Versicherung

Bei diesem Verfahren wird über Aluminiumanoden eine künstliche Deckschicht aus Aluminiumhydroxid in den Trinkwasserleitungen aufgebaut, womit der Korrosion in den Leitungen vorgebeugt werden soll. Das bedeutet, dass dem Trinkwasser ständig Aluminium zugefügt wird.

Nach der geltenden Rechtslage darf Aluminium gemäß der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 Trinkwasserverordnung 2001 (des Umweltbundesamtes) nur zur Korrosionshemmung bei bestehenden Warmwasser-Systemen aus verzinktem Stahl zwar nur befristet bis zum 01. Januar 2007 eingesetzt werden. Für Kaltwassersysteme, um die es in der Praxis fast überwiegend geht, ist Aluminium hingegen nicht auf dieser Positivliste des Umweltbundesamtes aufgeführt und darf folglich auch nicht nach der Trinkwasserverordnung als Wasser für den menschlichen Gebrauch abgegeben werden. Ein Verstoß dagegen kann nach § 11 Abs. 3 TrinkwV in Verbindung mit § 75 des Infektionsschutzgesetzes als Straftatbestand gewertet werden.

Trotz dieser eindeutigen Rechtslage wird nach meinem Kenntnisstand in ca. 100 Gebäuden in Nordrhein-Westfalen (z. B. in Schulen, Krankenhäusern und Wohnanlagen) dieses TiptalVerfahren im Kaltwasserbereich eingesetzt. Die Westfälische Provinzial-Versicherung aus Münster, die an der Firma Guldager maßgeblich beteiligt ist, bietet in ihren Prospekten sogar dieses Verfahren an.

Daher frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele Anlagen (Tiptal-Verfahren) werden im Kaltwasserbereich in Nordrhein Westfalen betrieben?

2. Sind die Endverbraucher/innen (Eltern, Schüler/innen, Ärzte/innen, Patienten/innen und Mieter/innen) über den Einsatz dieser Wasseraufbereitungsstoffe informiert worden, wie es die Trinkwasserverordnung verlangt?

3. Teilt die Landesregierung die rechtliche Auffassung, dass dieses Verfahren gemäß § 11 Trinkwasserverordnung nicht eingesetzt werden darf und dürfte?

4. Warum ist die Landesregierung als oberste Aufsichtsbehörde nicht tätig geworden und hat den Betrieb dieser Anlagen untersagt?

5. Wie beurteilt die Landesregierung, dass diese Anlagen bzw. ein Teil dieser Anlagen z. B. im Wege einer "erweiterten Wirksamkeitsprüfung" - legalisiert werden sollen?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 5. Dezember 2006 namens der Landesregierung:

Zur Frage 1:

Die aktuelle Anzahl der in Nordrhein-Westfalen betriebenen Tiptal-Anlagen ist dem MUNLV nicht bekannt, da es gegenüber dem MUNLV keine Meldeverpflichtungen seitens der Betreiber gibt. Es besteht lediglich die Verpflichtung des Betreibers, die Inbetriebnahme einer solchen Anlage gem. § 13 Trinkwasserverordnung (TrinkwV) gegenüber dem Gesundheitsamt anzuzeigen.

Nach einem dem MUNLV vorliegenden Schreiben der Fa. Guldager wurden im Sommer diesen Jahres um 100 Anlagen in NRW betrieben; da seitdem einige Anlagen außer Betrieb genommen wurden, dürfte die Anzahl der aktuell betriebenen Anlagen geringer sein.

Zur Frage 2:

Gem. § 16 Abs. 5 TrinkwV hat der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage im Sinne von § 3 Nr. 2 Buchstabe c (Hausinstallation), die dem Trinkwasser Aufbereitungsstoffe nach § 11 Abs. 1 Satz 1 zugeben, den Verbraucherinnen und Verbrauchern die verwendeten Aufbereitungsstoffe und deren Menge durch Aushang oder sonstige schriftliche Mitteilung bekannt zu geben.

Inwieweit die Betreiber ihren Informationsverpflichtungen vor Ort Rechnung tragen, ist dem MUNLV nicht bekannt; die Überwachung dieser Verpflichtung obliegt den unteren Gesundheitsbehörden.

Zur Frage 3:

Ob das Tiptal-Verfahren nach § 17 TrinkwV zulässig ist oder einer Auflistung nach § 11 TrinkwV bedarf, ist zwischen der Fa. Guldager und dem für die Listung nach § 11 zuständigen Umweltbundesamt umstritten. Das MUNLV folgt insoweit der Rechtsansicht des Um weltbundesamtes, wonach eine Listung nach § 11 TrinkwV erforderlich ist. Diese Listung liegt für Warmwassersysteme aus verzinktem Stahl und befristet bis zum 1. Januar 2007 vor.

Ein Einsatz außerhalb dieser Anforderungen verstößt gegen § 11 TrinkwV.

Zur Frage 4:

Das MUNLV hat nach Bekanntwerden der Problematik veranlasst, dass das Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst (lögd) die unteren Gesundheitsbehörden über die Sachlage informiert. Neben dem Hinweis auf die nach Ansicht des Ministeriums vorliegende formelle Illegalität bei einem Einsatz im Kaltwasserbereich wurden die Gesundheitsbehörden darauf hingewiesen, dass eine Duldung des weiteren Betriebs dieser Anlagen nur dann in Betracht kommt, wenn durch eine engmaschige Überwachung durch akkreditierte Labore sichergestellt wird, dass das Trinkwasser mit nicht mehr als 0,2 mg/l Aluminium belastet ist.

Dieses Vorgehen wurde mit dem Umweltbundesamt abgestimmt.

Der Wert von 0,2 mg/l wird als Vorsorgewert in der Trinkwasserverordnung gefordert und stellt nach übereinstimmender Auffassung des MUNLV, des lögd und des Umweltbundesamtes sicher, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen sicher ausgeschlossen werden.

Ob und inwieweit daneben der Betrieb einer Anlage wegen der fehlenden Auflistung nach § 11 TrinkwV untersagt wird, liegt im Ermessen der unteren Gesundheitsbehörden. Eine Weisung zur Untersagung des Betriebes im Einzelfall kann das MUNLV gem. § 6 Abs. 2 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst nicht treffen. Nach dieser Regelung sind nur allgemeine Weisungen möglich. Eine allgemeine Weisung zur Stilllegung aller TiptalAnlagen ist zumindest in den Fällen unverhältnismäßig, in denen der Betrieb der Anlagen den Gesundheitsämtern rechtzeitig angezeigt und bislang geduldet wurde und in denen das Trinkwasser die in der Trinkwasserverordnung benannten Werte einhält.

Zur Frage 5:

Vor der Aufnahme in die Liste des Umweltbundesamtes gem. § 11 der TrinkwV 2001 ist der Nachweis zu erbringen, dass die eingesetzten Stoffe und Verfahren hinreichend wirksam sind und keine vermeidbaren oder unvertretbaren Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben. Einen entsprechenden Antrag auf Durchführung der Erweiterten Wirksamkeitsprüfung (EWP) hat der Hersteller beim UBA eingereicht. Das Umweltbundesamt entscheidet unter Einbeziehung der Trinkwasserkommission des Bundes, der Länder und der interessierten Kreise, ob die Prüfung durchgeführt werden darf. Die EWP wird dann ggf. in bestimmter Art und Weise unter der Aufsicht eines unabhängigen Gutachters durchgeführt. Hierzu gehören beispielsweise die Festlegung der Art und Anzahl der Anlagen, aber auch die Festlegung der zu überprüfenden Parameter des Trinkwassers. Das Ergebnis der EWP wird dem o. g. Kreis zur Entscheidung vorgelegt. Parallel zur Durchführung der EWP erfolgt eine Kontrolle des Trinkwassers durch das zuständige Gesundheitsamt.

Es handelt sich demnach um eine standardisierte Vorgehensweise, die strenge Kriterien zugrunde legt.

Soweit die Wirksamkeitsprüfung vom Umweltbundesamt in dem vorbenannten Verfahren zugelassen wird, bestehen aus Sicht des MUNLV keine Bedenken, insoweit die bestehenden Anlagen einzubeziehen.