Frühverrentung im deutschen Steinkohlenbergbau

Im Rahmen der aktuellen Verhandlungen über einen Börsengang der Ruhrkohle AG (RAG) und den kürzlich bekannt gewordenen Zahlen aus dem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wird verstärkt über Alt- und Ewigkeitslasten, die bei dem Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau anfallen, gesprochen. Ein nicht unerheblicher Teil der Altlasten setzt sich aus Pensionszahlungen für Bergleute zusammen. Insbesondere durch die Frühverrentungspraxis der Vergangenheit, die mit der deutlich höheren Belastung der Beschäftigten durch Untertagearbeiten begründet wird, kommen hier erhebliche Pensionsansprüche zusammen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Rentenabschläge sind im deutschen Steinkohlenbergbau bei Über- bzw. Untertage tätigen Arbeitnehmern üblich?

2. Welche Staffelungen nach Lebensalter werden bei der Verrentung dieser Arbeitnehmer vorgenommen?

3. Inwieweit unterscheiden sich diese Konditionen von denen, die Arbeitnehmer außerhalb des Bergbaus zu erwarten haben?

4. Welche Privilegien gewährt der Bergmannversorgungsschein im Zusammenhang mit der Verrentung?

5. Wie wird die Diskrepanz zwischen Beschäftigten im Steinkohlenbergbau und anderweitig Beschäftigten bei der Verrentung von der Landesregierung bewertet?

Antwort des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 11. Oktober 2006 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie:

Die Beschäftigten der RAG sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Ganz überwiegend dürften Ansprüche und Anwartschaften aus der knappschaftlichen Rentenversicherung bestehen. Diese Ansprüche und Anwartschaften richten sich nicht gegen die RAG sondern werden von dem innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung zuständigen Rentenversicherungsträger erfüllt, in der Regel durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Inwieweit darüber hinaus die RAG Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt hat (z.B. über den Bochumer Verband für knappschaftliche Führungskräfte), kann nur von der RAG beantwortet werden.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zur Frage 1: Die Höhe der Rente richtet sich vor allem nach der Höhe des während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Einkommens. Die Leistungen der knappschaftlichen Rentenversicherung sind - gegen entsprechend höhere Beitragszahlungen der Arbeitgeber - um ein Drittel höher als die Leistungen aus der allgemeinen Rentenversicherung. Darüber hinaus gibt es nach sechs Jahren mit ständigen Arbeiten unter Tage Leistungszuschläge in Höhe von

· 4,35 Euro vom sechsten bis zu zehnten Jahr,

· 8,71 Euro vom elften bis zum zwanzigsten Jahr,

· 13,07 Euro für jedes weitere Jahr.

Für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbezugs wird die Rente über den Zugangsfaktor dauerhaft um 0,3 % gekürzt. Dieser Rentenabschlag gilt für die allgemeine Rentenversicherung und die knappschaftliche Rentenversicherung gleichermaßen.

Zu den Fragen 2 und 3: Wegen der besonderen Risiken des Bergbaus und der strukturellen Anpassungsprozesse in diesem Wirtschaftsbereich gewährt die knappschaftliche Rentenversicherung Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute, wenn das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 25 Jahren mit Beitragszeiten auf Grund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage oder diesen gleich gestellten Zeiten erfüllt ist. Von der Anhebung der Altersgrenzen ist diese Rentenart nicht betroffen.

Für vorgezogene Altersrenten für langjährig Versicherte, wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit, für Frauen sowie für schwer behinderte Menschen, gelten die schrittweise angehobenen Altersgrenzen für Arbeiter und Angestellte und knappschaftlich Beschäftigte gleichermaßen.

Zur Frage 4: Nach dem Bergmannsversorgungsgesetz haben Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins auch nach dem Ausscheiden aus einer außerbergbaulichen Beschäftigung Anspruch auf Hausbrandkohlen, wenn sie eine Rente beziehen. Für Rentenbezieher ohne Bergmannsversorgungsschein richten sich die Ansprüche auf Hausbrandkohlen ausschließlich nach den betrieblichen oder tarifvertraglichen Regelungen.

Zur Frage 5: Die Landesregierung hält die besonderen rentenrechtlichen Regelungen für knappschaftlich Beschäftigte in Untertagearbeit für vertretbar. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der Bund jeweils den Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der knappschaftlichen Rentenversicherung trägt (Defizithaftung) und damit deren dauernde Leistungsfähigkeit sicherstellt.