Versorgung von Patienten mit Demenz im Akutkrankenhaus

Durch das quantitative Ansteigen der Demenz sind Krankenhausaufenthalte von dementen Patienten immer wahrscheinlicher und bedürfen einer entsprechenden Versorgungsstruktur.

Krankenhäuser des akuten Versorgungsauftrages gelten als nicht optimal eingestellt auf die Behandlung und Pflege von Patienten mit Demenz. Sowohl die schnittstellenintensive Organisation, der jeweilige professionelle Habitus der Ärzte und Pflegenden (der Arzt sieht die Krankheit durch den Patienten) als auch der Klinikalltag setzen rationale und flexible Patienten voraus. Das heißt, von den Patienten wird erwartet, dass sie sich den Prozessen, Abläufen und Anforderungen anpassen können. Patienten, die hierzu nicht mehr in der Lage sind, werden gemeinhin vom Pflegepersonal wie von den Ärzten als starke Belastung erlebt.

Die Suche in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser zu diesem Thema verlief ergebnislos = außer in den geriatrischen Abteilungen. Dies hat zur Folge, dass kein Krankenhaus sich um eine Problemwahrnehmung oder Verbesserung bemühen wird. Bezogen auf Entwicklung und Forschung findet in NRW ein sehr kleines exploratives Projekt am Institut für Pflegewissenschaften der Universität Bielefeld statt. Hier kooperieren 4 Krankenhäuser und suchen im Sinne des Qualitätszirkels nach Verbesserungen im Rahmen der bestehenden Organisation der Krankenhäuser, die folgende Elemente beinhalten könnte:

· die Anwendung validierender (verstehender und einfühlender, wertschätzender) Kommunikation vor allem bei der Aufnahme und durch das Pflegepersonal,

· ein demenzgerechteres Milieu, das zum Beispiel durch die Einrichtung von DementiaCare-Abteilungen möglich wäre. Hierzu gehören eine Wohnzimmeratmosphäre, Beschäftigungsmöglichkeiten, Angebote zum Essen und Trinken außerhalb der feststehenden Mahlzeiten sowie die Möglichkeit, sich bei innerer Unruhe zu bewegen und zu laufen anstelle von Fixierung und Sedierung,

· die Möglichkeit zur Mitaufnahme von Angehörigen, um die Patienten zu beruhigen und Traumatisierungen vorzubeugen,

· Anwendung gerontopsychiatrischer Prozesspflege und Berücksichtigung der Demenz in der Pflegeplanung, der Durchführung und der Dokumentation der Pflege sowie der Behandlung, d. h. Planung und Umsetzung entsprechender clinical pathways (klinischer Behandlungspfad).

Deshalb stelle ich der Landesregierung folgende Fragen:

1. Wie viele Patienten mit Demenz werden in den Akutabteilungen der Krankenhäuser behandelt?

2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die Aufenthaltsbedingungen und die Pflegesituation der dementen Patienten vor, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen des Aufenthaltes auf den Krankheitsverlauf, der Berücksichtigung von gerontopsychiatrischen Behandlungsmethoden und der Möglichkeiten zur Milderung der Demenzschäden während des Aufenthaltes?

3. Befürwortet die Landesregierung die verpflichtende Berücksichtigung der Gruppe der dementen Patienten in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser und in weiteren Qualitätssicherungsmaßnahmen?

4. Wie fördert die Landesregierung die Kooperation der bestehenden Demenzprojekte in NRW mit den Akutkankenhäusern, um deren Innovationsfähigkeit durch Anreizsysteme und Normen zu stärken?

5. In welcher Weise fördert die Landesregierung Dementia-Care-Abteilungen und die damit verbundenen notwendigen Weiterbildungs- und Qualifizierungsanforderungen?

Antwort des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 23. November 2006 namens der Landesregierung:

Zur Frage 1:

Im Jahr 2005 wurden in den Akutabteilungen nordrhein-westfälischer Krankenhäuser insgesamt 5.488 Patientinnen und Patienten infolge von Demenz behandelt. Unter allen Behandlungsfällen, die aufgrund anderer Diagnosen erforderlich waren, wiesen rund 117.000 die Begleitdiagnose Demenz auf.

Zur Frage 2:

Die Zahl der Demenzerkrankten in den Krankenhäusern wird aufgrund der älter werdenden Bevölkerung in den kommenden Jahren voraussichtlich zunehmen. Im Krankenhausplan des

Landes Nordrhein-Westfalen übernehmen die anerkannten Fachabteilungen für Geriatrie die geriatrische Akutversorgung und die Fachabteilungen für Psychiatrie die gerontopsychiatrische Versorgung dieser Patientinnen und Patienten.

Die Versorgung von Demenzkranken ist durch einen erhöhten Pflege- und individualisierten Betreuungsbedarf gekennzeichnet. Unzureichende Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Demenzkranken können insbesondere auf Allgemeinstationen zu Problemen in der Versorgung führen.

Das Modellprojekt am Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Bielefeld ist der Landesregierung bekannt und wird ausdrücklich begrüßt.

Darüber hinaus liegen der Landesregierunge keine detaillierten Informationen zu Versorgungskonzepten in einzelnen Krankenhäusern vor.

Zur Frage 3:

Nach § 137 Abs. 1 Nr. 6 SGB V fasst der Gemeinsame Bundesausschuss für zugelassene Krankenhäuser Beschlüsse über Inhalt, Umfang und Datenformat eines strukturierten Qualitätsberichts der zugelassenen Krankenhäuser, in dem der Stand der Qualitätssicherung dargestellt wird. Die inhaltliche Ausgestaltung der Berichte zeigt im Hinblick auf eine Verbesserung der Vergleichbarkeit, z. B. bei der Zielgruppenspezifität und Risikoadjustierung, einen Weiterentwicklungsbedarf auf. Je aussagekräftiger ein Qualitätsbericht ist, desto besser kann sich das Krankenhaus im Wettbewerb positionieren. Die Landesregierung befürwortet insofern eine inhaltliche Modifizierung der Qualitätsberichte, auch hinsichtlich der Versorgung dementer Patienten.

Zur Frage 4:

Auf Landesebene ist die Initiative „Demenz Service NRW" entstanden, in deren Zentrum die Verbesserung der häuslichen Versorgung demenziell Erkrankter und die Unterstützung der sie pflegenden Angehörigen steht. Insgesamt sind acht Demenz-Servicezentren gegründet worden, die bereits vorhandene Erfahrungen und Sachkompetenz der unterschiedlichsten Akteure und Institutionen (auch Krankenhäuser) bündeln und für Patienten, Angehörige und verschiedene Akteure im Gesundheitswesen verfügbar machen.

Eine spezielle Förderung der Kooperation bestehender Demenzprojekte mit den Akutkrankenhäusern erfolgt nicht.

Der kompetente Umgang mit demenziell erkrankten Patientinnen und Patienten liegt in erster Linie im Verantwortungsbereich der Krankenhäuser vor Ort. Ein durch das MAGS in Auftrag gegebenes Gutachten soll bestehende Versorgungsangebote für ältere Menschen systematisch analysieren und Vorschläge für eine Optimierung der Versorgung erarbeiten. Hierbei wird ein sektorübergreifender Ansatz verfolgt. Ergebnisse sind nicht vor Ende 2007 zu erwarten.

Zur Frage 5:

Für eine spezielle Förderung von Weiterbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen für Dementia-Care-Abteilungen stehen Haushaltsmittel nicht zur Verfügung. Mit der staatlich anerkannten Fachweiterbildung für die psychiatrische Pflege (WeiVPsy) besteht seit 1995 eine qualifizierte Fachweiterbildungsmöglichkeit für Alten- und Krankenpflegekräfte in NRW an staatlich anerkannten Weiterbildungsstätten, die von Einrichtungsträgern und Pflegekräften auch häufig genutzt wird.