Verbraucherschutz

September 2006 ist zu entnehmen, dass entlang der Bahntrasse in Bonn auf Höhe Dottendorf und Kessenich in großem Umfang Bäume, Sträucher u. ä. radikal zurückgeschnitten worden sind.

Durch diese Abrodung wurde nicht nur ein optisch ansprechender Sicht- und Lärmschutz in einem innerstädtischen Wohngebiet beseitigt, sondern auch eine "Barriere" zerstört, die den Zutritt spielender Kinder- und Jugendlicher auf die Gleiskörper zumindest erschwert. Dies wirkt entlang der Trasse umso gravierender, da unmittelbar an die Gleiskörper ein Radweg grenzt, der Schulweg ist. Nunmehr gibt es keinerlei "Hürde" zwischen dem Radweg und dem Gleiskörper mehr, wodurch das Gefahrenpotential als unverantwortlich eingestuft werden kann. Zur Erinnerung: Über diese Strecke fahren zurzeit hunderte von Zügen Richtung Süden und Norden, sie gilt als eine der am stärksten frequentierten Strecken Europas.

Sicherlich ist die DG AB gem. § 4 Allgemeines Eisenbahngesetz zu einer sicheren Betriebsführung verpflichtet und demzufolge berechtigt, Bewuchs zu beseitigen, der einer sicheren Betriebsführung entgegensteht. Gleichwohl muss im Rahmen der sicheren Betriebsführung durch die Bahn ebenfalls gewährleistet sein, dass Personen - und insbesondere Kindern und Jugendlichen - der Zugang zu den Gleiskörpern durch erkennbare Hürden erschwert wird.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die umfangreiche "Kahlschlagaktion" der DB AG, die offensichtlich weit über die notwendige Verkehrssicherungspflicht hinausreichen, hinsichtlich der sichereren Betriebsführung in Bezug auf die Sicherung des Gefahrenbereichs?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Verkehrsicherheitsaspekte solcher "Grünstreifen" an Bahngleisen insbesondere in dicht besiedelten Wohngebieten auch im Hinblick auf die Sicherung der Gleiskörper vor einem unbefugten Zutritt?

3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um die Gleiskörper in innerstädtischen Wohngebieten vor dem unbefugten Zutritt zu sichern?

4. Welche Schritte will die Landesregierung einleiten, um im Einklang mit der DB AG in innerstädtischen Wohngebieten Kindern und Jugendlichen den Zutritt zu den Gleisanlagen zu erschweren?

5. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung den "Grünstreifen" an den Bahngleisen hinsichtlich Sicht- und Lärmschutz zu?

Antwort des Ministers für Bauen und Verkehr vom 3. November 2006 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

Zur Frage 1:

Das Ministerium für Bauen und Verkehr hat sich bereits im Mai 2005 an das EisenbahnBundesamt als für die Eisenbahnen des Bundes zuständige Aufsichtsbehörde gewandt mit der Bitte, die Gefahrensituation örtlich zu überprüfen. Das Eisenbahn-Bundesamt hat festgestellt, dass in keinem Bereich entlang der Bahngleise im Bonner Stadtgebiet eine aufsichtsbehördliche Verpflichtung zur besonderen Absicherung der Bahngleise zu rechtfertigen ist.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat diese Auffassung bestätigt.

Zu den Fragen 2 und 3:

Die Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht der Eisenbahnen gegen unbefugtes Betreten der Gleisanlagen besagt: „Es ist allgemein bekannt, dass Bahnanlagen nicht betreten werden dürfen. Natürlich stellt die gesamte Bahnanlage für Kinder, die sie unbefugt betreten, eine Gefahrenquelle dar. Indessen können auch Kinder und Jugendliche nicht beanspruchen, ganz allgemein vor den Gefahren waghalsiger Spiele geschützt zu werden, und kann die Verkehrssicherungspflicht nicht in eine allgemeine Unfallverhütungspflicht ausgeweitet werden. Es kann z. B. nicht verlangt werden, eine stark von Autos befahrene Straße deshalb zum Bürgersteig durch einen Zaun abzugrenzen, weil Kinder im Spieltrieb ohne Rücksicht auf den Verkehr auf die Straße und dabei Gefahr laufen, überfahren zu werden. Es kann z. B. auch nicht verlangt werden, Flüsse und Seen durch Zäune abzugrenzen, um zu verhindern, dass spielende Kinder zu Schaden kommen." (OLG Hamm vom 7.6.1977 ­ 9 U 5/7).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sieht die Landesregierung keine Möglichkeit, die DB AG zu einer weitergehenden Absicherung der Gleisanlagen zu verpflichten.

Zur Frage 4:

Bei Hinweis auf besondere Gefahren wird die Landesregierung ­ wie im vorliegenden Fall geschehen ­ die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde bitten, die Gefahrensituation örtlich zu überprüfen und die gebotenen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen.

Zur Frage 5: „Grünstreifen" an den Bahngleisen als Sichtschutz sind zwar wünschenswert, können jedoch den unter wirtschaftlichen Zwängen arbeitenden Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht vorgeschrieben werden. Lärmschutz ist durch aktive und passive Schallschutzmaßnahmen (z. B. Lärmschutzwände oder -wälle, Lärmschutzfenster) sowie durch eine zeitgerechte Fahrzeugkonstruktion nach europäischen Vorgaben zu realisieren.