Gegen PFT - Für sauberes Trinkwasser

1. PFT ist überall:

Seit drei Monaten ist die Vergiftung des Trinkwassers mit PFT (perfluorierte Tenside) bekannt. Die Landesregierung hat jedoch bis heute weder umfassend aufgeklärt noch weitreichende Handlungsnotwendigkeiten skizziert.

PFT und zahlreiche andere giftige Chemikalien, wie z. B. Flammschutzmittel, bestimmte Arznei- und Röntgenmittel, haben sich seit vielen Jahren in der Umwelt angereichert. Die aktuellen Vorgänge um PFT im Trinkwasser an Ruhr und Möhne zeigen, dass diese Substanzen offensichtlich ins Trinkwasser durchschlagen. Deshalb ist ein PFT-Verbot unbedingt geboten, aber nicht ausreichend. Es gilt zu verhindern, dass die bereits in der Umwelt vorhandenen Stoffe ins Trinkwasser gelangen können.

PFT sind in Tausenden von Alltagsprodukten enthalten. Die Hauptanwendungsgebiete für PFT-Verbindungen liegen im Bereich der Oberflächenmodifizierung, der Papierveredelung und der Spezialchemie. PFT-Verbindungen kommen in Textilien, Teppichen, Ledermöbeln, Papier und Verpackungen, Farben, Reinigungsmitteln und Kosmetikartikeln, Pflanzenschutzmitteln, Feuerlöschern und hydraulischen Flüssigkeiten vor.

Für PFT existiert keine bekannte natürliche Quelle, d.h. PFT kommen in der Natur nicht vor.

Trotzdem werden PFT heute weltweit in Gewässern, in der Atmosphäre sowie im Gewebe bzw. Blut von Menschen und Tieren nachgewiesen, wobei die Wege und physikalischchemischen Mechanismen, über die sich speziell die PFT bisher global verteilt haben, noch nicht aufgeklärt sind. Sie sind in der Natur und in Organismen nicht mehr abbaubar. Die vielen unterschiedlichen physikalisch-chemischen Daten über PFT erschweren gegenwärtig verlässliche Vorhersagen über das Schicksal in der Umwelt.

Diese Substanzgruppe hätte aufgrund ihrer toxischen Eigenschaften für Mensch und Umwelt in dieser Menge und in dieser Form nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Gleichwohl wurden PFT vermarktet und eingesetzt. Verbraucher/innen sind von Produkten, die Perfluortenside enthalten oder diese freisetzen können, alltäglich umgeben. Neben der Marke Teflon genießen auch Gore-Tex, Stainmaster, Scotchgard und SilverStone hohen Bekanntheitsgrad. Diese Namen stehen u.a. für antihaftbeschichtetes Kochgeschirr, schmutzabweisende Teppiche, Möbel und Tapeten, fettabweisende Lebensmittelverpackungen (Fast

Food), wasserdichte, atmungsaktive Funktionskleidung und -schuhe, Sprays für Möbel, Kleidung und Schuhe, Wandfarben und Haushaltsreinigungsmittel.

Menschen können PFT über das Trinkwasser aufnehmen. Nach Einschätzung von Toxikolog/innen gelangen die Schadstoffe aber auch über Lebensmittelverpackungen wie Schachteln für Pommes frites oder über andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs in den Körper.

PFT sind unter anderem in erhöhter Konzentration in der Muttermilch zu finden. Dies ist das Ergebnis einer Pilotstudie des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA), die unabhängig von den jüngsten PFT-Funden im Trinkwasser des sauerländischen Arnsberg erfolgt war. Bei der Studie wurden erhöhte Werte einzelner Stoffe der von Fachleuten als gesundheitsschädlich eingestuften PFT-Gruppe festgestellt. Diese Konzentrationen liegen für Säuglinge bis zum sechsten Lebensmonat über dem vom Umweltbundesamt festgelegten Wert für die täglich duldbare Aufnahme. Diesen hatte das Umweltbundesamt auf 0,1 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht festgelegt.

Die Studie belegt, dass sich der Schadstoff im menschlichen Körper und auch in der Muttermilch anreichert. Die in der Muttermilchuntersuchung nachgewiesene PFT-Konzentration liegt mit 4,1 bis 12,4 Nanogramm pro Milliliter um das 8- bis 24-fache über dem für Trinkwasser festgesetzten Vorsorgewert von 0,5 Mikrogramm pro Liter. Ab diesem Wert soll laut der Trinkwasserkommission des Umweltbundesamtes Wasser vorsorglich nicht mehr zu Zubereitung von Babynahrung genutzt werden. In Arnsberg hatten die Stadtwerke wegen PFTWerten von bis zu 0,6 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser mehrere Wochen lang abgepacktes Mineralwasser an Säuglingseltern und Schwangere verteilt.

Über die gesundheitlichen Risiken perfluorierter Tenside gibt es bisher nur unzureichende Erkenntnisse. Der Bundesrat bezeichnet PFOS in der Drucksache 8999/05 als sehr persistent, hochgradig bioakkumulierbar und giftig. Das Umweltbundesamt in Österreich vergleicht die Toxizität von PFT mit dem wohl bekanntesten Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan). Aufgrund der bisherigen Untersuchungen kann ein gentoxisches Wirkungspotential von Perfluoroctansäure (PFOA) nicht sicher ausgeschlossen werden. Nach zwei in vitro-Studien ist vielmehr davon auszugehen, dass PFOA ein gentoxisches Wirkungspotential aufweist. Laborversuche mit Ratten haben bei der zur PFT-Gruppe gehörenden PFOA, die auch im Arnsberger Wasser gefunden wurde, eine erhöhte Leberkrebsrate gezeigt. PFT begünstigt möglicherweise durch indirekte Mechanismen die Entstehung von Krebs.

2. Für sauberes Trinkwasser in NRW:

Die ersten Spuren bei der Suche nach der PFT-Quelle führten zu dem Paderborner Bodenmischwerk GW Umwelt GmbH & Co. KG. Bereits 2002 war das Paderborner Unternehmen in die Schlagzeilen geraten, weil die von ihm vertriebenen Bodenhilfsstoffe "terra top" und "terra aktiv" fremde Stoffe enthielten. Der Dünger der Fa. GW Umwelt wurde den Landwirten zum Nulltarif angeboten.

Aktuell ist es die Industriechemikalie PFT, die in einem Bodenhilfsstoff dieser Firma gelangt ist. Das?Wie? ist noch unklar. Als mögliche Verursacher kommen zwei belgische Schlammkonditionierer in Betracht. Diese beiden Unternehmen haben das Bodenmischwerk GW Umwelt bei Paderborn beliefert. Werden hier Abfälle auf landwirtschaftlichen Flächen entsorgt?

Bis heute hat die Landesregierung auf diese Fragen keine Antworten und wirkt merkwürdig gelähmt.

Darüber hinaus gibt es kein öffentlich zugängiges Flächenkataster der mit dem verdächtigen Dünger belieferten Flächen. Aufgrund der gemessenen PFT-Werte ist davon auszugehen, dass es mehr als eine Quelle gibt. Deshalb muss umgehend eine umfassende Frachtenanalyse erstellt und die über 100 Direkteinleiter an der Ruhr ausgiebig überprüft werden. Die Messungen in Arnsberg zeigen entsprechende Belastungen, die sich offensichtlich aus diffusen Quellen zusammensetzen.

Die Aufbereitungsverfahren für die Trinkwasseraufbereitung einiger Wasserwerke an der Ruhr und von Gelsenwasser sind technisch nicht auf dem neuesten Stand. Angesichts der möglichen Belastungen, die über die Stoffe in der Trinkwasserverordnung hinausgehen (z.B. Röntgenmittel, Arzneimittel oder PFT), und des hohen geklärten Abwasseranteils in der Ruhr (in trockenen Sommern besteht das Ruhrwasser aus 40% Kläranlagenablauf) ist eine Sanierung mindestens mit den Verfahren der Ozonierung oder zweistufiger Aktivkohle zwingend.

Moderne Aufbereitungsanlagen führen dabei nicht notwendigerweise zu Preiserhöhungen, wie die Rheinwasserwerke zeigen.

Mit § 47 Abs. 2 (Entzug der Entnahmeerlaubnis), § 47a (Wasserversorgung als kommunale Aufgabe), § 48 Abs. 2 (Rechtsverordnung zur Festlegung des Standes der Technik) sowie § 48 Abs. 4 (unverzügliches Anpassen der Betreiber) und § 50 (Rechtsverordnung zur umfassenden Beprobung) des Landeswassergesetzes liegen umfassende Instrumente landesgesetzlich vor.

Danach soll die Landesregierung den Unternehmen die Entnahmeerlaubnis für das Wasser entziehen, wenn die Verfahren zur Wasseraufbereitung nicht auf dem Stand der Technik sind. Außerdem kann die Landesregierung eine Rechtsverordnung erlassen, die den Wasserverbänden eine umfassende Beprobung vorschreibt.

Bislang hat der Umweltminister von seinem Recht jedoch keinen Gebrauch gemacht und die vorliegenden Instrumente ignoriert.

Die Arnsberger Vereinbarung, die das Umweltministerium und die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) am 25.08.06 unterzeichnet haben, benennt Trippelschritte aber keine Strategie.

Die Kommunen sind gesetzlich für die öffentliche Wasserversorgung zuständig. Da es sich hier um ein die Kommunalgrenzen übergreifendes Problem handelt, ist gemeinsames Handeln notwendig. Die Landesregierung muss dazu auf einer Kommunalkonferenz "Sauberes Trinkwasser" für den Einzugsbereich der Ruhr und Möhne den Anstoß geben.

3. EU-Chemikalienrecht nachbessern Mittels des geplanten EU-Chemikalienrechts (REACH) kann zukünftig verhindert werden, dass derartige Stoffe erst dann reguliert werden, wenn sie bereits in der Umwelt verteilt sind, die Schäden also bereits eingetreten sind. Allerdings ist es hierfür erforderlich, die Anforderungen an die Registrierung von Stoffen im unteren Tonnagebereich (1­10 Mg/a) um einzelne Tests zu ergänzen (insbesondere die biologische Abbaubarkeit). REACH wird eine Altstoffbewertung erzwingen. Die für eine Bewertung der Stoffe notwendigen Daten sind dann in einem definierten Zeitrahmen den Behörden zu übermitteln. Hierdurch wird sichergestellt, dass risikoträchtige Eigenschaften nicht zufällig (wie im Fall von PFT) erkannt werden, sondern nach einem systematisch organisierten Plan über die nächsten 10 bis 15 Jahre festgestellt werden.

Das Beispiel PFT zeigt, wie wichtig es ist, dass der Minimaldatensatz nicht so weit abgespeckt wird, dass derartige Wirkungen wie im Fall der PFT im Rahmen der Registrierung unerkannt bleiben. Daher muss der Minimaldatensatz des Kommissionsvorschlags u.a. um Tests zur biologischen Abbaubarkeit und Ökotoxizität ergänzt werden. Ohne diese geforderte Ergänzung der Testanforderungen würde beispielsweise PFOS als unbedenklich registriert werden können. Die Daten zur biologischen Abbaubarkeit würden hingegen dazu führen, dass die gesamte Stoffgruppe als problematisch erkannt würde und entweder im Rahmen der Eigenverantwortung der Hersteller und Verwender oder nach den REACH-Regeln dann für die relevanten Einzelstoffe weitere Tests ausgelöst würden.

4. Verbot für trinkwassergefährdende Stoffe auf EU- und Bundesebene:

Sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene muss es ein Verbot von gesundheitsgefährdenden Stoffen geben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie trotz guter Aufbereitungstechnik ins Trinkwasser gelangen können.