Steuererlass des Landes NRW im Insolvenzverfahren der Karstadt Warenhaus GmbH?

Die Insolvenzverwaltung der Karstadt Warenhaus GmbH hat sich an das Finanzministerium und eine Vielzahl von Städten in NRW gewandt, um einen Verzicht auf Steuerforderungen auf den erwarteten Sanierungsgewinn im Karstadt-Insolvenzplanverfahren zu erreichen.

Hierbei geht es insbesondere um Körperschaftsteuer (Land) und Gewerbesteuer (Städte).

Seitens der Insolvenzverwaltung wird nun behauptet, das Land und die Mehrheit der Städte hätten bereits einen Steuererlass zugesichert.

Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen ist steuerrechtlich umstritten: Beim Bundesfinanzhof läuft ein Revisionsverfahren, in dem entschieden werden soll, ob Erlasse von Steuern auf Sanierungsgewinne auf der Grundlage der §§ 163 und 227 AO und der Verwaltungsvorschrift des BMF v. 27.03.2003 steuerrechtlich zulässig wären. Das Finanzgericht München hatte die BMF-Verwaltungsvorschrift als ungesetzmäßig bezeichnet.

Viele der angesprochenen Städte befinden sich im Nothaushaltsrecht; ein freiwilliger Verzicht auf Einnahmen wäre hier unzulässig, wie das Klageverfahren gegen die Stadt Oberhausen gezeigt hat.

Die Erfolgsaussichten des vorgelegten Sanierungsplans und die tatsächliche Notwendigkeit eines Steuerverzichts können von den einzelnen betroffenen Städten nicht eingeschätzt werden. Eine einzelne Stadt kann auch nicht mit „Wirtschaftlichkeit" argumentieren, weil sie durch ihren individuellen Steuererlass nicht „ihren" Karstadt-Standort sichern oder eine mögliche spätere Zerschlagung abwenden kann.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die steuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen richtet sich für die Finanzverwaltung nach dem BMF-Schreiben vom 27.03.2003 ­ IV A 6 ­ S 2140 ­ 8/03. Das Urteil des Finanzgerichts München vom 12.12.2007, das die Rechtsgrundlage des BMF-Schreibens in Zweifel zieht, ist bisher nicht rechtskräftig. Die Finanzgerichte Münster (27.05.2004) und Köln (24.04.2008) teilen die Zweifel des Finanzgerichts München im Übrigen nicht.

Das BMF-Schreiben gilt nicht für die Entscheidung der Gemeinden im Zusammenhang mit der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer.

1. Ist die verbindliche Auskunft des Finanzamts Essen-Süd für den Steuerschuldner Karstadt vom 20.04.2010, die feststellt: „Die (auf die Sanierungsgewinne) entfallende Körperschaftsteuer ist dementsprechend abweichend festzusetzen, zu stunden und schließlich zu erlassen", mit dem Finanzministerium NRW abgestimmt und endgültig?

Aufgrund der der Finanzverwaltung obliegenden Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 der Abgabenordnung) ist es der Landesregierung verwehrt, eine konkrete Antwort zu der gestellten Frage zu geben.

2. Hat die Landesregierung/der Finanzminister der Karstadt konkret einen Steuererlass auf Sanierungsgewinne in welcher Höhe zugesichert oder in Aussicht gestellt?

Die Landesregierung verweist auf ihre Antwort zu Frage 1.

3. Teilt die Landesregierung die gegenüber der Landespresse und ohne Würdigung der kommunalrechtlichen Erlass-Vorgaben und Rechtsprechung geäußerte Auffassung des Innenministers vom 21.04.2010, die Kommunalaufsicht könne diese Entscheidung den betroffenen Städten nicht abnehmen?

Ja. In Nordrhein-Westfalen obliegt die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer, einschließlich Stundung, Niederschlagung und Erlass alleine den hebeberechtigten Gemeinden. Die Finanzämter haben zwar die Befugnis, eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Satz 1 Abgabenordnung (AO) - abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen - auch für Zwecke der Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags auszusprechen, soweit hierfür in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind (§ 184 Abs. 2 Satz 1 AO). Das BMF-Schreiben vom 27.03.2003 (IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl I 2003, S. 240) sieht jedoch keine Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Satz 1 AO vor, da erst im Steuererhebungsverfahren nach abschließender Prüfung und nach Feststellung der endgültigen, auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn entfallenden Steuer über den Steuerlass nach § 227 AO entschieden werden soll.

4. Entspräche es angesichts der Vielzahl der beteiligten Akteure (Land und Kommunen als Steuergläubiger) und den o. g. steuerrechtlichen und kommunalrechtlichen Schwierigkeiten nicht der Führungsaufgabe der Landesregierung, hier eine einheitliche Vorgehensweise für NRW anzustreben?

Eine einheitliche Vorgehensweise von Land und Kommunen scheidet im vorliegenden Fall aus den in der Antwort zu Frage 3 genannten Rechtsgründen aus.