Insassen der Justizvollzugsanstalten begnadigt

Dezember vergangenen Jahres wurden 897 Insassen der Justizvollzugsanstalten begnadigt. Damit wurde der Wert des Vorjahres nahezu erreicht. Der Anteil der nordrhein-westfälischen Häftlinge, die zur Weihnachtszeit in den Genuss einer Begnadigung gelangen, gestaltet sich im bundesweiten Vergleich bereits seit Jahren deutlich überproportional. Die Länder Bayern und Sachsen haben auch im Jahr 2005 keine Weihnachtsbegnadigungen ausgesprochen.

Ich frage vor diesem Hintergrund die Landesregierung:

1. Nach welchen Kriterien sind diejenigen Häftlinge, zu deren Gunsten eine Begnadigung ausgesprochen wurde, ausgewählt worden und lässt sich die Gesamtzahl der Haftentlassenen statistisch untergliedern (z. B. nach Alter, Geschlecht, Delikt, aufgrund dessen die Haftstrafe verhängt wurde)?

2. Stehen für die Landesregierung bei der Gewährung von Weihnachtsamnestien soziale Aspekte im Vordergrund oder spielt auch die so zu erzielende Einsparung von Haushaltsmitteln eine Rolle?

3. Wie hoch beziffert die Landesregierung die durch die Weihnachtsamnestie erwirkte Kostenreduzierung für die Landeskasse?

4. Auf welchen Wert beläuft sich die Zahl der Strafgefangenen in Nordrhein-Westfalen derzeit insgesamt?

5. Welche Stellenschlüssel in der Verwaltung der Justizvollzugsanstalten werden gegenwärtig zugrunde gelegt?

Antwort der Justizministerin vom 20. März 2006 namens der Landeregierung:

Vorbemerkung:

Das Justizministerium hat - erstmals im Jahr 1947 und seit 1983 ununterbrochen in nahezu identischer Form - auch im Jahre 2005 die Vollstreckungsbehörden des Landes Nordrhein Westfalen ermächtigt, aus Anlass des Weihnachtsfestes die vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bereits zum 3. November 2005 anzuordnen (Rundverfügung des Justizministeriums "Vorzeitige Entlassung für die im Strafvollzug befindlichen Strafgefangenen aus Anlass des Weihnachtsfestes 2005" vom 22.07.

­ 4250 ­ III. 2). Hiervon erfasst wurden Strafgefangene, die eine von einem Gericht des Landes Nordrhein-Westfalen verhängte zeitige Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe oder einen Strafarrest in einer Vollzugsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen oder in einer Vollzugseinrichtung der Bundeswehr im Lande Nordrhein-Westfalen verbüßten und deren Entlassung in der Zeit vom 4. November 2005 bis zum 1. Januar 2006 - beide Tage eingeschlossen - anstand. Seit dem Jahre 1999 findet die Regelung auch auf Gefangene Anwendung, die durch nordrhein-westfälische Gerichte verurteilt worden sind, ihre Strafe oder ihren Strafarrest jedoch in Vollzugsanstalten anderer Bundesländer oder in einer Vollzugseinrichtung der Bundeswehr in einem anderen Bundesland verbüßen.

Die Regelung in Nordrhein-Westfalen entspricht vergleichbaren Regelungen in anderen Bundesländern.

Lediglich Bayern und Sachsen verzichten auf spezielle Gnadenerweise zum Weihnachtsfest.

Zur Frage 1:

Die Rundverfügung vom 22. Juli 2005 sah - wie die vergleichbaren Regelungen in den Vorjahren - neben dem in der Vorbemerkung genannten Entlassungszeitraum insbesondere folgende Voraussetzungen für einen Gnadenerweis vor:

- der Gefangene muss sich seit einem vor dem 8. Oktober 2005 liegenden Zeitpunkt ununterbrochen in Haft befinden;

- gegen den Gefangenen darf während der laufenden Strafhaft nach dem 30. Juni 2005 kein Arrest als Disziplinarmaßnahme verhängt worden sein;

- der Gefangene darf nach dem 30. Juni 2005 nicht entwichen oder vom Urlaub, Ausgang, Freigang oder von einer Strafunterbrechung nicht oder schuldhaft mit erheblicher Verspätung zurückgekehrt sein;

- der Gefangene darf nicht strafrechtlich verfolgt werden, weil ihm zur Last gelegt wird, während des Vollzugs (einschließlich etwaiger Vollzugslockerungen wie Ausgang, Urlaub, Freigang) oder während einer Strafunterbrechung eine Straftat begangen zu haben;

- der Gefangene muss mit der vorzeitigen Entlassung einverstanden sein und

- die Unterkunft und der Lebensunterhalt des Gefangenen müssen sichergestellt sein.

Die Leiterinnen und Leiter der Justizvollzugsanstalten des Landes benennen den Vollstreckungsbehörden - in der Regel die zuständigen Staatsanwaltschaften - die für eine Begnadigung in Betracht kommenden Gefangenen und äußern sich zur Gnadenfrage. Die Vollstreckungsbehörden entscheiden sodann nach Prüfung im Einzelfall über die Entlassung im Gnadenwege.

Im Jahre 2005 wurden 1091 Gefangene entlassen. Betroffen waren 13 Jugendliche, 48 Heranwachsende (37 aus Jugendstrafe, 6 aus Freiheitsstrafe und 5 aus Ersatzfreiheitsstrafe) und 1030 erwachsene Gefangene (731 aus Freiheitsstrafe, 296 aus Ersatzfreiheitsstrafe und 3 aus Strafarrest). 49 Gefangene haben eine vorzeitige Entlassung abgelehnt. Weitere statistische Daten stehen nicht zur Verfügung und sind mit vertretbarem Aufwand nicht zu ermitteln.

Zu den Fragen 2 und 3:

Bei der Gewährung von Gnadenerweisen aus Anlass des Weihnachtsfestes sind für die Landesregierung im Wesentlichen soziale Aspekte maßgeblich. Finanzielle Aspekte stehen nicht im Vordergrund. Von einem nennenswerten Einsparvolumen kann nicht ausgegangen werden, da die aufgrund der sog. Weihnachtsamnestie eingesparten Hafttage keinen messbaren Kosten mindernden Einfluss auf die konstanten Fix- und Overheadkosten des Vollzuges haben.

Zur Frage 4:

Am 31. Januar 2006 (monatliche Stichtagserhebung) befanden sich 14.330 Strafgefangene (einschließlich Jugendstrafvollzug) in den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen.

Zur Frage 5:

Die Stellenzahl je 100 Gefangene beträgt im Vollzug des Landes Nordrhein-Westfalen 46,13

Stellen. Die Stellenzahl je 100 Haftplätze beträgt dabei 43,71 Stellen. Dies bedeutet, dass auf eine Stelle rechnerisch rund 2,17 Gefangene beziehungsweise rund 2,29 Haftplätze entfallen.

Die Landesregierung geht insoweit davon aus, dass sich die Frage 5 nicht nur auf die engere Verwaltung, sondern auf das Gesamtpersonal im Justizvollzug bezieht.