Weiteres Schicksal der abgeschobenen Familie Rustemi aus Bigge im Hochsauerlandkreis

Am 23. November 2006 wurde in der Sendung Cosmo TV Spezial im WDR-Fernsehen über das Schicksal der aus Marsberg abgeschobenen Familie Rustemi berichtet: "Abschiebeskandal in Marsberg

Eine ganze Familie wird jahrelang vom Vater missbraucht und misshandelt. Irgendwann zeigt der älteste Sohn den Peiniger an. Die Familie aus dem Kosovo erlebt nach dem Familiendrama nun die Prozesshölle. Obwohl der Vater für viele Jahre ins Gefängnis kommt, droht er noch im Gerichtssaal seinem Sohn mit Blutrache. Die deutschen Behörden kündigen der Mutter und den Kindern Hilfe und psychologische Betreuung an. Doch es folgt der Skandal.

Obwohl im höchsten Maße traumatisiert, schiebt das Ausländeramt die Familie über Nacht ab. Zurück in den Kosovo. Dorthin, wo ihnen die Blutrache droht."

In einer Sitzung des Ausschusses Schule, Kultur Jugend, Familie und Soziales der Stadt Marsberg berichteten Pastor Hammer und Meinolf Stuhldreier vom JugendBegegnungsZentrum Marsberg darüber, dass die Familie des Vaters nunmehr Frau Rustemi und ihre Kinder mit Polizeigewalt zu sich geholt haben. Dort würden sie vom Bruder und der Mutter des Verurteilten tagtäglich drangsaliert und vollständig kontrolliert. Inzwischen soll ihnen diese einen Teil der Kinder aus dem Haus vertrieben haben. Frau Rustemi selbst kann ihre Kinder nicht schützen, da sie schwer krank ist. (Westfalenpost vom 30.11.2006)

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Abschiebung der Familie Rustemi durch die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises?

2. Wie beurteilt sie das Schicksal der Familie im Kosovo?

3. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um der Familie die Wiedereinreise nach Deutschland zu ermöglichen?

Antwort des Innenministers vom 2. Januar 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration: Vorbemerkungen

Die Familie R. aus Marsberg reiste im Dezember 1993 in das Bundesgebiet ein. Sie ist nach negativem, gerichtlich bestätigtem Abschluss der von ihr angestrengten Asyl- bzw. Asylfolgeverfahren vollziehbar ausreisepflichtig. An die Entscheidungen des Bundesamtes und der Verwaltungsgerichte in Asylverfahren sind alle Stellen, also auch die Ausländerbehörde, gesetzlich gebunden (vgl. § 42 Satz 1 Asylverfahrensgesetz). Dies gilt auch für die Feststellung des Vorliegens von (zielstaatsbezogenen) Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 2-7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Der Ausländerbehörde steht kein eigenes Prüfungsrecht zu.

Der Vortrag hinsichtlich der befürchteten Bedrohung im Heimatland durch Übergriffe der Familienangehörigen des Ehemannes bzw. Vaters der unbestritten vom Schicksal hart getroffenen Familie wurde vom Bundesamt geprüft und verneint. Diese Entscheidung wurde am 18. November 2005 - rechtskräftig seit dem 15. Dezember 2005 - vom Verwaltungsgericht bestätigt.

Darüber hinaus hat die Ausländerbehörde eine Stellungnahme zu dieser Problematik von der Deutschen Botschaft in Belgrad eingeholt. Wenngleich das Antwortschreiben vom 17. Februar 2006 nicht explicit auf den Einzelfall abstellt, so bestätigt sie dennoch, dass bei Glaubhaftmachung einer Bedrohung die zuständigen serbisch-montenegrinischen Behörden bereit und in der Lage sind, effektiven Schutz zu gewähren. In den letzten Jahrzehnten seien allerdings weder aus der albanisch besiedelten Region Südserbiens, aus der die Familie stammt, noch aus dem übrigen Serbien und Montenegro Fälle blutrachebedingter Tötungsdelikte bekannt.

Der Gesundheitszustand der Frau R. war schon in mehreren Entscheidungen des Bundesamtes und des angerufenen Verwaltungsgerichts überprüft worden. Das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse wurde dabei nicht festgestellt.

Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse standen der Rückführung der Familie ebenfalls nicht entgegen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen/Traumatisierungen der Kinder wurden weder vorgetragen noch waren gesundheitliche Einschränkungen erkennbar. Diesbezügliche ärztliche Bescheinigungen oder Behandlungsnachweise lagen nicht vor. Bereits im Juni 2005 wurde die Familie durch den Opferschutzbeauftragten der Kreispolizeibehörde auf die möglichen Hilfsangebote hingewiesen. Ein weiterer Kontakt mit dem Opferschutzbeauftragten wurde nicht aufgenommen. Die Entscheidung der Familie, diese Hilfsangebote nicht anzunehmen, musste akzeptiert werden.

Da die Familie ihrer bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, war die Ausländerbehörde verpflichtet, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und die Familie zur zwangsweisen Rückführung anzumelden. Die Rückführung erfolgte am 03. Mai 2006. Ein Antrag auf Gewährung von Abschiebeschutz nach § 123 VwGO wurde vom zuständigen Verwaltungsgericht am 03.05.2006 abgelehnt. Am Abflugtag war nach den ärztlichen Feststellungen des vorsorglich hinzugezogenen Arztes die Reisefähigkeit gegeben.

Auch das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen von Voraussetzungen zur Aussetzung der Abschiebung unter dem Gesichtpunkt einer eventuellen Reiseunfähigkeit in seiner Entscheidung vom 03. Mai 2006 geprüft und verneint.

Zur Frage 1:

Die Handlungsweise der Ausländerbehörde entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Sie ist nicht zu beanstanden.

Zur Frage 2:

Die Familie ist seit dem 21.08.2006 als in Presevo wohnhaft gemeldet. Dieser Landesteil gehört zu Südserbien und nicht zum Kosovo. Verifizierbare Erkenntnisse über das Schicksal der Familie liegen hier nicht vor. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Lebensverhältnisse im Heimatland der Familie mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet nicht zu vergleichen sind. Insofern dürfte die derzeitige Lebenssituation der Familie sicherlich als schwierig anzusehen sein.

Nach telefonischen Angaben der Tochter Vlora gegenüber der Ausländerbehörde erzielen die beiden älteren Kinder ein Einkommen. Eine ärztliche Behandlung der Frau R. ist vor Ort möglich und wird auch durchgeführt. Alle Kinder sprechen neben Deutsch auch ihre Muttersprache.

Zur Frage 3:

Seitens des Innenministeriums werden keine Wiedereinreisemöglichkeiten für die Familie Rustemi gesehen. Nach negativ abgeschlossenen Asylverfahren besteht für abgeschobene Asylbewerber eine Wiedereinreisesperre.

Eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 22 Satz 1 AufenthG (Aufnahme aus dem Ausland) aus dringenden humanitären Gründen kommt nicht in Betracht, da auch in diesen Fällen § 11

AufenthG zu beachten ist. Danach darf ein Ausländer, der abgeschoben wurde, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten. Diese vom Gesetzgeber festgelegte Sperrwirkung ist einzuhalten.

Es widerspräche der Intention des Gesetzgebers, Personen die Wiedereinreise zu gestatten, deren Aufenthalt im Bundesgebiet unmittelbar zuvor nach umfassender gerichtlicher Überprüfung rechtmäßig durch Abschiebung beendet wurde.