Warum gammeln immer noch 73 Tonnen Fleisch vom ersten Gammelfleisch-Skandal im Kühlhaus?

In der Pressemitteilung des MUNLV vom 18. September 2006 teilte Umweltminister Uhlenberg die Ergebnisse der Schwerpunktkontrollen von Kühlhäusern in NRW mit.

Darin berichtet er u. a., dass der Regierungsbezirk Münster aus der Stadt Gelsenkirchen insgesamt ca. 73 Tonnen Fleisch und Fleischerzeugnisse sowie andere Lebensmittel mit Abweichungen wie Überschreitung der Lager-Zeitdauer meldete und es sich dabei noch zum großen Teil um Ware aus dem Fleischskandal 2005 handele, die noch nicht vernichtet wurde.

Insgesamt waren bei dem ersten Gammelfleischskandal ca. 160 t in Gelsenkirchen sichergestellt worden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Was passierte bzw. passiert auf wessen Veranlassung genau mit den insgesamt 160 t Gammelfleisch aus Gelsenkirchen vom ersten Skandal im Jahr 2005?

2. Warum müssen 73 Tonnen Fleisch zur „Beweissicherung" fast 1 Jahr weiter gelagert werden?

3. Wie werden 73 Tonnen Fleisch „zur Beweissicherung" so gelagert und bewacht, dass ein Inverkehrbringen ausgeschlossen wird?

4. Wer ist für die „Beweissicherung" verantwortlich und zahlt die Kosten?

5. Welche weiteren „Beweissicherungen" in welcher Größenordnung sind der Landesregierung bekannt?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 25. Oktober 2006 namens der Landesregierung:

Der erste Skandal im Jahr 2005 betraf die Firma Domenz. Bei meinen weiteren Ausführungen wird ausschließlich darauf Bezug genommen.

Zur Frage 1:

Zunächst ist festzustellen, dass in Gelsenkirchen im Fall Domenz nicht 160t „Gammelfleisch" sichergestellt wurden, sondern ca. 57t Fleisch und Fleischerzeugnisse in unterschiedlichem Zustand. 160t betrug der Warenbestand der Einlagerungen der Firma Domenz insgesamt.

Betroffen waren auch die Länder Niedersachsen und Hamburg.

Bei den in Gelsenkirchen im Fall Domenz sicher gestellten 57t handelt es sich um Produkte, die ursprünglich zum Zwecke des Inverkehrbringens als Lebensmittel hergestellt wurden.

Amtliche Untersuchungen haben für einen Teil der Ware ergeben, dass deren Verkehrsfähigkeit aufgrund von Beeinträchtigungen, z. B. durch zu lange Lagerungsdauer, nicht mehr gegeben war. Diese Ware ist aber nicht gesundheitsgefährdend. Dies bedeutet, dass sie entweder als Kategorie 3 Material unschädlich beseitigt oder auch zur Herstellung für Tierfutter oder andere technische Zwecke (z. B. Ölgewinnung) verwendet werden kann. Diese Entscheidung trifft ­ soweit es sich um von der Staatsanwaltschaft freigegebenes Material handelt ­ der Eigentümer der Ware. Diese weitere Verfahrensweise steht unter strenger amtlicher Kontrolle.

Von dem in 2005 sichergestellten Warenbestand von 57t sind derzeit noch rund 8,8t als Beweismittel durch die Staatsanwaltschaft Essen sichergestellt. Die übrigen 48,2t sind im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft nicht mehr zur Beweissicherung erforderlich. Davon wurden 38,8t bereits unschädlich beseitigt. Weitere 9,4t sind zur Verwendung als Tierfutter vorgesehen.

Zur Frage 2:

Bei den gemeldeten 73t handelt es sich nicht nur um Ware, die im Fall Domenz als Beweismittel sichergestellt wurde. Diese beläuft sich, wie zu Frage 1 ausgeführt, auf aktuell lediglich rd. 8,8t. Die übrige Ware von 64,2t wurde im Rahmen der sonstigen amtlichen Kühlhauskontrollen bei anderen Firmen sichergestellt. Davon wurden 11,5t als Beweismittel durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt. Die übrigen 52,7t bleiben solange sichergestellt, bis der Eigentümer den Nachweis der Verkehrsfähigkeit erbracht hat.

Im Fall Domenz hat die Staatsanwaltschaft Essen im August 2006 Anklage erhoben.

Die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherstellung fällt in die Zuständigkeit der Justiz und hängt davon ab, inwieweit die Ware als Beweismittel im Strafverfahren benötigt wird.

Zur Frage 3:

Die für das Verfahren der Staatsanwaltschaft Essen sichergestellte Ware wird in einem EGzugelassenen Kühlhaus unter Kontrolle der Strafverfolgungsbehörde gelagert. Sie ist in dem im Kühlhaus intern geführten EDV-Buchungsprogramm gesperrt. Da die Lagerverwaltung nach einem EDV-gestützten System organisiert ist, ist ein einfaches Auffinden und Entfernen eines Teils der Ware ohne den Zugang zum Rechner und Umgehung der Sperrung nicht möglich. Im Übrigen wäre eine unbefugte Verwendung der Ware durch den Eigentümer ein Verwahrungsbruch und damit eine Straftat.

Es werden tägliche Kontrollen in diesem Gefrierhaus durchgeführt, wobei in unregelmäßigen Abständen stichpunktartige Kontrollen der sicher gestellten Waren vor Ort erfolgen.

Eine Freigabe zur Verwertung oder unschädlichen Beseitigung erfolgt nur in Absprache mit der amtlichen Überwachung und unter deren Kontrolle, so dass ein Inverkehrbringen von verdorbener Ware ausgeschlossen werden kann. Wird die Ware zu einer Tierkörperbeseitigung oder zur Herstellung von Futtermittel verwendet, wird die für den Bestimmungsort zuständige Behörde über den Abgang der Ware unterrichtet, so dass eine missbräuchliche Verwendung der Ware ausgeschlossen ist.

Zur Frage 4:

Für die Beweissicherung sind im Falle des Verdachtes einer Straftat die Staatsanwaltschaft bzw. die jeweilige Kreispolizeibehörde zuständig. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens geht diese Zuständigkeit auf das zuständige Strafgericht über.

Bei den durch die strafprozessuale Sicherstellung entstehenden Kosten handelt es sich um Verfahrenskosten, die im Fall der Verurteilung grundsätzlich dem Angeklagten aufzuerlegen sind.

Zur Frage 5:

11,5t (siehe Frage 2).