Welche Qualifikation müssen Dolmetscher und Übersetzer aufweisen

Welche Qualifikation müssen Dolmetscher und Übersetzer aufweisen, damit Übersetzungen von Bildungs- und Berufsnachweisen wie Diplome, Abschlusszeugnisse, Nachweise der beruflichen Tätigkeit sowie standesamtliche Urkunden, Aufenthaltsbescheinigungen etc. anerkannt werden?

Wortlaut der Kleinen Anfrage 995 vom 5. September 2006:

Bei der Bewertung ausländischer Bildungs- oder Herkunftsnachweise sind die zuständigen Sachbearbeiter der Landesbehörden häufig auf Übersetzungen von Bildungs- und Berufsnachweisen wie Diplome, Abschlusszeugnisse, Nachweise der beruflichen Tätigkeit angewiesen. Ähnliches gilt für die Übersetzung standesamtlicher Urkunden und Aufenthaltsbescheinigungen. In einem konkreten Einzelfall hat die Bezirksregierung Düsseldorf die Übersetzung eines Hochschuldiploms durch einen staatlich geprüften Dolmetscher und Übersetzer mit der Begründung abgelehnt, die Übersetzung müsse von einem vereidigten (bei Gericht eingetragenen) Dolmetscher gefertigt sein. Die Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, entbehrliche Bürokratie in Nordrhein-Westfalen abzubauen.

Vor diesem Hintergrund stelle ich folgende Fragen:

1. Welche Voraussetzungen muss ein Dolmetscher und Übersetzer erfüllen, damit seine Übersetzungen von Bildungs- und Berufsnachweisen anerkannt werden?

2. Welche Voraussetzungen muss ein Dolmetscher und Übersetzer erfüllen, um vereidigt werden zu können?

3. Hat es Auswirkungen auf ihre Anerkennung, wenn bisher im Landesdienst stehende Übersetzer an staatlichen Hochschulen künftig die Hochschule selbst zum Dienstherren haben?

4. Unter welchen Voraussetzungen müssen Übersetzungen von Bildungs- und Berufsnachweisen, standesamtlichen Urkunden, Aufenthaltsbescheinigungen usw. von einem vereidigten (bei Gericht eingetragenen Dolmetscher) gefertigt sein?

5. Trifft es zu, dass die Prüfung zum staatlich geprüften Dolmetscher und Übersetzer einen hohen Schwierigkeitsgrad und eine Durchfallquote von bis zu 50 % aufweist, während gerichtlich vereidigte Dolmetscher und Übersetzer zumindest im Einzelfall auch auf Grund entsprechender Bildungsnachweise ohne staatliche Prüfung anerkannt werden?

Antwort des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 2. November 2006 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Justizministerin und dem Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie:

Zur Frage 1: Eine ausdrückliche Anerkennung von Übersetzungen findet in Nordrhein-Westfalen nicht statt. Eine Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise (nicht aber der Übersetzungen) findet in Nordrhein-Westfalen insofern statt, als auf Antrag die Führbarkeit eines ausländischen Grades und ­ soweit möglich ­ dessen Gleichwertigkeit mit einem deutschen Grad bescheinigt wird. Inhaberinnen und Inhaber fremdsprachiger Urkunden werden gebeten, eine beglaubigte Kopie der Urkunde sowie eine beglaubigte Übersetzung vorzulegen. Bei der Sichtung der eingereichten Unterlagen werden stets beide Dokumente geprüft; die Übersetzung ist Hilfsmittel bei der Prüfung der Ausgangsurkunde. Sofern eine Übersetzung Mängel aufweist, aber dennoch eine zutreffende Entscheidung möglich ist, geschieht dies stillschweigend. Sofern hier eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist, wird regelmäßig ein Gutachten der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen erbeten. In den letzten Jahren ist hier keine Übersetzung aus formalen Gründen zurückgewiesen worden.

Zur Frage 2: Dolmetschen ist das mündliche Übertragen des gesprochenen Wortes in eine andere Sprache, Übersetzen das Übertragen von Geschriebenem.

Wer in einer gerichtlichen Verhandlung dolmetschen will, hat gemäß § 189 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) einen Eid zu leisten, dass er das Wort treu und gewissenhaft übertragen werde; dieser Eid muss grundsätzlich für jedes Verfahren gesondert geleistet werden. § 189 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes bietet allerdings die Möglichkeit, sich stattdessen auf einen allgemein geleisteten Eid zu berufen. Diese allgemeine Beeidigung dient allein der Verfahrensvereinfachung.

In Nordrhein-Westfalen ist das Verfahren zur allgemeinen Beeidigung durch Verwaltungsrichtlinien geregelt. Danach wird Folgendes verlangt: Nachweis der persönlichen Eignung durch Vorlage

- einer durch eine Behörde oder einen Notar beglaubigte Ablichtung des Personalausweises oder Reisepasses,

- einer aktuellen Aufenthalts- oder einer Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamtes,

- eines polizeilichen Führungszeugnisses, das zur Vorlage bei einer Behörde geeignet sein muss,

- einer ausdrücklichen Versicherung, dass der Dolmetscher nicht vorbestraft ist und auch kein Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig ist; anderenfalls hat er das Straf- oder Ermittlungsverfahren zu benennen,

- einer ausdrücklichen Erklärung, dass der Dolmetscher bereit ist, bei Bedarf auch kurzfristige Aufträge und Aufträge von erheblichem Umfang zu übernehmen und,

- soweit der Dolmetscher einem Staat angehört, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist, des Nachweises, dass ihm das selbständige Dolmetschen oder Übersetzen von der Ausländerbehörde gestattet ist.

Nachweis der fachlichen Eignung, d.h. einer erfolgreich abgeschlossenen Sprachprüfung vor einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, z. B. durch Vorlage

- eines Prüfungszeugnisses der Industrie- und Handelskammer über eine Dolmetscheroder Übersetzerprüfung,

- eines Dolmetscher- oder Übersetzerdiploms eines Hochschulinstituts oder einer Fachhochschule (Fachbereich Sprachen) oder

- eines Abschlusszeugnisses über den erfolgreichen Besuch einer staatlich anerkannten Sprachschule.

Als Nachweise genügen nicht

- Zeugnisse von privaten Sprachschulen,

- Prüfungszeugnisse für Fremdsprachenkorrespondenten,

- Zeugnisse von Volkshochschulen oder

- Sprachprüfungen als Zulassungsvoraussetzungen für ein Hochschulstudium.

Des weiteren müssen fundierte Rechtssprachkenntnisse - insbesondere auf dem Gebiet des Zivil- und Strafrechts einschließlich des jeweiligen Verfahrensrechts - in der deutschen und der Sprache belegt werden, für die der Dolmetscher beeidigt werden will, und zwar durch Vorlage von Zeugnissen oder Bescheinigungen zu rechtskundlichen oder rechtswissenschaftlichen Vorlesungen, Seminaren oder Ausbildungen.

Dem Antrag auf allgemeine Beeidigung ist ein tabellarischer Lebenslauf beizufügen.

Für die Ermächtigung eines Übersetzers, die Vollständigkeit und Richtigkeit einer eigenen oder fremden Übersetzung zu bescheinigen, gelten die oben genannten Voraussetzungen entsprechend. Allerdings muss im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Ermächtigung seine fachliche Eignung erheblich über dem Durchschnitt liegen; seine Sprachprüfung sollte er deshalb mit der Note "gut" oder "sehr gut" abgeschlossen haben.

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Sowohl die allgemeine Beeidigung eines Dolmetschers als auch die Ermächtigung eines Übersetzers führt ohne besonderen Antrag zu einer Eintragung in das von den Justizverwaltungen geführte Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer. In dieses Verzeichnis wird auf Antrag jeder Dolmetscher und Übersetzer - unabhängig von einer allgemeinen Beeidigung oder einer Ermächtigung - aufgenommen, der seine persönliche und fachliche Eignung wie vorstehend dargelegt nachweist.

Dieses Verzeichnis wird geführt, damit die nordrhein-westfälischen Justiz- und Polizeibehörden schnell und ohne besondere Nachforschungen qualifizierte Sprachermittlungshilfe in Anspruch nehmen können. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Gerichte nur auf die in dem Verzeichnis aufgeführten Dolmetscher und Übersetzer zurückgreifen können. Jedem Richter steht es im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit frei, zur Sprachermittlung auch andere Dolmetscher oder Übersetzer heranzuziehen.

Zur Frage 3: Derartige Auswirkungen sind nicht erkennbar. Der Wechsel des Dienstherrn mit. In Kraft Treten des Hochschulfreiheitsgesetzes betrifft nur dienstrechtlich das Verhältnis zwischen dem alten/neuen Dienstherrn und den Bediensteten.

Zur Frage 4: Für die allgemeine Beeidigung, die Ermächtigung oder die Aufnahme in das Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer gilt:

Sofern die zum Nachweis der persönlichen und fachlichen Eignung vorgelegten Unterlagen in einer anderen Sprache als deutsch abgefasst sind, müssen Übersetzungen beigefügt werden, deren Vollständigkeit und Richtigkeit ein in Deutschland ermächtigter Übersetzer bescheinigt hat.

Im Übrigen gilt: In einem gerichtlichen Verfahren entscheidet allein der insoweit unabhängige Richter, welche Voraussetzungen bei der Übersetzung von Nachweisen, Urkunden oder Bescheinigungen erfüllt sein müssen.

Zur Frage 5: Hinsichtlich der fachlichen Eignung gelten grundsätzlich die Ausführungen zu Frage 2.

Dies schließt allerdings nicht aus, dass ausnahmsweise im Einzelfall eine allgemeine Beeidigung (und damit Aufnahme in die Liste der Dolmetscher und Übersetzer) auch aufgrund entsprechender Bildungsnachweise ohne staatliche Prüfung vorgenommen wird. Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn es sich um eine äußerst seltene Sprache handelt und ein staatlich geprüfter Dolmetscher oder Übersetzer nicht zur Verfügung steht.

Im Übrigen kann im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit in einem gerichtlichen Verfahren jede Person, die das Gericht für ausreichend qualifiziert hält, zur Sprachermittlung herangezogen und vereidigt werden.

Die in der Frage behauptete hohe Durchfallquote kann seitens der beteiligten Ministerien nicht verifiziert werden. Eine institutsübergreifende Statistik darüber wird nicht geführt.