Realisierung der zu errichtenden 380 kV-Stromleitung zwischen Diele/Niedersachsen und Wesel/Niederrhein als unterirdische Höchstspannungsgleichstromleitung

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, vor allem der Ausbau der Windkraft an Nord- und Ostseeküsten erfordert die Erweiterung und Modernisierung der Hoch- und Höchstspannungsnetze. Hierbei kommt der Erdverkabelung und sowie Technik der Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) eine besondere Bedeutung zu. Die unterirdische Führung von Hoch- bzw. Höchstspannungsleitungen erhöht deutlich die Akzeptanz durch die von der Errichtung betroffene Bevölkerung, da Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit durch Elektrosmog nicht zu besorgen sind und den Aspekten des Landschaftsschutzes Rechnung getragen wird. Zudem wird das Risiko eines Stromausfalls durch extreme Wettereignisse minimiert. Für die Überbrückung großer Entfernungen stellt die Hochspannungsgleichstromübertragung eine besonders geeignete Technologie dar, da deutlich geringere Stromverluste als bei der konventionellen Wechselstrom-Technologie auftreten und Spannungsinstabilitäten im Netz besser ausgeglichen werden können.

Die RWE-Tochtergesellschaft Amprion beabsichtigt die Errichtung einer 380 kVHöchstspannungsleitung von Wesel am Niederrhein bis nach Diele (Niedersachsen) als Ersatz für die bestehende 220 kV-Leitung. Die geplante Leitung zwischen Wesel und Diele gehört zu den vier Leitungen, die laut Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) für Pilotvorhaben vorgesehen sind, um den Einsatz von Erdkabeln zu testen. Das Unternehmen Amprion plant, die Stromleitung im Kreis Borken in Teilabschnitten unterirdisch zu verlegen. Bzgl. der Trassenführung beabsichtigt das Unternehmen, sich an der Trasse der bestehenden 220 kVLeitung zu orientieren. Betroffene Anwohnerinnen und Anwohner plädieren zur Minimierung der Umweltauswirkungen für einen Trassenverlauf entlang der Autobahn A 31.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die vorhandene 220 kV-Hochspannungsleitung der Amprion GmbH von Diele (Niedersachsen) nach Wesel wurde im Jahre 1928 errichtet. Sie muss im Zuge der Netzverstärkung zur Übertragung des Windstroms aus dem Norden auf die 380 kV-Ebene ertüchtigt werden.

Hierbei kann größtenteils der vorhandene, teilweise in kommunalen Bauleitplänen dargestellte Trassenraum genutzt werden. Derzeit laufen beim Unternehmen die Detailplanungen, damit voraussichtlich im laufenden Jahr das energiewirtschaftliche Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden kann. Der Schutz der Gesundheit wird durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz in Verbindung mit der Verordnung über elektromagnetische Felder26. BImSchV gewährleistet.

Das Ausbauvorhaben zählt zu den Maßnahmen, die im Rahmen der Referenzstudie der Deutschen Energie Agentur (dena) „Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr 2020" als vordringlich ermittelt wurden. Es ist deshalb Gegenstand des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG), das Ende August letzten Jahres in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz wird für 24 darin genannte Leitungsbauvorhaben die Bedarfsfrage durch die Entscheidung des Gesetzgebers verbindlich mit Bindungswirkung für das Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren festgestellt, ist dort also keiner Abwägung mehr zugänglich.

Über die Entscheidung der Bedarfsfrage hinaus enthält das EnLAG eine Regelung zur Erprobung von Erdverkabelungen im Höchstspannungsbereich. Es sind vier Leitungsbauvorhaben ausgewählt (darunter die Leitung Diele ­ Wesel), bei denen zu Testzwecken auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten (mind. 3 km) und in einem Abstand von weniger als 400 m zu Wohngebieten bzw. weniger als 200 m zu Wohngebäuden im Außenbereich auch Erdverkabelungen durch Planfeststellungsverfahren nach §§ 43 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) genehmigt werden können; derzeit sind Planfeststellungsverfahren nach dem EnWG nur für Freileitungen möglich.

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, die neue 380 kV-Stromleitung in ihrer gesamten Länge als unterirdische Höchstspannungsgleichstromleitung zu errichten?

Das deutsche Stromübertragungsnetz ist auf der Hoch- und Höchstspannungsebene europaweit in das sog. UCTE-Netz integriert, das auf der Drehstromtechnik basiert, sehr eng vermascht und weitestgehend mit Freileitungen ausgeführt ist. Die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) ist demgegenüber ein grundlegend anderes System für den Transport elektrischer Energie. Sie basiert auf Gleichstrom, ist also nicht ohne zusätzliche Aufwendungen ­ Umrichter erheblicher Größe an den Übergangspunkten zum UCTE-Netz ­ mit dem Drehstromsystem kompatibel. Sie ist für Punkt-zu-Punkt-Stromübertragungen über große Entfernungen entwickelt worden. Vernetzungen, wie im bestehenden Drehstromsystem üblich und notwendig, sind hier schwierig zu realisieren. Aus diesen Gründen dürfte eine Umstellung einer bestehenden Drehstromverbindung auf HGÜ kaum möglich sein und würde den kompletten Neubau der Leitungsverbindung bedeuten. Die angestrebte Netzverstärkung im bestehenden Drehstromnetz könnte so ebenfalls nicht realisiert werden, da die HGÜLeitung nicht die Aufgaben des vermaschten Drehstromnetzes übernehmen kann.

2. Mit welchen Mehrkosten ist bei einer Ausführung als unterirdische Leitung im Vergleich zu einer Freileitung bei der geplanten 380 kV-Stromleitung zu rechnen?

Nach vorläufigen Abschätzungen der Amprion GmbH sind für den Ausbau des auf das Unternehmen entfallenden Leitungsabschnittes von Meppen bis nach Wesel bei einer Ausführung als Drehstromfreileitung etwa 200 Mio. Euro zu veranschlagen.

Die derzeit angestrebte Lösung gemäß EnLAG mit einem Anteil von Verkabelungsabschnitten wird gegenüber der reinen Freileitungslösung deutlich teurer. Bei einem Verkabelungsanteil von ca. 20 bis 25 %, wie er derzeit als realistisch anzunehmen ist, würden sich die Gesamtkosten ca. auf das Zwei- bis Dreifache erhöhen.

Die in der Kleinen Anfrage vorgeschlagene Lösung mittels HGÜ in Kabeltechnik würde nochmals deutlich teurer in ihrer Umsetzung. Unabhängig davon, dass eine HGÜ-Lösung auf dieser Strecke technisch nicht sinnvoll ist (s. auch Antwort zu 1.) und außerdem diese Lösung nicht vom EnLAG abgedeckt ist, wären hier zusätzliche Kosten für die Gleich- bzw. Wechselrichtung an den beiden Enden der Strecke von allein je ca. 300 Mio. Euro anzusetzen. Die Gesamtlösung würde somit gegenüber der reinen Drehstrom-Freileitung bei Beachtung der zu übertragenden Leistung zumindest um das Fünffache teurer werden.

3. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, die Mehrkosten für eine Erdkabelleitung gemäß EnLAG auf alle Übertragungsnetzbetreiber umzulegen?

§ 2 Absatz 4 EnLAG sieht vor, die Mehrkosten von Erdverkabelungen in den vier Pilotprojekten nach dem EnLAG auf die Übertragungsnetzbetreiber zu verteilen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Kosten auch letztlich dort verbleiben. Vielmehr werden sie im Rahmen der Netznutzungsentgelte als Kosten für die Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen auf die nachgelagerten Verteilernetze weitergewälzt und bilden sich auf diesem Weg schließlich in der Stromrechnung eines jeden Letztverbrauchers ab.

Klarstellend sei nochmals hervorgehoben, dass das EnLAG Erdverkabelungen nur nach Maßgabe der dort festgelegten, oben erläuterten Abstands- und Wirtschaftlichkeitsvorgaben ermöglicht. Dies bedeutet im Ergebnis abschnittsweise (Teil-)Verkabelungen, und nur hierauf bezieht sich die Möglichkeit der Verteilung von Mehrkosten. Komplett-Verkabelungen, gleich ob in Drehstrom-Freileitungs- oder in HGÜ-Technik, bewegen sich demgegenüber außerhalb des EnLAG, dementsprechend können diesbezügliche Mehrkosten auch nicht unter den Übertragungsnetzbetreibern verteilt werden.

4. Besteht nach Ansicht der Landesregierung die Möglichkeit, den Bau einer Erdkabelleitung auf der Trasse Wesel/Diele als Pilotprojekt anteilig durch Forschungsmittel des Landes NRW und des Bundes oder durch andere Mittel aus dem Landeshaushalt zu finanzieren?

Errichtung und Betrieb von Energieversorgungsleitungen im Strom- und Gasbereich sind ­ anders als entsprechende Projekte in anderen Bereichen netzartiger Infrastruktur, etwa im Verkehrsbereich ­ rein private Vorhaben, die von den Netzbetreibern in alleiniger Verantwortung durchgeführt werden müssen. Das EnWG konkretisiert die den Netzbetreibern in diesem Zusammenhang obliegenden Pflichten im Einzelnen. Diese Aufgabenzuweisung gilt auch für die Pilotprojekte nach dem EnLAG. Hiermit verträgt es sich nicht, diese Projekte auch nur anteilig aus öffentlichen Forschungs- oder anderen Haushaltsmitteln zu finanzieren.

5. Inwieweit setzen sich die Landesregierung sowie die nachgeordneten Genehmigungsbehörden für einen Verlauf der Trasse entlang der Autobahn A 31 ein?

Eine grundlegend andere Trassenführung trifft auf die Ausgangssituation, dass ein Vorhabenträger, der über eine bestehende und genehmigte Trasse verfügt, diese nicht ohne Not zugunsten einer anderen Trasse aufgeben wird. Denn eine neue Trasse bedeutet eine Vielzahl neuer Betroffenheiten, die zunächst im Verhandlungswege oder im Streitfall durch Enteignungen überwunden werden müssten. Unbeschadet dessen werden im Rahmen des anstehenden Planfeststellungsverfahrens mögliche Trassenalternativen in die Prüfungen einbezogen.