Ausbildung

Der Leiter der GStA Düsseldorf, Steinforth, hat in seiner Zeugenaussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II im Zusammenhang mit den Ermittlungen des OStA Meyer wörtlich von einem "Tunnelblick" gesprochen (APr 14/1057, S. 82).

Weiter führt er zum Ermittlungsverfahren aus: "Und ich wähle jetzt meine Worte bewusst: Ich wäre nicht unglücklich gewesen, wenn der Dezernent der Staatsanwaltschaft Wuppertal im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis das Verfahren mitunter etwas enger, mit einer etwas kritischeren Distanz und vielleicht auch gelegentlich mit etwas mehr Sensibilität und Fingerspitzengefühl begleitet hätte." APr 14/1057 S. 82

Schließlich hat auch der vom Ausschuss vernommene Zeuge Rechtsanwalt Wille, der den Beschuldigten Dr. Friedrich u. a. im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen das MUNLV im Sommer/Herbst 2006 vertreten hat, massive Kritik an den strafrechtlichen Ermittlungen geäußert. Neben anderen Punkten ist aufgrund seiner Aussage besonders deutlich geworden, dass das MUNLV einseitig nur den Beschuldigten Dr. Friedrich belastende Unterlagen und Materialien an die Staatsanwaltschaft Wuppertal weitergeleitet und entlastendes Material unterdrückt und unterschlagen hat. So wurden etwa aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren die Schriftsätze des Prozessvertreters des MUNLV an die StA bzw. das LKA übermittelt, wesentliche Schriftsätze des Rechtsvertreters von Dr. Friedrich dagegen aus den Unterlagen entfernt (APr 14/1077, S. 13 f.).

Auch OStA Meyer ist offensichtlich von sich aus nicht auf die Idee gekommen, dieses den Beschuldigten Dr. Friedrich entlastende Material ­ namentlich einen 35-seitigen Schriftsatz mit zahlreichen tatsächlichen und rechtlichen Einlassungen, die auch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von erheblicher Bedeutung gewesen wären von sich aus anzufordern, zur Ermittlungsakte zu nehmen und bei seiner rechtlichen Bewertung zu berücksichtigen (APr 14/1077, S. 13 f.).

Weiter hat der Zeuge Rechtsanwalt Wille im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt: "Das weitere Überraschende, wenn nicht Schockierende für mich und für die gesamte Verteidigung war, dass sich in den gesamten Ermittlungsakten bis zur Inhaftierung am 29.05.2008 keine geschlossene juristische, von einem Juristen erstellte Bewertung der Frage der Zweckbindung nach dem Abwasserabgabenrecht befand, obwohl sich der materiell-rechtliche Teil des Haftbefehls und die gesamten Korruptionsvorwürfe der bandenmäßigen Korruption, des Submissionsbetrugs, der Haushaltsuntreue darauf stützen, dass eine Zweckbindung nicht vorgelegen habe. Und ­ das ist der Zusatz im Strafrecht ­ es reicht ja nicht aus, dass ich nur etwas vergebe und die Zweckbindung nicht vorhanden gewesen ist, sondern es muss dazukommen, dass ich das Ganze mit Wissen und Wollen, das heißt mit Vorsatz, begehe.

In den Ermittlungsakten haben sich zu diesem Zeitpunkt zu der Frage der fehlenden Zweckbindung Zeugenaussagen des MUNLV befunden, am deutlichsten dabei diejenigen, die von Nichtjuristen stammten, allen voran von Frau Delpino, die nach ihrer Ausbildung Bauingenieurin ist, die die Zweckbindung ohne nähere Erläuterung verneint hat.

Es haben sich weitere Aussagen zu dem ganzen Fragenkomplex darin befunden, die schon differenzierter waren, beispielsweise von Dr. Mertsch.

Herr Dr. Mertsch hat in seinen Gesamtaussagen im Ergebnis ­ im Übrigen bezogen auf das Projekt MAPRO ­, wenn man zusammenfassen will, ausgesagt, dass er wohl davon ausgeht, dass es unter Forschung und Entwicklung zu subsumieren sei.

Es hat sich ­ das will ich nicht verschweigen ­ eine vierseitige juristische Stellungnahme dazu gefunden, und zwar von einer Diplom-Juristin, die zur Ausbildung im LKA Neuss beschäftigt war. Die hat man offensichtlich mal darangesetzt. Das ist grundsätzlich kein schlechter Gedanke. Die hat dann auf vier Seiten auch tatsächlich die Standardkommentierung Köhler/Meyer gefunden ­ im Übrigen die 2006er - Auflage, also ein wunderbares Standardwerk, in dem sich auch genau zu diesem Vorgang entsprechend Kommentarliteratur findet ­, hat dabei auch noch Aufsätze ausgewertet, hat dann festgestellt, dass man ihrer Meinung nach verschiedener Auffassung sein könne, ob der Begriff der Forschung und Entwicklung bzw. der Erhaltung der Gewässergüte, der in § 13 Abs. 2 Nr. 6 eine Rolle spielt, weit oder eng auszulegen ist. Sie hat sich selber nicht festgelegt, hat also richtigerweise den Auftrag dafür, dass sie vom Ausbildungsstand keine Volljuristin ist und mutmaßlich erstmals mit einer solchen Materie konfrontiert war, sogar noch ganz gut erfüllt, nämlich dass das Ganze nicht eindeutig geklärt werden könne.

Selbst diese einzige, immerhin von einer Diplom-Juristin stammende Bewertung ist offensichtlich nicht Entscheidungsgrundlage geworden für die spätere Beantragung des Haftbefehls, für die Durchsuchungsmaßnahmen und alles das, was dann meinem Mandanten hierbei widerfahren ist.

Es haben sich stattdessen verschiedene Versuche des LKA gefunden, mit seinen Mitarbeitern das Ganze zu fassen. Am Instruktivsten ist dabei der 65seitige Bericht des KHK Lech, der vom ­ glaube ich ­ 13.06.2008, nein, vom 17.06.2008 datiert ­ das ist also ein Monat nach Erlass des Haftbefehls und noch länger nach seiner Beantragung und drei Wochen nach Vollstreckung des Haftbefehls.

In dieser Stellungnahme auf 65 Seiten, die im Übrigen ansonsten noch einmal die Zeugenaussagen von Vernehmungen wiedergibt, die insbesondere nach der Razzia und nach den Durchsuchungen durchgeführt worden sind, finden sich dann die Versuche des Kriminalhauptkommissars, selbst irgendwie den

Begriff Forschung und Entwicklung, Erhaltung der Gewässergüte, also § 13 Abs. 2 Nr. 6 Abwasserabgabengesetz, zu definieren. Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, hat er Wikipedia bemüht. Aus der Infothek Wikipedia hat er dann für seine eigene Bewertung eine Definition für Forschung und Entwicklung übernommen und danach festgestellt, dass das offensichtlich dann, wenn man EDV-Maßnahmen, Software-Entwicklungen macht, mit Forschung und Entwicklung, jedenfalls nach der Definition in Wikipedia, nicht in Einklang zu bringen ist". APr 14/1077 S. 15 f.

Insofern decken sich die Bewertungen der GStA und des Zeugen RA Wille. Wie bereits oben dargelegt kommt auch die GStA zu dem Ergebnis, dass die ermittlungsgegenständlichen Auftragsvergaben von der Zweckbindung der Abwasserabgabe gedeckt sein dürften und der von der StA Wuppertal erhobene Untreuevorwurf schon aus diesem Grund nicht haltbar war.

Bekanntlich führten erst mehrere Weisungen der GStA an die StA Wuppertal dazu, dass OStA Meyer das Ermittlungsverfahren zu allen wesentlichen Komplexen einstellen musste. Nach eigener Aussage im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II vertritt OStA Meyer bis heute eine andere Rechtsauffassung und ist der Meinung, dass es insbesondere beim Ermittlungskomplex MAPRO zu einer Anklage hätte kommen müssen. Dies sowie die ebenfalls von ihm während seiner Vernehmung geäußerte, durch keinerlei Fakten belegte Behauptung, der Beschuldigte Dr. Friedrich habe zwei Vermerke über Gespräche zwischen ihm und dem Staatssekretär Dr. Schink über die Vergabe des Projektes nachträglich gefertigt (vgl. APr 14/1056 Seite 20), lassen erhebliche Zweifel an der Objektivität der Verfahrensführung des ermittelnden Staatsanwaltes aufkommen.

Festzustellen ist weiter, dass eine Reihe von Ermittlungsansätzen ohne Begründung nicht weiter verfolgt wurden, obwohl sich dies zur Entlastung des Dr. Friedrich gerade zu aufgedrängt hätte und im Rahmen des Verfahrens auch empfohlen wurde.

Dies gilt etwa für die Frage, ob Staatssekretär Dr. Schink der Vergabe von MAPRO frühzeitig zugestimmt hat, was im Ergebnis eine Strafbarkeit von Dr. Friedrich ausgeschlossen hätte.

So schreibt der KHK Merx vom LKA in einem Vermerk aus dem August 2008 (IM Band 95 S. 12221 bis 12238): "Verschiedene schriftliche Unterlagen dokumentieren eine Einbindung des Herrn Staatssekretärs Dr. Schink in das Projekt MAPRO bereits im Dezember 2005 und damit in einem frühen Stadium des Projektes." IM Band 95 Seite 12234