Belastung von Getreidestäuben und Mälzereien mit Mykotoxinen

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten wie folgt:

Frage 1. Sind der Landesregierung die Ergebnisse einer Studie der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach bekannt, die in zwölf untersuchten Futtermitteln (Mehle oder Pellets aus Getreidestäuben und eiweißreichen Malzkeimlingen, die ebenfalls als Produktionsrückstände bei der Malz- und Bierherstellung anfallen) erhöhte Konzentration von Schimmelpilzgiften (Mykotoxine) nachgewiesen hat, insbesondere die Substanz Ochratoxin A (OTA), die Nieren, Leber und das Immunsystem schädigt?

Die Untersuchungen der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach, nach denen Mykotoxin Ochratoxin A in Getreidestäuben von Mälzereien, aus denen Futtermittel hergestellt werden, in höherer Konzentration als im Braumalz vorkommt und dass Mälzereiarbeiter im Serum eine höhere Konzentration an Ochratoxin A aufwiesen als die Bevölkerung der Region, sind der Landesregierung bekannt.

Frage 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Ergebnisse dieser Studie?

Die Verarbeitung von mit Ochratoxin A belasteten Futtermitteln wird unter den Aspekten der Tiergesundheit und des vorbeugenden Verbraucherschutzes nicht als unbedenklich angesehen. Die Wirkung von Ochratoxin A auf Beschäftigte im Bereich der Herstellung und Verarbeitung von Futtermitteln und Malz ist nicht ausreichend untersucht und bedarf weiterer Studien.

Frage 3. Ist unter den Aspekten der Tiergesundheit und des Verbraucherschutzes unbedenklich, dass derartige Produktionsrückstände als Futtermittel verarbeitet und so in die Nahrungskette gelangen?

Da die von der Bundesanstalt für Fleischforschung untersuchten Staubproben (Braugerste- und Malzstäube) mit anderen Futtermitteln vermischt werden, ist davon auszugehen, dass in den endgültigen Futtermitteln niedrigere Gehalte an Ochratoxin A vorliegen. Aufgrund von Untersuchungen an Futtermitteln, Serum und Nieren von Schlachttieren sowie Fleischerzeugnissen, die 1991 in den Staatlichen Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsämtern in Hessen durchgeführt wurden, ist eine gewisse Aufnahme von Ochratoxin A anzunehmen. Aufgrund der geringen Datenbasis ist eine endgültige Beurteilung derzeit nicht möglich.

Malz- und Getreideproben für die Lebensmittelindustrie werden regelmäßig im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung auf Ochratoxin A untersucht. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Tiere hängen von der Tierart ab. Rinder sind in der Lage, infolge ihrer Pansenaktivität das mit dem Futter aufgenommene Ochratoxin A zu deaktivieren, Schweine dagegen sind relativ empfindlich gegenüber dieser Substanz.

Hinsichtlich des Verbraucherschutzes zeigen Ergebnisse des Deutschen Ochratoxin-A-Projektes, dass Verbraucher in Deutschland mit den zurzeit im Handel befindlichen Lebensmitteln bei gegenwärtigen Ernährungsgewohnheiten nur rund 0,5 ng Ochratoxin A pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag aufnehmen, selbst bei relativ hoher Belastung einzelner Lebensmittel. Damit wird der vom wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss der EU vorgeschlagene Wert für eine tolerable Dosis (unter 5 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag) im Mittel nur zu 10 v.H. ausgelastet.

Frage 4. Hat die Landesregierung Erkenntnisse, in welcher Größenordnung in Hessen Getreidestäube zu Futtermitteln verarbeitet werden?

Der Hessischen Futtermittelüberwachung sind keine Futtermittel bekannt, die aus Getreidestäuben hergestellt und in den Verkehr gebracht oder als solche in Mischfutter eingesetzt werden. Anfallende Stäube in den durch die amtliche Futtermittelüberwachung (Regierungspräsidium Gießen) überwachten Futtermittelwerken und Mälzereien werden in Hessen getrennt gesammelt, gelagert und als Abfall entsorgt.

Futtermittelrechtlich sind Getreide- und Malzstäube gemäß Anlage 1 der Futtermittelverordnung unter zulassungsbedürftige bzw. nicht zulassungsbedürftige Einzelfuttermittel oder gemäß Teil C dieser Anlage unter Gruppendeklarationen nicht aufgeführt. Auch unter den Rubriken unerwünschte oder verbotene Stoffe existieren keine Regelungen. Diese Stoffe sind somit futtermittelrechtlich nicht geregelt und dürfen dementsprechend nicht zu Futterzwecken eingesetzt werden.

In der Praxis werden aber Stäube, die im Landhandel bei der Getreideannahme anfallen, in der Regel von den Landwirten wieder zurückgenommen oder an Jäger zur Wildfütterung abgegeben, weil darin auch Schmachtkörner und Wildsamen enthalten sind. Die von den Landwirten wieder zurückgenommenen Stäube werden in der Regel großflächig auf landwirtschaftlich genutzte Flächen ausgebracht.

Frage 5. Welche Bedeutung misst die Landesregierung den Getreidestäuben hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Arbeitsmedizin bei?

Frage 6. Welche Arbeitsschutzvorkehrungen bestehen derzeit, um zu verhindern, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Mälzereien und Brauereien mit Mykotoxinen belastete Getreidestäube einatmen?

Beschäftigte in Getreidemühlen sind die Berufsgruppe in Deutschland mit dem dritthöchsten Risiko für die Entwicklung einer anerkannten allergisch bedingten obstruktiven Atemwegserkrankung (Berufskrankheit Nr. 4301). Zwischen 1978 und 1994 wurden bundesweit bei 90 Beschäftigten in Getreidemühlen eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 Berufskrankheiten-Verordnung anerkannt, darunter fünf in Hessen.

Die gefährlichste Wirkung von Getreidestäuben stellt die Staubexplosion dar, die bei sehr hohen Staubkonzentrationen von über 100 mg einatembaren Staub pro Kubikmeter und Anwesenheit eines Zündfunkens entstehen kann.

Ferner enthalten Getreidestäube Allergene, die bei Beschäftigten allergisch bedingte Atemwegserkrankungen in Form des allergischen Schnupfens und des allergischen Asthma bronchiale verursachen können.

Mälzereien und Brauereien sind nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Gefahrstoffverordnung verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung mit Ermittlung der Höhe der beruflichen Staubbelastung durchzuführen. Ferner ist der allgemeine Staubgrenzwert in Höhe von 6 mg Alveolarstaub pro Kubikmeter Atemluft einzuhalten.

Hinsichtlich der Mykotoxine kam 1993 eine Expertenkommission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dem Ergebnis, dass Ochratoxin A in verschiedenen Tierspezies eine nierenschädigende Wirkung besitzt. Auch bei exponierten Personen wird eine nierenschädigende Wirkung von Ochratoxin A diskutiert, insbesondere bei erhöhter Aufnahme durch die Nahrung. Darüber hinaus kam die Expertenkommission zu dem Ergebnis, dass Ochratoxin A eine krebserzeugende Wirkung in Versuchstieren aufweise.

Dagegen lägen keine ausreichenden Erkenntnisse über eine krebserzeugende Wirkung bei exponierten Beschäftigten, d.h. über einen Zusammenhang zwischen einer beruflichen Ochratoxin A-Einwirkung und einem erhöhten Gesundheitsrisiko, vor.

Daher wurde bislang Ochratoxin A weder vom Ausschuss für Gefahrstoffe noch vom Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe als gesundheitsschädlich eingestuft. Ein Grenzwert für Ochratoxin A in der Atemluft existiert weder in der Bundesrepublik Deutschland noch - soweit bekannt - in anderen Industrieländern.

Frage 7. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die oben genannte Studie wichtige grundlegende Erkenntnisse liefert und dass diese Erkenntnisse in weiteren wissenschaftlichen Studien vertieft werden sollten, um entsprechende Konsequenzen für den Arbeitsschutz und die Arbeitsmedizin ergreifen zu können?

Aufgrund der tierexperimentellen Studien, die eine nierenschädigende und krebserzeugende Wirkung von Ochratoxin A ergaben, besteht Forschungsbedarf in Bezug auf die Wirkung von Ochratoxin A bei exponierten Beschäftigten. Der Landesgewerbearzt im Hessischen Sozialministerium führt seit 1999 eine Studie zu Gesundheitsgefahren bei Beschäftigten in hessischen Getreidemühlen durch. Neben dem Zusammenhang zwischen der beruflichen Staubbelastung und der Häufigkeit von allergisch bedingten obstruktiven Atemwegserkrankungen wird auch die Häufigkeit von Nierenerkrankungen bei Beschäftigten in Getreidemühlen untersucht. Mit der Fertigstellung der Studie ist Mitte 2001 zu rechnen.

Frage 8. Welche Konsequenzen wird die Landesregierung ziehen, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten?

Das Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände-Gesetz (LMBG) und hier die Vorschriften der Lebensmittelhygiene-Verordnung fordern vom Lebensmittelhersteller ein betriebseigenes Kontrollsystem nach dem HACCP-Konzept.

Das heißt, die Herstellerbetriebe sind verpflichtet, die Ausgangstoffe untersuchen zu lassen. Darüber hinaus wird im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung bei Betriebskontrollen darauf geachtet, dass in den Mälzereien eine sorgfältige Reinigung der Ausgangsmaterialien erfolgt und dass das Getreidewaschwasser nur nach Aufbereitung wieder verwendet wird. Auf die Ochratoxin A-Untersuchung der amtlichen Lebensmittelüberwachung an Braugerste und anderen Getreidearten wurde bereits hingewiesen. Es wird derzeit diskutiert, Grenzwerte für Ochratoxin A in verschiedenen Lebensmitteln festzulegen.

Sollten Verstöße gegen das Futtermittelrecht festgestellt werden, d.h. anfallende Stäube nicht als Abfall entsorgt, sondern als Einzel- oder Mischfuttermittel verfüttert werden, werden diese Stäube auf Ochratoxin A untersucht werden.

Es ist beabsichtigt, die hessische Jägerschaft zu informieren und in begrenztem Umfang kostenlose Untersuchungen von Proben anzubieten.