Schächten in NRW Wortlaut der Kleinen Anfrage 1187 vom 7 Dezember 2006 Am 31 Dezember 2006 findet das muslimische Opferfest statt

Dezember 2006 findet das muslimische Opferfest statt. Das aus diesem Anlass durchgeführte betäubungslose Schächten von Tieren führt immer wieder zu Konflikten zwischen den Anforderungen des Tierschutzes und der Freiheit der Religionsausübung. Nach den Regelungen des Tierschutzgesetzes bedarf es der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zur Durchführung des betäubungslosen Schächtens, wofür in NRW die Kreise und kreisfreien Städte zuständig sind.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele Ausnahmegenehmigungen für betäubungsloses Schächten wurden in NRW in den Jahren 2003 bis 2006 in NRW erteilt (bitte jährliche Auflistung nach Tierarten und Anlass für die Ausnahmegenehmigung)?

2. Aufgrund welcher Kriterien hat die jeweils zuständige Behörde entschieden, dass für die beantragende Religionsgemeinschaft zwingende Gründe zur Durchführung des Schächtens vorliegen?

3. Welche Informationen liegen der Landesregierung über eine sehr unterschiedliche Genehmigungs- und Überwachungspraxis in den einzelnen Kreis- und kreisfreien Städten in NRW vor (zum Beispiel im Kreis Düren im Vergleich zum benachbarten Rhein-ErftKreis)?

4. Was unternimmt die Landesregierung um eine möglichst einheitliche Genehmigungsund Überwachungspraxis in ganz NRW zu gewährleisten?

5. Welche Folgen hat nach Auffassung der Landesregierung das vom Bundesverwaltungsgericht am 23. November 2006 gefällte Urteil zum Schächten hinsichtlich der Genehmigungspraxis in NRW? Antwort des Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 16.

Zur Frage 4:

Der Landesregierung ist es durch intensive Gespräche, sowohl mit Vertretern jüdischer als auch muslimischer Religionsgruppenvertreter, gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, dass sowohl dem Anliegen der Religionsgruppen als auch dem Anliegen des Tierschutzes und damit dem Tierschutzgesetz nachkommt. Durch Erlass in Nordrhein-Westfalen wurde bestimmt, dass Ausnahmegenehmigungen zum vollständig betäubungslosen Schlachten (sog. Schächten) von Tieren nur auf wenige Einzelfälle begrenzt bleiben und nur unter besonderen

­ sehr aufwändigen ­ Bedingungen erteilt werden können. Der Erlass sieht im Einzelnen umfangreiche Prüfparameter und Vorgaben in folgenden Bereichen vor:

1. Beratung der Antragsteller

2. Anforderungen an die Darlegung der zwingenden Vorschrift einer Religionsgemeinschaft

3. Anforderungen an den Antragsteller

Antragsteller: Privatperson

Antragsteller: Religionsgemeinschaft i.S. v. § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG

Antragsteller: Muslimischer Metzger

Sicherstellung der Vertriebswege, Kundenbindung

4. Materielle Anforderungen an die Durchführung des Schlachtens ohne Betäubung (Schächten)

Angaben zum Schlachtbetrieb

Angaben zur Art und Anzahl der zu schächtenden Tiere

Darlegung des Schlachtablaufes

Angaben zur sachkundigen Person, Sachkunde des Schächtpersonals

5. Tierschutzrechtliche Anforderungen an die Durchführung des Schächtens

Umgang mit dem Schlachttier

Schächten von Schafen

Schächten von Rindern

Das Schächtinstrument

Der Schächtschnitt

6. Tierärztliche Überwachung

7. Anträge auf Zulassung einer Behandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TierSchlV

Der komplette Erlass ist über die Homepage des Ministeriums www.munlv.nrw.de allen Interessierten zugänglich.

Zur Frage 5:

Mit Urteil vom 23. November 2006 ­ 3 C 30.05 - hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) festgestellt, dass die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz es nicht ausschließt, einem muslimischen Metzger eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) von Rindern und Schafen zu erteilen, um seine Kunden entsprechend ihrer Glaubensüberzeugung mit Fleisch zu versorgen. Das Gericht hat in einer Presseerklärung weiter ausgeführt: "Das Tierschutzgesetz (TierSchG) verbietet grundsätzlich das betäubungslose Schlachten.

Es sieht aber eine Ausnahmegenehmigung vor, um den Bedürfnissen der Angehörigen von Religionsgemeinschaften zu entsprechen, denen zwingende Glaubensvorschriften den Genuss des Fleisches von Tieren verbietet, die vor der Schlachtung betäubt worden sind. Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und sunnitischer Muslim. Er lebt seit ca. 25 Jahren in der BRD und betreibt eine Metzgerei. Er macht geltend, zwingende religiöse Vorschriften untersagten ihm und seinen muslimischen Kunden den Verzehr von Fleisch vor der Schlachtung betäubter Tiere. Für die Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er deswegen bis Anfang September 1995 Ausnahmegenehmigungen zum Schlachten ohne Betäubung.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerwG vom 15.06.1995, mit dem die Versagung einer zur Versorgung von sunnitischen Muslimen mit Fleisch- und Wurstwaren begehrten Ausnahmegenehmigung für rechtmäßig befunden worden war, verweigerte der Beklagte dem Kläger die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen. Nach Erfolglosigkeit der hiergegen eingelegten Rechtsmittel erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das BVerfG hob durch Urteil vom 15.01.2002 die klageabweisenden Gerichtsentscheidungen auf und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Es stellte fest, dass die Entscheidungen, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten ablehnten, den Kläger in seinen Grundrechten verletzten. Die Vorinstanzen haben daraufhin den Beklagten dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahmegenehmigung zum Schlachten ohne vorherige Betäubung zu erteilen. Hiergegen hat der Beklagte Revision mit der Begründung eingelegt, mit der Einfügung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in das GG hätten sich die Gewichte zugunsten des Tierschutzes verschoben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Das Gesetz beabsichtige, sowohl den betroffenen Grundrechten als auch den Zielen des ethischen Tierschutzes Rechnung zu tragen. Dem diene die an enge Voraussetzungen zum Schutz der Religionsfreiheit geknüpfte Ausnahmevorschrift für ein betäubungsloses Schlachten. Hieran habe sich durch die Verankerung des Tierschutzes im GG nichts geändert. Eine andere Betrachtung würde einen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Vorrang des Tierschutzes bedeuten."

Von Seiten des Ministeriums wurde sofort bei Gericht die Urteilsbegründung angefordert, um die Begründung genau zu analysieren. Das Gericht hat eine Übersendung zugesagt, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, gleichzeitig aber darauf verwiesen, dass dies frühestens in etwa acht Wochen der Fall sein wird. Erst nach Prüfung der Urteilsbegründung ist eine entsprechende rechtliche Bewertung möglich, welche Auswirkungen dies für die Vorgehensweise in Nordrhein-Westfalen haben wird.