Keine Schulen für taubblinde Schüler in NRW - Mehrere Förderschwerpunkte in einer Schule vereinen
In Nordrhein-Westfalen gibt es keine Schulen für taubblinde Schülerinnen und Schüler. NRW bietet nur Schulen mit den Förderschwerpunkten "Hören und Kommunikation" und "Sehen" an. Einige taubblinde Kinder und Jugendliche benötigen jedoch in beiden Förderschwerpunkten spezielle Hilfestellungen und Förderung.
Für Lehrerinnen und Lehrer wird bislang keine Ausbildung im Bereich des Förderschwerpunkts für "Taubblinde" angeboten. Diese Kinder werden in NRW oft nur einseitig und damit nicht optimal gefördert.
Niedersachsen, Bayern und Brandenburg bieten Schulen für Taubblinde an. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde eine vierte Schule gerade neu in Heiligenborn gegründet. Die nächstgelegene Schule für taubblinde Schülerinnen und Schüler aus NRW liegt in Hannover.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Sind der Landesregierung nordrhein-westfälische Schülerinnen und Schüler bekannt, die aufgrund ihrer Behinderung (taubblind) Schulen in anderen Bundesländern besuchen?
2. Beabsichtigt die Landesregierung Förderzentren für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt "Taubblind" einzurichten?
3. Welche Maßnahmen bestehen in Nordrhein-Westfalen um taubblinde Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern?
4. Wie werden Lehrerinnen und Lehrer in NRW für den Förderschwerpunkt "Taubblind" ausgebildet?
5. Werden taubblinde Kinder im gemeinsamen Unterricht in Nordrhein-Westfalen beschult, wenn ja, wie viele?
Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 11. Januar 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration:
Zur Frage 1:
Bereits 1975 haben die Kultusminister der Länder für einzelne Behinderungsarten mit geringen Schülerzahlen die Errichtung oder Weiterführung spezieller länderübergreifender Sonderschulen empfohlen. Aufgrund entsprechender Ländervereinbarungen ist bundesweit für die Schülerschaft der taubblinden Kinder und Jugendlichen u. a. das Bildungszentrum für Taubblinde (Sonderschule in freier Trägerschaft) in Hannover- Kirchrode/ Niedersachsen zuständig. Eine bundesweite Funktion für eine andere Zielgruppe von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat das Rheinisch-Westfälische Berufskolleg, Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation in Essen. Diese Schule hat ebenfalls ein bundesweites Einzugsgebiet.
Nach Auskunft des Bildungszentrums für Taubblinde in Hannover-Kirchrode stammen derzeit 11 Schülerinnern und Schülern aus Nordrhein-Westfalen.
Zur Frage 2:
Nein, die Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (AO-SF) definiert sieben sonderpädagogische Förderschwerpunkte. Ein sonderpädagogischer Förderschwerpunkt "Taubblind" existiert nicht und ist auch nicht vorgesehen.
Sonderpädagogischer Förderbedarf umfasst häufig verschiedene Förderschwerpunkte. Die AO-SF trägt dem insofern Rechnung, als bei der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs mehrere Förderschwerpunkte festgelegt werden können. Danach wird dann der Förderort festgelegt.
Gerade weil Kinder und Jugendliche mitunter in mehreren Bereichen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, müssen sich Schulen darauf einstellen. In der Bezeichnung einer Förderschule kommt das insofern zum Ausdruck, als nur der vorrangige Förderschwerpunkt, den die Schule bedient, genannt wird.
Das spiegelt sich auch in der Tatsache, dass an allen Förderschulen in NRW Kinder und Jugendliche in unterschiedlichen Bildungsgängen unterrichtet werden können - so auch im Bildungsgang des Förderschwerpunkts Lernen.
Zur Frage 3:
Da Taubblindheit in der Regel bereits sehr frühzeitig medizinisch diagnostiziert wird, können diese Kinder schon im Kleinstkindalter gefördert werden. Gemäß § 20 AO-SF setzt die Förderung dieser Kinder mit der Hausfrüherziehung im Elternhaus ein.
Alle weiteren die Schullaufbahn betreffenden Entscheidungen sind abhängig vom sonderpädagogischen Förderbedarf und werden individuell getroffen. Auch für Schülerinnen und Schüler mit Taubblindheit wird durch die sonderpädagogischen Lehrkräfte ein individueller Förderplan erstellt, der die Grundlage für die schulische sonderpädagogische Förderung bildet (vgl. § 19 Abs. 6 AO-SF).
Zur Frage 4:
Ein sonderpädagogischer Förderschwerpunkt "Taubblind" existiert in den schulrechtlichen Vorgaben in NRW nicht. Der Lehramtsstudiengang Sonderpädagogik umfasst in NRW ein Zwei-Fach-Studium, erziehungswissenschaftliche Studien und Praxisphasen sowie zwei sonderpädagogische Fachrichtungen. Eine der beiden sonderpädagogischen Fachrichtungen muss seit 2003 der Förderschwerpunkt "Lernen" sein.
Bei Vorliegen besonderer Gründe kann von dieser Festlegung abgesehen werden. Bisher sind keine Anträge gestellt worden, die auf eine Kombination der sonderpädagogischen Fachrichtungen Sehen sowie Hören und Kommunikation zielen.
Zur Frage 5:
Im Grundsatz können diese Schülerinnen und Schüler - abhängig vom individuellen sonderpädagogischen Förderbedarf - an allen Orten sonderpädagogischer Förderung (Gemeinsamer Unterricht, Integrative Lerngruppe oder Förderschulen) und dort in unterschiedlichen Bildungsgängen unterrichtet werden.
Häufig werden als Förderorte spezialisierte Förderschulen wie das Bildungszentrum für Taubblinde in Hannover-Kirchrode/ Niedersachsen oder die Paulinenschule, Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen des Landschaftsverband Westfalen-Lippe, in Paderborn gewählt.
Die Amtlichen Schuldaten (ASD) erfassen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach den jeweiligen Förderschwerpunkten. Ein Zusatz "taubblinde Schülerinnen und Schüler " wird statistisch nicht abgefragt. Eine Differenzierung ist daher nicht möglich.