Nachwachsende Rohstoffe

Die Nutzung natürlicher unbegrenzter Ressourcen und nachwachsender Rohstoffe ist ein Wirtschaftsbereich, der zunehmend an Bedeutung gewinnt und langfristig stabiles Wachstum erwarten lässt, je knapper fossile begrenzte Ressourcen werden und je politisch unsicherer im weltweiten Verteilungskampf der Zugang zu ihnen wird. Der deutlich zunehmende Einsatz von Sonnenenergie in den unterschiedlichsten Formen (Photovoltaik, Sonnenwärme, Wind- & Wasserkraft, Ersatz von Mineralöl durch Pflanzenöl, Holz als Baustoff und Energiequelle usw.) zeigt, dass dieser gesamte Bereich ein bedeutender Markt der Zukunft zu werden verspricht, den rechtzeitig zu besetzen sich lohnt. Bremen und Bremerhaven dürften gut beraten sein, sich nicht nur auf traditionellen Feldern dem Standortwettbewerb zu stellen, sondern sich auch in diesem Zukunftsmarkt frühzeitig zu positionieren, um sich einen strategischen Vorsprung vor anderen zu sichern.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, wo und in welchem Umfang in Bremen und Bremerhaven in Industrie und Gewerbe nachwachsende und biologisch abbaubare Rohstoffe zum Einsatz kommen, sei es zur Erzeugung von Energie oder als Werkstoff für die Produktion von Gütern?

2. Welche Forschungs- oder sonstigen Projekte zum Ersatz herkömmlicher begrenzter Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe gibt es im Land Bremen?

3. Wie viel an öffentlichen Mitteln aus den Kassen der EU, des Bundes und des Landes fließt bereits in solche Projekte, und welche finanziellen Potentiale aus den genannten Quellen wären für das Land Bremen noch erschließbar?

Henke, Eckhoff und Fraktion der CDU Dazu Antwort des Senats vom 9. April 2002

Die o. a. Anfrage beantwortet der Senat wie folgt:

Zu Frage 1.: Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, wo und in welchem Umfang in Bremen und Bremerhaven in Industrie und Gewerbe nachwachsende und biologisch abbaubare Rohstoffe zum Einsatz kommen, sei es zur Erzeugung von Energie oder als Werkstoff für die Produktion von Gütern?

Eine systematische zusammenfassende Erhebung zum Einsatz nachwachsender und biologisch abbaubarer Rohstoffe in Industrie und Gewerbe in Bremen und Bremerhaven liegt dem Senat nicht vor. Dies ist angesichts der Vielfältigkeit der verfügbaren regenerativen und/oder biologisch abbaubaren Rohstoffe, der daraus gefertigten Halbzeuge oder Produkte und der diversen beteiligten Unternehmen auch nur eingeschränkt darstellbar.

Wie umfassend der Begriff Nachwachsende Rohstoffe ist, lässt sich aus der Definition des zuständigen Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ableiten: Danach sind nachwachsende Rohstoffe ...land- und forstwirtschaftliche Rohstoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs, die außerhalb des Ernährungsbereiches (Nahrungs- und Futtermittel) stofflich oder energetisch genutzt werden.

Allein bei den stofflich nutzbaren Rohstoffen sind unter den Hauptgruppen

- Stärke- und Zuckerpflanzen,

- biogene Öle (v. a. Rapsöle) und Fette,

- Fasern (Hanf, Flachs, Kenaf, Sisal, Jute, etc.), Baumwolle, Schurwolle,

- Lignocellulose/Holz,

- Färber- und Arzneipflanzen sowie

- tierische und pflanzliche Proteine Dutzende von Industriepflanzen und tierischen Substanzen subsummiert, von denen viele in unterschiedlichsten Mengen und Produkten auch in Bremen/Bremerhaven eingesetzt werden.

Der Begriff biologisch abbaubare Rohstoffe ist noch weiter gefasst, da er neben den natürlichen nachwachsenden Ressourcen auch noch synthetische Stoffe beinhalten kann.

Wichtige Produktgruppen für nachwachsende Rohstoffe sind

- Schmier- und Verfahrensstoffe,

- Wasch- und Reinigungsmittel,

- Biologisch abbaubare Werkstoffe und naturfaserverstärkte Kunststoffe,

- Baumaterialien einschließlich Dämmstoffe,

- Textilien.

Anfang der 90er Jahre zeichnete sich auf Bundesebene ein deutliches Wachstumspotential für nachwachsende Rohstoffe ab. Zunächst konzentrierten sich die Zielsetzungen auf die energetische Nutzung von Biomasse und die Gewinnung chemischer Grundstoffe aus pflanzlichen Ölen, Fetten, Zucker oder Stärke. Erst nach und nach steigerte sich mit Zunahme der Anbauflächen und der Verarbeitungskapazitäten für Flachs, Hanf, Fasernessel, etc. auch das Interesse an der industriellen Nutzung natürlicher Fasern.

Nach wenigen Tausend Tonnen vor etwa zehn Jahren werden in Europa mittlerweile ca. 60.000 bis 70.000 Mg Flachs-Kurzfasern und ca. 25.000 bis 30.000 Mg Hanfkurzfasern (Wirtschaftsjahr 1999/2000) produziert. Angeregt durch öffentlich geförderte und innovative Unternehmen sind neue Produktlinien entstanden. Für den Kurzfasermarkt sind die wichtigsten Produktlinien Verbundwerkstoffe in der Automobilindustrie und Dämmstoffe für den Hausbau. Die europäischen Faserproduzenten gehen mittelfristig (bis 2005) von einer Verdreifachung (!) des Naturfaseranteils in den genannten Produktlinien aus, langfristig werden weitere Schübe durch neue, heute noch nicht serienreife Verarbeitungsund Fertigungstechnologien erwartet.

Das Land Bremen konnte von dieser Entwicklung des Naturfasermarktes profitieren.

Begünstigt durch seine Geschichte als Standort der Textilindustrie entwickelte sich ab etwa 1997 eine Initiative, die industrielle Partner und zur gemeinsamen Entwicklung innovativer Produkte aus natürlichen Fasern zusammenführte.

Vorausgegangen war eine kombinierte Forschungs- und Marktsondierungsstudie des Bremer Institutes für Konstruktionstechnik (Universität Bremen) und des Faserinstitutes Bremen e. V., um speziell die Möglichkeiten eines Nichtflächenlandes wie Bremen zu erfassen. Die Empfehlungen konzentrierten sich auf den Bereich der Nonwoven-Produkte, also der nicht gewebten textilen Flächengebilde. Landesspezifisch wiesen die Empfehlungen nicht nur auf Nutzungspotentiale für Flachs und Hanf hin, sondern auch auf die bremischen Importrohstoffe Baum- und Schafswolle. Besonderes Augenmerk galt den bei der Wollverarbeitung anfallenden Neben- und Restprodukten sowie weiteren Sekundärrohstoffen wie Alttextilien (Reißwolle) und Altpapier (Cellulose/Holzfasern). Unter den ersten Projekten nahm die Entwicklung und Herstellung naturfaserverstärkter Verbundwerkstoffe breiten Raum ein.

Zur Absicherung aufkommender regionalwirtschaftlicher Interessen wurde die Initiative ab 1998 durch einen programmatischen Schwerpunkt (Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen) im Ökologiefonds des WAP unterstützt (WFA-Vorlage 001/98L). Berichte über die Initiative lagen den Wirtschaftsförderungsausschüssen und der zuständigen Umweltdeputation seitdem mehrfach vor. Um die punktuellen Aktivitäten zu systematisieren, die bereits erkannten Potentiale nachwachsender Rohstoffe marktgerecht und am Standort umzusetzen sowie auf weitere Anwendungsgebiete zu übertragen, hat sich am 26. März 2001 der Verein Bremen e. V. gegründet (vgl. WFA-Vorlage 029/01L). Dem Verein gehören klein- und mittelständische Unternehmen, die Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbh, die Universität Bremen und das Technologietransferzentrum Bremerhaven an. Die Programmlaufzeit endet am 31. Dezember 2004.

Beispielhaft für eine schnelle und erfolgreiche Diversifizierung der Produktpalette kann der Aufbau einer Fertigungslinie für die Verarbeitung naturfaserverstärkter Werkstoffe im Automobilbau bei der Fa. Molan Werk Dittrich & Co. KG, Bremen, gelten. In weniger als drei Jahren gelang die konstruktionsmethodische Gestaltung der Produkte, die Umsetzung von Produktanforderungen in die entsprechenden Werkstoffkombinationen sowie die Festlegung, Optimierung und Installation des gewählten Fertigungsverfahrens (Formpressverfahren). Die Einweihung der Produktionsanlage fand am 4. September 2001 statt, derzeit werden jährlich ca. 400 Mg Naturfaservliese für die Fertigung von Pkw-Innenverkleidungsteilen und Innenkomponenten verarbeitet. Weitere 270 Mg p. a. sind für die Fertigung von Dachhimmeln in Nutzfahrzeugen in Planung. Der Fa. Molan liegen weitere Anfragen der Industrie vor, so dass ein mittelfristiger Anstieg der Jahresverbräuche auf 1.000 bis 1.500 Mg nicht unrealistisch erscheint.

Bremen e. V. ist gegenwärtig mit einer Erhebung des potentiellen Naturfaserverbrauches in Bremen/Bremerhaven befasst. Die Ergebnisse sollen im zweiten Halbjahr 2002 vorliegen.

Die energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Form fester (Holz, Stroh), flüssiger (Methylester, Öle, usw.) oder gasförmiger Energieträger konzentriert sich im Land Bremen auf die Biomasse- und Faulgasnutzung.

Auf der Basis des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien EEG ist im Industrie- und Gewerbegebiet Bremer Industriepark die Errichtung und Betreibung eines Biomassekraftwerkes vorgesehen. Das Vorhaben sieht den Einsatz von Altholz zur energetischen Verwertung vor. Die Feuerungswärmeleistung beträgt 44 MW; die erzeugte elektrische Energie wird in das Netz des übergeordneten Netzbetreibers eingespeist. Der jährliche Brennstoffbedarf liegt bei ca. 100.000 Mg Altholz!

Darüber hinaus befindet sich ein holzbefeuertes Heizwerk zur Versorgung einiger überwiegend gewerblich genutzter Gebäude in der Überseestadt in Planung. Es ist die Installation von Holzkesseln mit insgesamt 2 MW thermischer Leistung und einem Holzbedarf von ca. 3.000 Mg im Jahr vorgesehen.

Biogas (v. a. methanhaltiges Faulgas) wird für Prozessenergie und Blockheizkraftwerke genutzt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die energetische Nutzung von Klärgas in mehreren Kläranlagen sowie von Deponiegas auf der Blocklanddeponie zu nennen.