Warum denn? Sollte ich?

Ist doch nicht meine Verantwortung. Bin ich Staatsanwalt? Nein.

Johannes Remmel (GRÜNE): Aber warum schreiben Sie es dann an den Staatssekretär?

Zeugin Dorothea Delpino: Ja, einfach weil ich gedacht habe, das kann natürlich passieren. Aber ich doch nicht. Ich muss nicht zum Staatsanwalt gehen, wenn... Das war nicht meine Aufgabe.

Johannes Remmel (GRÜNE): Aber das ist als Hinweis an den Staatssekretär gedacht?

Zeugin Dorothea Delpino: Ja, weil ich dachte, wenn man irgendwie was vorhätte, dann müsste man im Grunde genommen mal den Rechner von Herrn Friedrich sichern, wobei sich hinterher ja rausstellte: Die Festplatte war gar nicht mehr da. Die hatte er schon mitgenommen. Das wusste ich zu dem Zeitpunkt aber nicht.

Johannes Remmel (GRÜNE): Hat es denn in dem Gespräch, das Sie mit Herrn Staatssekretär Schink hatten, auch entsprechende Erörterungen über einen solchen Punkt gegeben: mögliche staatsanwaltschaftliche Ermittlungen?

Zeugin Dorothea Delpino: Nein, überhaupt nicht. Das ist mir auch erst im Laufe dieser drei Wochen bewusst geworden, dass auch in den anderen Projekten die Vergabe vielleicht nicht so genau genommen wurde. Das habe ich mit Herrn Schink nicht besprochen."

Der Staatssekretär gab die entsprechenden Unterlagen an MR Dr. Günther mit der Bitte um Prüfung weiter.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2006 wandte sich MRin Delpino erneut an den Staatssekretär und teilte diesem mit: „Sehr geehrter Herr Dr. Schink, nach Auskunft von Herrn Dr. Günther heute Nachmittag scheint ein strafrechtliches Verfahren gegen Herrn F. momentan nicht eingeleitet werden zu können. Er „sammelt" mit Frau Wender und Frau Meyer-Mönnich allgemeine Verfehlungen. Eine abschließende Bewertung konnte er mir noch nicht mitteilen.

Hierzu dient ja auch das Gespräch mit Ihnen morgen um 11.00 Uhr. Falls Sie nach Durchsicht der gesammelten Unterlagen der Meinung sind, dass es vielleicht zu wenig sein könnte, gebe ich Ihnen noch folgende Information:

Bei AC-Verfahren gibt Herr Dr. F. die Interview-Fragen und Antworten vorher weiter.

Dies geschah in meinem Fall am Abend vor dem Auswahltermin (14.06.2004).

Er rief mich zu Hause an und diktierte mir sowohl die Fragen sowie auch die gewünschten Antworten.

Ich war im Auswahltermin wider Erwarten von Herrn Dr. F. sehr schlecht. Er fragte später warum, ich hätte doch die Fragen gewusst. Ich habe ihm geantwortet, dass dies genau der Grund dafür gewesen sei. Ich könne solche Dinge eben nicht mitmachen.

Frau Bastian sprach mich später auch auf den Termin an, ich sei so fertig gewesen, so hätte sie mich noch nie gesehen. Ich sagte Ihr, dass ich extra für diesen Termin eine Kur in Borkum unterbrochen und schlecht geschlafen hätte.

Obwohl mein Auftritt offenbar schlecht gewesen war, hat das Gremium sich für mich entschieden. Dem Gremium haben neben Frau Bastian noch Frau K.J.4 und Frau Friedrich beigewohnt.

Die o. a. Verfehlungen des Herrn F. würde ich auch vor Gericht bezeugen.

Ich überlasse es Ihrer Entscheidung, diesen Sachverhalt noch mit bei den Verfehlungen aufzunehmen, Sie sollten es jedenfalls wissen.

Freundliche Grüße Delpino"

Das in diesem Schreiben erwähnte Gespräch zwischen dem Staatssekretär und MRin Delpino erfolgte am nächsten Tag, dem 16. Juni 2006.

Prüfung von Vergabeakten an Fronleichnam

Am 15. Juni 2006 (Fronleichnam) trafen sich MR Dr. Günther, MRin Meyer-Mönnich und MRin Wender, um die vergaberechtlichen Unterlagen, die MR Dr. Günther zwei Tage zuvor vom Staatssekretär erhalten hatte, zu prüfen. MR Dr. Günther hat hierzu ausgeführt (APr. 14/998, S. 66): „Es war so, dass wir Unterlagen von Herrn Staatssekretär, die Frau Delpino zu verschiedenen Vergabeverfahren Herrn Staatssekretär übermittelt hatte, zu prüfen hatten. An Fronleichnam, dem 15. Juni 2006, habe ich mit Frau Ministerialrätin Wender und Frau Ministerialrätin Meyer-Mönnich in meinem Büro ab morgens die Unterlagen gesichtet. Das waren umfangreiche Vergabevorgänge. In dem Zusammenhang konnten wir nicht übersehen oder nicht feststellen, dass sich allein aus den Unterlagen strafrechtliche Verfehlungen ergeben. Frau Delpino hatte dann nachgefragt. Ich habe Frau Delpino das Ergebnis an dem Tag so mitgeteilt.