Prüfungsordnung für Jägerinnen und Jäger
Nach der geltenden Verordnung über die Jägerprüfung (Jägerprüfungsverordnung) ist die Jägerprüfung bei der örtlich zuständigen unteren Jagdbehörde, in deren Bezirk die Bewerberin oder der Bewerber "ihren oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat" abzulegen (SGV. NRW. 792). Auf Grund dieser und anderer jagdrechtlicher Regelungen können Jagdscheinbewerberinnen und -bewerber die anerkannten Ausbildungsrahmenpläne in Jägerprüfungskursen bis zur anerkannten Jägerprüfung durchlaufen, die von den Jägervereinen bzw. von kommerziellen Jagdschulen angebotenen werden.
Der Erwerb gründlicher Kenntnisse und Fähigkeiten in allen Bereichen des jagdlichen Handwerks sowie der Nachweis über dieses Wissen für eine ordnungsgemäße Jagdausübung vor einer staatlich oder staatlich anerkannten Prüfungskommission kann damit unter besonderen Umständen auch außerhalb des Hauptwohnsitzes der Bewerberin oder des Bewerber erfolgen (u. a. bei Berufspendlerinnen u. -pendlern, Wehr- u. Zivildienstleistenden).
Auf solche Angebote, auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen, weichen Bewerberinnen und Bewerber immer häufiger aus beruflichen oder privaten Gründen aus, weil sie sich nicht in der Lage sehen, über Monate kontinuierlich an Abendkursen teilzunehmen. Deshalb absolvieren sie lieber während des Jahresurlaubs "direkt am Stück" eine jagdliche Ausbildung in ansprechendem Ambiente (bspw. in den fünf neuen Ländern). Zweigstellen solcher Jagdschulen für die Grundausbildung befinden sich auch in Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Gebieten. Am Prüfungsort ist kein Wohnsitz notwendig. Und in der Regel ist die dort erworbene Jägerprüfung bundesweit anerkannt.
Auf der anderen Seite haben die ehrenamtlich organisierten Kreisjägerschaften ein nachvollziehbares Interesse an der organisatorischen Einbindung der Jagdscheinbewerberinnen und -bewerber über den Weg der von ihnen angebotenen Ausbildungskapazitäten.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Ist in der laufenden Legislaturperiode eine generelle Überarbeitung der auf § 17 des NRW-Landesjagdgesetz basierende Jägerprüfungsordnung geplant bzw. welche Veränderungen sind vorgesehen?
2. Wie steht die Landesregierung der Forderung nach einer Abweichung von der landeseinheitlichen Bestimmung von nur einem jährlichen Prüfungstermin gegenüber?
3. Wie beurteilt die Landesregierung den "Jägerprüfungstourismus" aus Nordrhein Westfalen in die anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland?
4. Welche Chancen, Probleme und Herausforderungen sieht die Landesregierung in dem Angebot von kommerziellen Jagdschulen?
5. Welchen konkreten Handlungsbedarf sieht die Landesregierung, um eventuelle Defizite zu beseitigen bzw. welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um bei der Umsetzung des Berliner Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD im Rahmen der Föderalismusdiskussion nordrhein-westfälische Interessen einzubringen, welche die Attraktivität der Jägerausbildung hier im Land stärken sollen?
Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 29. Mai 2006 namens der Landesregierung:
Nach § 1 der Verordnung über die Jägerprüfung (Jägerprüfungsordnung) vom 12. April 1995 (GV. NW. S. 482), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. März 2002 (GV. NRW. 2002 S. 105), ist die Jägerprüfung bei der unteren Jagdbehörde im Sinne des § 46 Abs. 3 LJGNRW abzulegen. Örtlich zuständig ist die untere Jagdbehörde, in deren Bezirk die Bewerberin oder der Bewerber ihren oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Diese Regelung wurde 1995 nach Beratung im zuständigen Landtagsausschuss eingeführt, um dem „Jägerprüfungstourismus" aus anderen Bundesländern nach Nordrhein-Westfalen entgegen zu wirken; denn in Nordrhein-Westfalen ist die Ausbildung für die Jägerprüfung nicht geregelt und die Prüfung wurde damals im Vergleich mit anderen Bundesländern als leichter angesehen. Deshalb meldeten zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Ländern einen (Schein-) Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen an und wurden hier zur Prüfung zugelassen.
Durch die Einführung des sog. Aufenthaltsprinzips (= der Ort, an dem sich die Person ständig oder nicht nur vorübergehend aufhält) ist der „Jägerprüfungstourismus" nach Nordrhein Westfalen fast vollständig zum Erliegen gekommen.
In der Zwischenzeit haben sich in anderen Bundesländern kommerzielle Jagdschulen etabliert. In Nordrhein-Westfalen sind die Voraussetzungen für solche Schulen ungünstig, da das „Aufenthaltsprinzip" derzeit entgegensteht.
Vor diesem Hintergrund beantworte ich Namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Zur Frage 1:
In der laufenden Legislaturperiode ist keine Änderung der Jägerprüfungsordnung geplant.
Änderungsbedarf kann sich als Folge der Föderalismusreform ergeben, wenn ein neues Bundesjagdgesetz erlassen wird, das das „Recht der Jagdscheine" bundeseinheitlich regelt.
Zur Frage 2:
Die Landesregierung setzt sich grundsätzlich für mehr Flexibilität und größere Bürgernähe beim Verwaltungshandeln ein. Mehrere Prüfungstermine bedeuten aber auch die Aufgabe der bewährten landeseinheitlichen schriftlichen Prüfung und eine höhere Belastung für Kreise und kreisfreie Städte als untere Jagdbehörden. Die Vor- und Nachteile von mehreren Prüfungsterminen im Jahr werden zu gegebener Zeit mit der Landesvereinigung der Jäger und den kommunalen Spitzenverbänden zu diskutieren sein.
Zur Frage 3:
Über die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber aus Nordrhein-Westfalen, die in anderen Bundesländern die Jägerprüfung ablegen, gibt es keine Daten. Jägerprüfungen, die in einem anderen Bundesland nach den dortigen landesrechtlichen Regelungen abgelegt worden sind, werden in Nordrhein-Westfalen anerkannt. Entscheidend ist, dass die Anforderungen nach § 15 Abs. 5 des Bundesjagdgesetzes erfüllt sind. Der „Jägerprüfungstourismus" aus Nordrhein-Westfalen in andere Bundesländer ist daher unproblematisch.
Zur Frage 4:
Inwieweit kommerzielle Jagdschulen prosperieren, hängt primär von der Nachfrage ab. Offensichtlich gibt es Bewerberinnen und Bewerber, die sich nicht in der Lage sehen, über Monate an Ausbildungsveranstaltungen der Kreisjägerschaften oder anderer Anbieter teilzunehmen. Diese würden ein Angebot kommerzieller Jagdschulen in Nordrhein-Westfalen begrüßen. Voraussetzung hierfür ist ein Abrücken vom sog. Aufenthaltsprinzip.
Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass eine mindestens 6- bis 9-monatige kontinuierliche Ausbildung die Chance zur Reflexion des Erlernten in der Praxis bietet, was in den sog. „Crash-Kursen" kommerzieller Jagdschulen nur bedingt möglich ist. „Crash-Kurse" sind daher in der Jägerschaft nicht unumstritten, zumal es Bundesländer gibt, die als Zulassungsvoraussetzung zur Jägerprüfung ein praktisches Jahr verlangen, in dem Bewerberinnen und Bewerber im Jagdrevier von erfahrenen Jägerinnen oder Jägern ausgebildet werden.
Vor- und Nachteile einer Änderung des § 1 der Prüfungsordnung (Aufgabe des Aufenthaltsprinzips) und der damit verbundene Anreiz für die Etablierung kommerzieller Jagdschulen werden insbesondere mit der Landesvereinigung der Jäger zu erörtern sein.
Zur Frage 5:
Aufgrund des am 6. März 2006 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurfs zur Föderalismusreform und der noch nicht absehbaren Konsequenzen (u. a. Erlass eines neuen Bundesjagdgesetzes) besteht derzeit kein konkreter Handlungsbedarf. Die Fortentwicklung des Jagdrechts, insbesondere die Regelungen des Bundes zum „Recht der Jagdscheine", bleibt abzuwarten. In der Diskussion um ein neues Bundesjagdgesetz wird die Landesregierung die Interessen des Landes mit Nachdruck vertreten.