Internat in Hasselroth

Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um die soziale und die berufliche Integration von Spätaussiedlern voranzutreiben?

Mit zusätzlich 2,5 Mio. DM (1.278.229,70) förderte das Hessische Sozialministerium in 2001 erstmals innovative Projekte, die der Integration dauerhaft in Hessen lebender Ausländerinnen und Ausländer sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler dienen. Weitere 0,5 Mio. DM (255.645,94) standen für Integrationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung.

Im Jahr 2002 beträgt der Ansatz bei Kapitel 0844-ATG 83 für innovative Projekte 2.275.000 und bei Kapitel 0844-ATG 81 255.000 für Integrationshilfen für Kinder und Jugendliche.

Die Landsmannschaft der Russlanddeutschen - Landesverband Hessen - wird seit 1999 mit jährlich etwa 91.000 für das Projekt "Aus- und Aufbau eines Netzes der Multiplikatoren" gefördert. Im Rahmen des Projektes werden bei der Landsmannschaft zwei Mitarbeiter beschäftigt, die sich sowohl um jugendliche als auch erwachsene Spätaussiedler kümmern.

Im hessischen Übergangswohnheim Hasselroth werden in den dortigen Klassenräumen unter Federführung der Ludwig-Geisler-Berufsschule Hanau und der beruflichen Schulen Gelnhausen jugendliche Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge im Rahmen eines Sonderlehrgangs auf die Hochschulreife vorbereitet. Auch die Prüfung zur Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung kann dort ablegt werden. Aufgenommen werden Schüler, die den Abschluss der Klasse 11 der Herkunftsländer nachweisen können.

Pro Lehrgangsjahr werden etwa 60 Schülerinnen und Schüler aufgenommen.

Die Schüler sind in vier Lehrgruppen 15 Personen eingeteilt und werden durch extra für diesen Sonderlehrgang qualifizierte Lehrer unterrichtet. Darüber hinaus werden sie nach Bedarf in den Räumlichkeiten des Übergangswohnheimes Hasselroth internatsmäßig untergebracht und qualifiziert betreut.

Die Ergebnisse des Sonderlehrgangs zeigen, dass von den 60 Lehrgangsteilnehmern etwa 67 v.H. ein Studium aufnehmen, 17 v.H. eine Berufsausbildung und 8 v.H. erlangen die Fachhochschulreife. Die Abbrecherquote beträgt nur 8 v.H.

Für den Sonderlehrgang im Schuljahr 2002/2003 liegen 72 Anmeldungen vor.

Ebenfalls in Hasselroth werden bis zu 50 jugendliche Spätaussiedler und junge jüdische Kontingentflüchtlinge nach den EU-Richtlinien EiBE (Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt) unterrichtet. Dort können sie auch ihren Hauptschulabschluss nachholen. Die schulische Betreuung erfolgt durch die Ludwig-Geisler-Schule Hanau, während die sozialpädagogische Betreuung durch Mitarbeiter des Übergangwohnheimes Hasselroth sichergestellt wird.

Auch dieser Personenkreis kann im Internat in Hasselroth untergebracht werden. Schülern, die den Hauptschulabschluss erfolgreich absolvieren, kann die Berufsfachschulqualifikation erteilt werden. Unterstützt werden die Schüler bei der Lehrstellensuche und bei der Vermittlung in weiterführende Schulen.

Für die schulische, berufliche und gesellschaftliche Integration von jugendlichen Spätaussiedlern und Kontingentflüchtlingen hat die Einrichtung in Hasselroth einen bedeutenden überregionalen Stellenwert. Qualifiziertes Lehrpersonal und erfahrene Sozialpädagogen sowie die Möglichkeit der internatsmäßigen Unterbringung bieten hervorragende Voraussetzungen für einen qualifizierten Integrationsprozess.

Zur beruflichen Integration verweise ich auch auf die Antwort zu Frage 12.

Frage 10. Hat die Landesregierung Erkenntnisse über die Bereitschaft seitens der Spätaussiedler, sich in ihrem neuen Umfeld in Hessen zu integrieren?

Genaue Kenntnisse bzw. wissenschaftliche Untersuchungen liegen hierzu nicht vor. Erschwert wird die Bereitschaft zur Integration durch fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache und die mancherorts fehlende Akzeptanz in der einheimischen Bevölkerung für diesen Personenkreis. Bei deutschen Volkszugehörigen hingegen ist die Bereitschaft sehr groß, sich ihrem neuen Umfeld schnell anzupassen.

Frage 11. Wie hoch ist der Anteil unter den Spätaussiedlern, die über Deutschkenntnisse verfügen?

Über Deutschkenntnisse verfügen in jedem Fall Spätaussiedler nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (siehe hierzu die Ausführungen in der Vorbemerkung), da es sich hierbei in der Regel um deutsche Volkszugehörige handelt. Dieser Anteil an den Gesamtzugängen betrug im Jahr 2001 26,34 v.H. Personen mit dem Status nach § 7.2 oder § 8.2 Bundesvertriebenengesetz besitzen bis auf wenige Ausnahmen keine Kenntnisse der deutschen Sprache.

Frage 12. Welche Angebote werden Spätaussiedlern unterbreitet, um Kenntnisse der deutschen Sprache zu erwerben oder zu verbessern?

Spätaussiedler sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge erhalten nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ganztägige Deutschkurse von bis zu sechsmonatiger Dauer. Zur Sicherung des Lebensunterhalts wird den Spätaussiedlern für diese Zeit eine bedürftigkeitsabhängige Eingliederungshilfe gewährt. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür sind in den §§ 418 ff. SGB III geregelt.

Im Anschluss an die Sprachlehrgänge steht dem Personenkreis der Spätaussiedler grundsätzlich das gesamte Spektrum der beruflichen Weiterbildung einschließlich Feststellungs-/Orientierungsmaßnahmen, Bewerberseminare, über- und innerbetriebliche Trainingsmaßnahmen zur Verfügung. Eine Einrichtung vermeintlich homogener Maßnahmen für diesen Personenkreis würde dagegen gewisse Angebotsbereiche automatisch ausgrenzen und der gewünschten Integration entgegenlaufen.

Dabei ist festzustellen, dass relativ einfach strukturierte Fortbildungs- bzw. Anpassungsmaßnahmen von max. 12 Monaten im gewerblichen Bereich wegen der damit verbundenen geringeren theoretischen Schulungsanforderungen aus Sicht der Arbeitsverwaltung, der potenziellen Arbeitgeber und nicht zuletzt der Spätaussiedler selbst den höchsten Eingliederungserfolg auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erbringen. Ganz wichtig sind betriebliche Praktikums-Phasen wegen des "Klebeeffekts" und der zwangsläufigen Kommunikation mit deutschen Kollegen und Anleitern. Eine spezielle PraktikumsBetreuung durch den Maßnahmeträger wird in der Regel von den Arbeitsämtern befürwortet und finanziell mitgetragen. Für den Bereich der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen für die jüngeren Aussiedler treffen grundsätzlich dieselben Aussagen zu.

Bei gewissen ESF-Modulen tolerieren die Arbeitsämter verstärkte sprachliche Unterrichtskonzepte - soweit diese Zusatzkenntnisse in Wort und Schrift auch deutschen Arbeitslosen zugute kommen. Die vorrangige Zielrichtung aller Kurse darf allerdings nicht diese Thematik sein, da der Gesetzgeber und die Versichertengemeinschaft den vorgeschalteten Sprachkurs nach der Einreise für ausreichend ansehen.

Im Rahmen der Freien Förderung (§ 10 SGB III) werden bei vorliegender Einstellungszusage unter anderem auch kurztägige, arbeitsplatzorientierte Qualifizierungen durch die Arbeitsämter gefördert. Ebenso ist die Förderung von ergänzenden Sprachmodulen möglich, wenn dies für eine zielgerichtete Unterstützung im Einzelfall erforderlich ist.

Durch die großzügige Gewährung von Ausbildungs- sowie Eingliederungszuschüssen an die Arbeitgeber, die diese nicht selten auch wegen des verstärkten Unterweisungsaufwands - auch in sprachlicher Hinsicht - beantragen, werden die vorherigen Initiativen gegebenenfalls flankierend unterstützt.

Darüber hinaus erhalten Spätaussiedler im Alter von 15 bis 27 Jahren aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Leistungen zur beruflichen, schulischen und gesellschaftlichen Eingliederung nach dem so genannten Garantiefonds - Schul- und Berufsbildungsbereich.

Hierbei handelt es sich um 10-monatige Intensivsprachkurse ohne qualifizierten Schulabschluss, 12-monatige Intensivsprachkurse mit dem Ziel eines qualifizierten Schulabschlusses und ebenfalls 12-monatige Integrationssprachkurse mit zusätzlichen berufsorientierenden Bestandteilen. Außerdem kann außerschulische Nachhilfe in Gruppen (in der Regel 10 Schüler), Kleingruppen (max. 5 Schüler) und als Einzelunterricht gefördert werden.

Nach dem Garantiefonds - Hochschulbereich - (Otto-Benecke-Stiftung e.V. OBS) werden unter anderem junge Spätaussiedler, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, mit sechsmonatigen Sprachkursen für die Aufnahme oder die Fortsetzung eines Hochschulstudiums vorbereitet.

Im Rahmen des Akademikerprogramms (ebenfalls OBS) werden aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung dreimonatige Aufbauund Fachsprachkurse für Spätaussiedler, die Voraussetzung für weitere Anpassungsmaßnahmen für Akademiker zwischen 30 und 49 Jahren sind, durchgeführt.

Frage 13. In welchem Umfang werden solche Angebote von den Spätaussiedlern angenommen?

Nach dem so genannten Garantiefonds - Schul- und Berufsbildungsbereich wurden im Jahr 2001 in Hessen 4.210 junge Spätaussiedler bis zum Alter von 27 Jahren gefördert. Für den Garantiefonds - Hochschulbereich - und das Akademikerprogramm liegen keine gesonderten Angaben für Teilnehmer aus Hessen vor. Ihre Zahl liegt jedoch ganz erheblich unter der des so genannten Garantiefonds - Schul- und Berufsbildungsbereich. So wurden im Jahr 1999 bundesweit 4.280 Spätaussiedler nach dem Garantiefonds - Hochschulbereich

- gefördert, beim Akademikerprogramm waren es im gleichen Zeitraum 280

Spätaussiedler.

Im Jahr 2001 traten hessenweit 2.987 Spätaussiedler in einen DeutschSprachlehrgang nach SGB III ein. Im Berichtsmonat Mai befanden sich in Hessen insgesamt 999 Spätaussiedler in einem Deutsch-Sprachlehrgang der Arbeitsverwaltung.

Darüber hinausgehende statistische Erkenntnisse liegen nicht vor. Die Erhebungsmerkmale der Arbeitsverwaltung weisen bei allgemeinen Fördervarianten lediglich Untergruppen wie Alter, Geschlecht, Art der Maßnahmen etc. aus.

Dessen ungeachtet lässt sich aber über einen langen Erfahrungszeitraum hinweg feststellen, dass der Personenkreis der Spätaussiedler engagiert und motiviert und für jede Art von arbeitsmarktpolitischen Qualifizierungs- und Vermittlungsinitiativen aufgeschlossen ist. Damit bleibt festzuhalten, dass solche Angebote der Bundesanstalt für Arbeit prinzipiell angenommen werden.

Selbstverständlich können vorzeitige Abbrüche nicht ganz ausgeschlossen werden.

Das größere Problem besteht von Anfang an darin, die Aussiedler mit möglichst viel "Geschick" aus ihrem gewohnten familiären und sozialen Umfeld nach und nach herauszulösen, um diese im guten Sinne auch zur praktischen Verwendung ihrer Deutschkenntnisse zu bewegen.

Frage 14. Wie bewertet die Landesregierung die beruflichen Qualifikationen der Spätaussiedler im Hinblick auf ihre Chancen, eine Erwerbsarbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzunehmen?

Die beruflichen Qualifikationen der Spätaussiedler umfassen ein breites Spektrum. Bei einigen der erworbenen schulischen und beruflichen Qualifikationen ist die Anerkennung bzw. hiesige Verwertbarkeit schwierig. Andererseits ist die Mehrheit der Spätaussiedler motiviert, lernbereit und flexibel, sodass Angebote von Arbeitsplätzen abseits ihres bisherigen Berufslebens als auch Angebote beruflicher Qualifizierung angenommen werden.

Bezüglich der beruflichen Qualifikationen von Spätaussiedlern im Hinblick auf ihre Chancen, eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen, verweise ich auf den als Anlage beigefügten Erfahrungsbericht der Bundesanstalt für Arbeit/Landesarbeitsamt Hessen.

Frage 15. Welche Leistungen erhalten die Spätaussiedler nach dem Bundessozialhilfegesetz und gegebenenfalls anderen rechtlichen Bestimmungen?

Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen stehen die üblichen Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG zu. Das ganze Leistungsangebot ist in der beigefügten Liste "Hilfen für Aussiedler" des Bundesministeriums des Innern dargestellt.

Frage 16. Wie haben sich die Ausgaben für die Spätaussiedler in Hessen nach dem BSHG in den vergangenen fünf Jahren entwickelt?

Hierzu können keine exakten Angaben gemacht werden, weil es eine separate statistische Erhebung der Leistungen nach dem BSHG an den Personenkreis der Spätaussiedler nicht gibt. Nicht zu bestreiten ist allerdings, dass nach verschiedenen Berichten seit etwa 1995 wegen der schlechten Bedingungen am Arbeitsmarkt der Anteil der Sozialhilfeempfänger unter den Spätaussiedlern stetig gestiegen ist.

Frage 17. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, Spätaussiedlern, die sich Integrationsangeboten und insbesondere Sprachkursen verweigern, Leistungen zu kürzen?

Im Rahmen des Bezugs bzw. der Inanspruchnahme von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit gelten für den Personenkreis der Spätaussiedler grundsätzlich die gleichen Pflichten wie für andere Arbeitslose auch. Entsprechend greifen bei den im Sozialgesetzbuch III näher definierten Verstößen auch die Sanktionsmechanismen des Gesetzes. Für eine unterschiedliche Behandlung besteht nach Auffassung der Landesregierung an dieser Stelle kein Anlass.

Dies trifft auch für den Bereich der Leistungen nach dem BSHG zu.

Wiesbaden, 2. Oktober 2002